Ausblick: Was macht die Elektrooffensive in den USA?
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Einst nur das Land der Gas-Guzzler, kommen die Vereinigten Staaten so langsam auf dem Geschmack nach der großen Elektromobilität. In dem Flächenstaat gibt es noch viel zu tun, doch die Infrastruktur der USA wächst langsam und stetig.
Als Nachrichten durch die europäischen Medien geisterten, dass es gerade vor den Ladesäulen der Einkaufszentren am Wochenende zu Warteschlagen und tumultartigen Zuständen kommen würde, staunten viele in Europa nicht schlecht. Die USA und Elektro – ist das bereits so ein Boom? Wer durch den Großraum Los Angeles oder die San Francisco Bay Arena fährt, der fällt mit einem Verbrenner beinahe schon unangenehm auf.
Tesla Vorreiterstellung. Audi, Porsche und Mercedes holen auf
Die Zahl der Tesla-Modelle ist gewaltig, immer mehr Audi E-Tron oder Porsche Taycan surren über die Straßen und auch Elektronewcomer wie Kia EV6 oder VW ID4 drücken dem Straßenverkehr ihren Stempel auf. Doch ist das wirklich ein reales Bild der USA oder laufen die Elektromobile allein im grünen Vorzeige-Bundesstaat Kalifornien prächtig?
Fraglos befindet sich Kalifornien einmal mehr in der Vorreiterrolle und das betrifft nicht nur die Zahl der Elektroautos, sondern auch die Ladesäulen an sich. Der Amerikaner ist bekannt dafür, dass er sein Elektroauto in erster Linie in der heimischen Garage auflädt, doch in den großen Agglomerationen sieht man auch im öffentlichen Straßenverkehr immer häufiger Hinweisschilder auf Ladeparks.
Waren diese einst nur für Tesla-Modelle gedacht, so holen gerade die beiden großen Betreiber EV Go und Electrify America mächtig auf. Viele Amerikaner nutzen die Ladesäulen dabei an den großen Einkaufszentren, doch auch immer mehr Banken, Coffee Shops oder Parkhäuser bieten eine Reihe von Ladesäulen an. „Ich lade hier in der Region immer wieder, wenn ich auf der Durchreise hin“, erläutert der 59jährige Paul und nimmt einen kurzen Schluck aus seinem Kaffeebecher, „ich komme aus San Luis Obispo und bin auf dem Weg nach Los Angeles. Hier in Santa Barbara passt es prächtig nachzuladen.“ Erst vor wenigen Wochen hat Paul seinen Lexus RX gegen einen Mercedes EQS SUV eingetauscht und ist mächtig angetan. Derzeit tankt der Luxus-SUV mit 153 Kilowatt nach: „Ich habe mich auch für ein Tesla Model X interessiert, aber hier gab es keine Testfahrten und der Innenraum war meiner Frau eh zu billig.“ Jetzt macht Paul einen kurzen 15-Minuten-Zwischenstopp und surrt weiter Richtung Los Angeles.
Ladeinfrastruktur schwankt innerhalb der Vereinigten Staaten extrem
In einer Stadt wie Santa Barbara gibt es nicht derart viele Schnelllader wie im sonnigen San Diego im Süden, der Bay Arena oder eben in Los Angeles, doch es reicht und das Ladetempo stimmt. Hier kann man bei Electrify America mit bis zu 300 kW nachtanken. Da reichen 15 Minuten je nach Auto für 150 Meilen oder mehr Reichweite. Außerhalb von Kalifornien sieht das Ganze oftmals schwieriger aus. Am einfachsten kann man noch in den Küstenregionen wie New York, Boston, Miami, Fort Lauderdale nachladen und auch in den Bundesstaaten wie Texas, Nevada, Georgia oder Michigan wird das Schnellladenetz mit Hochdruck ausgebaut. Am besten ist das Ladenetz auf den Fernstrecken an Interstates und Highways noch bei Tesla, wo die einzelnen Modelle 3, S, Y oder X an hell erleuchteten Superchargern Kraft für die nächsten hunderte Meilen nachzapfen.
