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Automobilindustrie stagniert beim Thema Nachhaltigkeit

Automobilindustrie stagniert beim Thema Nachhaltigkeit

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Ohne verstärktes Engagement in die Nachhaltigkeit droht die Automobilbranche die Pariser Klimaziele zu verfehlen – nur 9 Prozent der Unternehmen sind beim Thema Nachhaltigkeit führend, so eine neue Studie des Capgemini Research Institute. So seien die Investitionen in Nachhaltigkeitsinitiativen global gesehen von durchschnittlich 1,22 Prozent des Umsatzes im Jahr 2019 auf 0,85 Prozent im Jahr 2022 zurück gegangen. Auch in Deutschland seien die Investitionen gesunken, wenngleich diese mit 1,11 Prozent noch deutlich über dem weltweiten Durchschnitt liegen. Die Zulieferer investieren jährlich sogar einen größeren Anteil ihres Umsatzes (0,93 Prozent) als die Hersteller (0,79 Prozent).

Auch die Umsetzung der wichtigsten Nachhaltigkeitsinitiativen habe sich in der Branche seit 2019 nur geringfügig verbessert und sich in einigen Bereichen sogar verschlechtert. Die derzeitige Geschwindigkeit der Automobilbranche im Bereich Nachhaltigkeit werde daher nicht ausreichen, die CO2-Emissionen deutlich zu senken und die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Das geht aus der aktuellen Studie des Capgemini Research Institute „Sustainability in Automotive: From Ambition to Action“ (verlinkt als PDF, englisch) hervor, für die weltweit knapp 1100 Führungskräfte von Automobilherstellern und -zulieferern befragt wurden.

Aktuelle Herausforderungen wie die anhaltende Chip-Knappheit und Probleme in der Lieferkette haben zu einer Neuausrichtung der Prioritäten geführt, heißt es in der Studie. Der Europäische Green Deal und das Pariser Klimaabkommen allerdings machen es für die Automobilindustrie erforderlich, nachhaltigere Lösungen zu verfolgen, um die Klimaziele zu erreichen. Die Studie zeigt, dass sich eine große Mehrheit (70 Prozent) der Automobilunternehmen auf die Reduzierung der Gesamtemissionen in der gesamten Wertschöpfungskette konzentriert, einschließlich der Scope-1-, -2- und -3-Emissionen, von der Beschaffung bis zu den End-of-Life-Prozessen. Zwei Drittel (64 Prozent) der Automobilunternehmen erwarten eine Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2040, und 57 Prozent gehen über die Einhaltung von ESG-Vorgaben hinaus und machen Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Geschäftsfaktor.

Allerdings hat die Branche seit 2018 ihre Treibhausgasemissionen insgesamt nur um 5 Prozent reduzieren können, bis 2030 wird eine Reduzierung um 19 Prozent erwartet. Bei der derzeitigen Geschwindigkeit sollen die Automobilunternehmen nicht in der Lage sein, das Gesamtziel des Pariser Klimaabkommens von Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen.

Die Studie zeigt, dass nur eine kleine Gruppe von Unternehmen (weniger als 10 Prozent) bei der Strategie und der Umsetzung von Nachhaltigkeit als führend bezeichnet werden kann. Diese Unternehmen („Sustainability Leaders“) konnten ihre Emissionen seit 2018 bereits um durchschnittlich 9 Prozent senken, verglichen mit 5 Prozent in der gesamten Branche. Erwartet wird, dass sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 35 Prozent reduzieren (im Vergleich zu einer prognostizierten durchschnittlichen Reduktion von 19 Prozent in der gesamten Automobilindustrie).

Gleichzeitig soll sich ihre betriebliche Effizienz bis 2026 um 22 Prozent verbessern (im Vergleich zu 16 Prozent für den Rest der Unternehmen im gleichen Zeitraum). Dies lasse sich, so die Studie, direkt auf ihre Nachhaltigkeitsinitiativen zurückführen, die zu einer höheren Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette beitragen. Die führenden Unternehmen konnten durch ihre Nachhaltigkeitsinitiativen zudem ihre Attraktivität für Talente steigern (18 Prozent gegenüber 10 Prozent bei den übrigen Unternehmen).

Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen hat sich nur in wenigen Bereichen verbessert

Die Unternehmen der Automobilindustrie konzentrieren sich auf die Reduzierung von Emissionen und priorisieren Initiativen, auf die sie direkten Einfluss haben, wie etwa die Herstellung und die Dekarbonisierung von Fahrzeugflotten. Der Studie zufolge ist der Einsatz von Initiativen für eine nachhaltige Lieferkette von 42 Prozent im Jahr 2019 auf 57 Prozent im Jahr 2022 (in Deutschland von 40 auf 60 Prozent) und die verantwortungsvolle Beschaffung von Metallen im gleichen Zeitraum von 33 Prozent auf 44 Prozent gestiegen (in Deutschland von 29 auf 63 Prozent).

Die Studie verzeichnet jedoch einen rückläufigen Trend bei der Umsetzung von Initiativen zur Kreislaufwirtschaft. Obwohl 73 Prozent der Unternehmen weltweit der Meinung sind, dass der Beitrag zur Kreislaufwirtschaft notwendig ist, um langfristige finanzielle Ziele zu erreichen und wettbewerbsfähig zu bleiben, verfügen nur 53 Prozent der weltweit befragten Unternehmen über eine Strategie für die Kreislaufwirtschaft und 45 Prozent halten sich derzeit an die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft in ihrer gesamten Wertschöpfungskette; Deutschland liegt hier mit 63 Prozent und 54 Prozent über dem Durchschnitt.
Übergang zu Elektroautos stellt nur einen Teil der Lösung dar

Die Notwendigkeit, die Treibhausgasemissionen zu verringern, hat die Automobilhersteller dazu veranlasst, ihren Fokus verstärkt auf Elektroautos zu richten. Um diese Effekte über die gesamte Lebensdauer eines E-Autos zu erzielen, müssen die Hersteller die Zirkularität der Produktion sicherstellen und den End-of-Life-Prozess für E-Fahrzeug-Batterien in der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigen.

