Renault Scénic Vision mit Batterie und Brennstoffzelle
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Das also kommt heraus, wenn Renault in die Zukunft schaut. Die des Autos an sich und die der Nachhaltigkeit gleich mit. Und so steht da im Scheinwerferlicht ein E-Mobil, 4,50 Meter lang, 1,60 Meter hoch – und mit Strom aus gleich zwei Quellen. Der technische Clou: Während bei der Debatte um den Antrieb von morgen Brennstoffzelle und Batterie gerne noch in Konkurrenz gesehen werden, arbeiten sie beim Scénic Vision tief im Fahrzeugboden schon eng zusammen.
Noch ist der Wagen offiziell ein sogenanntes Concept-Car. Eine Art Versuchsballon auf Reifen. Inoffiziell jedoch ein Ausblick auf das, was schon 2024 auf die Straße kommen könnte. Eine Einladung zum Reisen versprach vor gut 30 Jahren das erste Scénic Concept-Car, ein plüschiger Kompakt-Van mit einem Monstrum von Schiebetür-Mechanik. Der Nachfolger lädt obendrein zum Recycling. Ein rollendes Wertstoff-Mobil, wenn man so will. Nur eben sehr viel schicker.
Außen herum ist von Vision eher wenig zu spüren. Zukunftsweisend wird es unter der Silhouette. Das Ziel: Den „CO2-Rucksack“, der auf jedem E-Auto lastet, so klein wie irgend möglich zu halten. Sollen andere doch auf immer größere Batterien setzen – in Boulogne-Billancourt glauben sie an eine andere Idee. Und so speist sich der 160 kW starke Synchronmotor an der Hinterachse aus einem 40-kWh-Akku. Kleiner als üblich, aber eben auch deutlich billiger. Und umweltschonender. Weniger Rohstoffe, weniger Gewicht, weniger Stromverbrauch.
Dass es der Scénic Vision trotzdem auf ordentlich Distanz bringt, verdankt er einer 15-kW-Brennstoffzelle, die ebenfalls an der Hinterachse sitzt. Sie dient allerdings nicht dem direkten Antrieb, sondern lädt – einem Notstromaggregat ähnlich – ausschließlich die Batterie. Das Resultat sind laut Renault runde 800 Kilometer Radius – inklusive eines fünfminütigen Stopps, um den 2,5 Kilo fassenden Tank über der Vorderachse zu befüllen.
Der hochkomprimierte Wasserstoff enthält pro Kilo so viel Energie wie 3,3 Liter Diesel. Er reagiert mit dem Sauerstoff aus der Umgebungsluft bei etwa 80 Grad Celsius, erzeugt dabei Strom und hinterlässt nichts als ein paar Tröpfchen harmloses H2O. Hübscher Kollateralnutzen: Bei kaltem Wetter sorgt der Range-Extender auch dafür, dass die Batterie auf Temperatur kommt.
So verheißt der Scénic Vision die Öffnung zur Mitte. Die Balance zwischen Sparen und Spanne, zwischen Umwelt und Freiraum, zwischen Verantwortung und Ego. Und weil die allermeisten die mögliche Fahrleistung nicht annähernd ausschöpfen, büßen sie nicht wirklich etwas ein. Was sie hingegen gewinnen, ist ein Auto, das sich auch an anderer Stelle zur Mitte öffnet – mit gegenläufig schwenkenden Türen ohne B-Säule. Ein echter Hingucker.
Den Blick geweitet hat auch Renault. Denn so sehr fast alle hierzulande aktuell das E-Auto preisen – es ist trotz technischer Fortschritte immer noch schwer, verschlingt massiv Rohstoffe und macht in der Folge politisch abhängig. Hier aber kommt der Motor mit gewickeltem Rotor nach Angaben des Konzerns gänzlich ohne seltene Erden aus, Nickel und Lithium werden nachhaltig abgebaut, und das Platin in der Brennstoffzelle stammt zu 100 Prozent aus dafür ausgeschlachteten Katalysatoren.
Das Ziel: Bis 2030 strebt Renault einen Anteil von 33 Prozent recycelbarer Materialien – gemessen am Gewicht – neuer Fahrzeuge an. Was möglich ist, zeigt der Scénic Vision. Er kommt auf eine Quote von mehr als 70 Prozent.
Für Stahl, Alu, Glas und die meisten Kunststoffe ist die Aufarbeitung längst Standard. Schwierig wird es bei Material-Mix. Außer man denkt schon bei der Konstruktion voraus. So bestehen etwa Schaumstoffe, Textilien und Nähte der Scénic-Sitze zu 100 Prozent aus schon einmal verwendetem Kunststoff. Und weil alles weiß ist, müssen am Ende des Autolebens auch keine Farbstoffe mühsam beseitigt werden.
Der Geist der Zweitverwertung weht durch das gesamte Auto. Carbon für Karosserieteile und Türschweller stammen aus Abfällen der Luftfahrtindustrie, Kohlenstoff-Fasern für den Wasserstofftank fallen bei der Papierherstellung an, und den Bodenbelag bilden gegossene Platten aus geschredderten Plastikflaschen und Kunststoffrohren. Sogar aus Dreck kann man noch was machen: Die schwarzen Pigmente der Dachfarbe waren mal Feinstaubpartikel.
Im Innenraum herrscht noch jede Menge Concept-Style. Die zehn einstellbaren Widget-Bildschirme in Bierdeckel-Größe mögen es womöglich gerade noch in die Serie schaffen, die für jeden Sitz personalisierten Klangräume mit Mikrofonen und Lautsprechern eventuell auch. Das an einen Raumschiff-Kommandostand erinnernde Steuer sowie die minimalistischen Pedale dürften dagegen eher im hauseigenen Museum verschwinden. Und selbst das futuristische Tür-Konzept wird noch diverse Crash-Tests zu meistern haben.
Erfolg möchte man den Neuerungen in Sachen Sicherheit wünschen. So macht ein unter die Frontscheibe projiziertes Kamerabild die Motorhaube vermeintlich gläsern und vergrößert den Sichtbereich des Fahrers um rund ein Viertel. Falls es doch mal zu einem Crash kommen sollte, will der Scénic seine Passagiere mit Cocoon-Airbags gleichsam schützend umarmen. Und auch an den Brandschutz haben die Ingenieure gedacht. Über den „Fireman-Access“ kann im Fall des Falles Wasser in den Kern der Batterie geleitet werden.
Auch von Putins Krieg und Coronas Folgen wird am Ende abhängen, wieviel Vision sich im realen Scénic von morgen wiederfindet. Sollten als Folge energiepolitischer Unabhängigkeitsbestrebungen schon mal mehr Wasserstoff-Tankstellen entstehen, wäre das zumindest kein Schaden.
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