Eines der größten unabhängige Ladenetze in den USA bietet Electrify America an. Derzeit bieten die in den USA über 3.400 Schnelllader an knapp 800 Stationen an. Dabei sind die Konditionen oftmals günstiger als in Europa und speziell Deutschland. Besonders in den Morgenstunden lassen sich Elektrofahrzeuge an vielen 150-kW- oder 300-kWHyperchargern mit einem günstigen Preis von rund 0,30 Dollar pro kWh nachtanken.
Selbst tagsüber berechnen viele Hypercharger gerade einmal 0,35, 0,39 oder 0,43 Dollar pro Kilowattstunde Strom, während in Europa eine ähnliche Strommenge 0,60 bis 0,80 Euro kostet. Gezahlt werden kann wie bei uns per App oder Ladekarte. Dann wird es bisweilen sogar noch günstiger, denn einige Hersteller verkaufen ihre Elektroautos gleich mit ein bis zwei Jahren Ladestrom inklusive. Und die normalen Preise an der Schnellladesäule werden oftmals per Apple Pay, Google Pay oder einfach Kreditkarte gezahlt.
Dabei richten sich die Preise an den einzelnen Ladestationen nicht nur nach der Tageszeit oder ob ein Vertrag existiert oder nicht, denn auch einzelne Bundesstaaten haben untereinander bisweilen mächtige Unterschiede. Kostet eine Kilowattstunde in Staaten wie New York, Florida oder Kalifornien ohne Rahmenkontrakt bei Electrify America beispielsweise tagsüber 0,43 Dollar, wird in einzelnen Staaten allein pro Minute abgerechnet. Bis zu einer Geschwindigkeit von 90 kW sind es 0,16 Dollar pro Minute – bis 350 kW dann 0,32 Dollar pro kleinster Zeiteinheit. Für die Spartarife ist lediglich eine Grundgebühr von vier Dollar pro Monat zu entrichten, die sich mit zweimal nachladen auszahlt.
Günstigere Preise als in Europa & Vorabreservierung gehören zum guten Ton!
Der Anbieter EV Go verkündet stolz, dass rund 140 Millionen Amerikaner in einer Reichweite von zehn Meilen zu einem EV-Go-Lader wohnen. Insgesamt bietet EV Go 850 Schnellladestationen in 60 Metropolregionen. Die Preise pro Kilowattstunde liegen mit 0,22 bis 0,34 Dollar ebenfalls deutlich unter den europäischen Konditionen. Besonders praktisch: einzelne Ladestationen lassen sich im Voraus buchen, sodass diese nicht von anderen Elektroautonutzern belegt sind, wenn man eintrifft.
In den Flächenstaaten gerade im mittleren Westen sieht es dagegen deutlich schwieriger aus. Wer beispielsweise auf der Route 66 unterwegs ist oder den Flächenstaat USA auf dem Lincoln Highway von San Francisco nach New York mit einer Strecke von mehr als 5.000 Kilometern per E-Fahrzeug durchqueren will, der sollte sich vorher Gedanken über seine Zwischenstopps machen.
Selbst auf den klassischen Touristenrouten ist es mit einem Elektroauto mitunter schwierig. Das liegt nicht nur an der überschaubaren Anzahl von Ladern an sich, sondern speziell an den fehlenden Schnellladern, denn wenn eine Ladesäule in der Nähe von Bankgebäude oder Café zum Verweilen einlädt, dann ist das Tempo oftmals überschaubar, denn das eigene Akkupaket im Unterboden des Elektromodells erstarkt mit kaum mehr als sieben oder maximal 22 Kilowatt. Dann wird es längerer Shoppingstopp oder man übernachtet gleich bis zum nächsten Morgen.
Über den Autor: Stefan Grundhoff; press-inform
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