NIO und Co. ebnen den Weg: Wechselbatterien kommen
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Das Prinzip der Wechselakkus galt eigentlich als gescheitert. Zu teuer, nicht ausgereift und deswegen nicht praktikabel lautete das Urteil, doch jetzt feiert die Technik ein beachtliches Comeback. Bei den Stromern lautete das Motto bisher: schneller, mehr, weiter. Schneller Laden, mehr Batteriekapazität und weiter rein elektrisch fahren. Der Weg scheint vorgezeichnet. Doch es ist nicht ganz so wie es scheint.
Immer leistungsfähigere Batteriezellen ertüchtigen die Elektromobile zu immer kürzeren Standzeiten an den Ladesäulen und zu Reichweiten, die die Diskrepanz zu den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren immer geringer werden lassen. Damit schwindet auch die Reichweitenangst. Dass die technische Weiterentwicklung der Akkus nicht ganz billig wird, nimmt man als gegeben hin, da diese Technologie als alternativlos gilt.
Konzepte wie das der Wechselbatterien betrachten die etablierten Autobauer mit amüsierter Neugierde. Schließlich ist Shai Agassi mit diesem Konzept und seiner Firma Better Place trotz großer Ankündigungen und Visionen krachend gescheitert. Tesla fand die Idee interessant, experimentierte mit Wechselstationen, gab aber das Projekt aufgrund des Mangels an Kundeninteresse auf. Jetzt will Nio alles besser machen. In den Entwicklungsabteilungen der etablierten Automobilhersteller lehnt man sich entspannt zurück Sollen die Chinesen ruhig Geld verbrennen. Selbst als der chinesische Autobauer demonstrierte, dass man aus den Better-Place-Fehlern gelernt hat und das Tauschen der Akkupakete funktioniert, war das noch kein Grund zur Besorgnis.
Tatsächlich hat der chinesische Autobauer an zwei entscheidenden Stellen den Hebel angesetzt. Zum einen wird das Fahrzeug mittels einer Hebebühne in die angehoben und so perfekt ausgerichtet, dass das Wechseln der Energiespeicher problemlos vonstattengeht, zum anderen hat Nio kräftig an der Kostenschraube gedreht. Die Stationen sind deutlich günstiger als bei Better Place und brauchen auch weniger Platz als das Vorbild. Gut vier Parkplätze genügen. Laut Nio kann eine Wechselstation bis zu 70 Autos pro Tag mit neuen Akkus bestücken. Ein solcher Tausch dauert rund fünf Minuten. In China sind bereits rund 860 Stationen in Betrieb. Ein Vorteil ist, dass die Wechselakkus schonend, weil langsam geladen werden können.
Alles recht schön und gut, wird sich der eine oder andere sagen und gedanklich einen Sack Reis umstoßen. Doch das Konzept der Austauschbatterien hat neuen Schwung bekommen, weil die chinesische Regierung diese Idee unterstützt und ein Pilotprojekt ins Leben gerufen hat, das mehr als 1.000 Batteriewechselstation vorsieht und mehr als 100.000 entsprechende Autos auf die Straßen bringen soll. Insgesamt elf Städte sollen die Vorreiter für elektrische Pkws und Lkws werden: Beijing, Changchun, Baotou, Nanjing, Wuhan, Hefei, Sanya, Chongqing, Yibin, Jinan und Tangshan. Das Eingreifen des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) war notwendig, da einige Autobauer im Reich der Mitte die Vorzüge des Akkutausches entdeckt haben und die Gefahr besteht, dass jeder sein eigenes Technologie-Süppchen kocht, was kontraproduktiv wäre. Zu den Herstellern, die auf das Prinzip der Wechselakkus setzen gehören unter anderem BAIC BJEV, SAIC Motor, oder GAC.
Der chinesische Autobauer Geely will im Heimatmarkt bis zur Mitte der Dekade 5.000 Batteriewechselstationen errichten und hat dafür eigens ein Joint Venture mit Lifan Technology gegründet, bei dem Geely das Heft des Handelns in der Hand behält. Auch CATL hat ein Akkuwechselsystem in der Mache. CAES, ein Tochterunternehmen des chinesischen Batteriezellen-Herstellers, hat Anfang des Jahres eine Akku-Tausch-Lösung vorgestellt, das mit verschiedenen Fahrzeugen funktioniert. Wenn solche Big Player mit globalen Ambitionen auf den Zug aufspringen, ist eine Technologie mehr als eine teure Eintagsfliege. Die Technik kann sich aber nur durchsetzen, wenn es einen Standard gibt. Das hat die Regierung in Beijing erkannt und handelt dementsprechend.
Die Wechselakkus bleiben kein lokales Phänomen und werden auch nach Europa kommen. Nio hat bereits in Norwegen Fuß gefasst und will noch in diesem Jahr die ersten Stationen in München sowie Berlin errichten. Die Bundeshauptstadt entwickelt sich ohnehin zu einem Pfeiler für die Austauschbatterien. Unlängst hat TotalEnergies mit dem Batteriewechsel-Spezialisten Infradianba, ein Joint Venture zwischen dem deutschen Infrastrukturexperten InfraMobility und dem chinesischen Batteriewechsel-Spezialisten Aulton Dianba, eine Kooperation angekündigt. In den USA tut sich in und um San Francisco etwas, wo das Start-up Ample fünf Batterietauschstationen speziell für elektrifizierte Uber-Fahrer betreibt. Dabei soll es nicht bleiben. Deswegen ist Ample zwei Partnerschaften mit den Investoren Shell und Eneos eingegangen, um weitere Projekte in den USA und Japan zu anzukurbeln.
Dies alles ist nicht unbemerkt geblieben. Auch Toyota hat mittlerweile Blut geleckt: Der japanische Kurierdienst Yamato Transport und Commercial Japan Partnership Technologies Corporation (CJPT) arbeiten gemeinsam an der Standardisierung von austausch- und wiederaufladbaren Batteriekassetten für kommerziell genutzte Elektrofahrzeuge. Gerade bei den Nutzfahrzeugen ergeben die Wechselakkus Sinn, denn die großen Batterien können schnell getauscht werden, während der Lkw beladen wird. Während die Transporter in Betrieb sind, werden die Energiespeicher wieder gefüllt. Klar ist aber auch, dass Batterie-Austausch-Stationen nicht die alleinige Lösung darstellen und komplementär zum Ausbau einer klassischen Ladeinfrastruktur installiert werden und so für eine Entzerrung Stromtankproblematik führen.
Über den Autor: Wolfgang Gomoll; press-inform
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