Weniger als die Hälfte (41 Prozent) der befragten Führungskräfte gab an, dass ihr Unternehmen eine spezielle Nachhaltigkeitsinitiative für das Ende der Lebensdauer von Batterien verfolgt; bei Second-Life-Batterien sind es nur 28 Prozent. Trotz steigender Verkaufszahlen von Elektroautos zögern die Kunden häufig aufgrund von Bedenken bezüglich Reichweite und Kosten für das Aufladen noch auf diese umzusteigen; attraktiver sind vielfach die bessere Verfügbarkeit von Ersatzteilen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und Wartungsoptionen. Steigende Kosten für das Energienetz und komplizierte Lademöglichkeiten bremsen den Fortschritt und die Akzeptanz.

Fehlende KPIs lassen die Umsetzung stagnieren

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die unzureichende Integration wichtiger Nachhaltigkeitskennzahlen in das Tagesgeschäft und Performance Management dazu führt, dass die Umsetzung stagniert: 73 Prozent der befragten Führungskräfte sind der Meinung, dass die Einführung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in ihren täglichen Aktivitäten und Prozessen in den letzten zwei bis drei Jahren nur geringfügig zugenommen hat oder gleich geblieben ist. Nur 10 Prozent der Unternehmen weltweit und 14 Prozent in Deutschland haben die Leistungsziele mit den wichtigsten Nachhaltigkeitszielen für nichtleitende Angestellte abgestimmt.

Schwierigkeiten bei der Erfassung, Verwaltung und Analyse von Nachhaltigkeitsdaten sind ebenfalls eine der größten Herausforderungen: Nur 12 Prozent der Führungskräfte gaben an, dass ihr Unternehmen derzeit eine Plattform einsetzt, um Nachhaltigkeitsinitiativen in vollem Umfang zu messen, zu monitoren und zu reporten.

Eine unternehmensweite Rechenschaftspflicht ist der Studie zufolge unabdingbar, um Ziele festzulegen und sich über den Fortschritt von Nachhaltigkeitsinitiativen auszutauschen. Da die Stakeholder die Einhaltung der ESG-Richtlinien genau unter die Lupe nehmen, müssen Daten aus der gesamten Lieferkette quantifiziert werden, um Transparenz zu zeigen und eine Grundlage für die Festlegung von Leistungskennzahlen zu schaffen.

Verankerung der Nachhaltigkeit im Geschäftsmodell

Da die gesetzlichen Bestimmungen strenger werden und die Erwartungen der Verbraucher und der Gesellschaft steigen, müssen die Automobilunternehmen bei den aktuellen und geplanten Investitionen der Realität ins Auge blicken, so die Studienautor:innen. Die Automobilindustrie stehe vor einem entscheidenden Jahrzehnt, denn es gilt, das Produktportfolio von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb umzustellen. Führende Unternehmen haben sich für diesen Wandel zwar gut positioniert, doch ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der neue Prozesse, Menschen und den Schutz des ganzen Planeten einbezieht.

Die Automobilindustrie befindet sich auf dem Weg in ein neues Zeitalter, das vor allem vom Umstieg auf Elektroautos geprägt sein wird. Obwohl Nachhaltigkeit als oberste Priorität gesehen wird, gerät die Branche als Ganzes ins Hintertreffen“, sagt Ralf Blessmann, Leiter des Automotive Sektors bei Capgemini in Deutschland. Die Automobilunternehmen müssen ihren Nachhaltigkeitsansatz neu überdenken, wenn sie die im Pariser Abkommen für 2050 festgelegten Ziele zur Klimaneutralität erreichen wollen. „Dazu gehört ein deutliches und erneuertes Engagement für die Kreislaufwirtschaft, das sich auf den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs konzentriert sowie die Einbeziehung von Scope-3-Emissionen“. Eine Rechenschaftspflicht, so Blessmann, sei unerlässlich, um Ziele und KPIs für die gesamte Organisation zu definieren und Fortschritte bei der Umsetzung dieser Ziele zu erreichen.

Das Capgemini Research Institute befragte im Juli und August 2022 gut 1080 Führungskräfte aus großen Unternehmen, darunter Automobilhersteller mit einem Jahresumsatz von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, Automobilzulieferer und reine E-Auto-Hersteller. Die befragten Führungskräfte stammten aus den Bereichen Unternehmensstrategie, Produktstrategie, Planung, Finanzen, Lieferkette, Nachhaltigkeit, Aftersales, Mobilitätsdienstleistungen, Vertrieb und Marketing, Fertigung und Produktion, Betrieb, IT, Technik, Forschung und Entwicklung sowie Design. Die Befragten befanden sich auf der Ebene eines Direktors bzw. einer Direktorin oder höher und waren für die Nachhaltigkeitsstrategie, -initiativen, -steuerung und -investitionen des Automobilunternehmens sowie für die daraus resultierenden Vorteile und Ergebnisse verantwortlich. Darüber hinaus wurden 20 ausführliche Interviews mit Führungskräften und Expert:innen aus der Branche geführt. Die Studie umfasst neun Länder: China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Japan, Schweden, Südkorea sowie die USA.

Quelle: Capgemini – Pressemitteilung vom 17.10.2022

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