Betrachtung: Brauchen nicht eine Million Ladepunkte
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Wohin entwickelt sich die Elektromobilität? Wo ladet man in Zukunft und wie entwickelt sich die Lade-Infrastruktur. Christian Krüger, Geschäftsführer der BayWa Mobility Solutions bezieht deutlich Stellung und erklärt auch, warum die Anfangseuphorie bei der Elektromobilität verflogen ist.
Herr Krüger, Sie sehen den Ausbau der Ladestruktur in Deutschland positiver als die meisten Experten und rechnen bereits in fünf Jahren mit einer ausreichenden Abdeckung. Was macht Sie so optimistisch?
Die Tatsache, dass die Elektrofahrzeuge, die jetzt auf den Markt kommen, bei der Ladegeschwindigkeit deutlich weiter sind, als das vor drei Jahren der Fall war. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Das führt beim Laden zunehmend zu einer klassischen Tankstellen-Situation. Ob ich Benzin tanke oder Strom lade, wird in Zukunft kaum mehr einen Unterschied machen. Die modernen BEVs laden jetzt schon in fünf Minuten für 100 Kilometer Reichweite und in 20 bis 30 Minuten sind die Akkus zu 80 Prozent gefüllt.
Also sehen Sie den Grund für die Abdeckung in erster Linie nicht an der steigenden Anzahl von Ladepunkten, sondern an der modernen Technik der Autos?
Ja. Was will denn der Fahrer eines Elektroautos? Möglichst schnell Strom tanken und sicher nicht ewig lang an der Ladestation stehen. Diese Attitüde stammt noch aus den Anfängen der Elektromobilität. Mittlerweile sind aber die technischen Voraussetzungen sowohl bei den Fahrzeugen als auch bei den Stationen vorhanden, dass das Laden viel schneller vonstattengeht. Deswegen glaube ich nicht an die AC-Lader in der Stadt, sondern an Schnelllade-Hubs.
Warum genau?
Weil der Ausbau des AC-Ladens mit Wallboxen in den Tiefgaragen der Städte aus Kostengründen nur sehr langsam vorangeht und man an öffentlichen AC-Ladesäulen nicht schnell genug lädt, um die wachsende Anzahl von BEVs mit Strom zu versorgen. Außerdem zeigen Statistiken, dass in München die klassischen AC-Ladesäulen im Schnitt acht Stunden belegt sind, aber hauptsächlich nicht, um zu laden, sondern weil während der Nacht niemand das Auto wegfährt.
Was halten Sie dann von Projekten wie Audis Charging Hub?
Das ist eher eine Flagship-Lösung. Perspektivisch halte ich einen Lade-Hub mitten in der Stadt wie unserer hier in der Arabellastraße mit sehr hohen Ladeleistungen für sinnvoller. Der ist stark frequentiert, weil Leute, die keine Wallbox in der Tiefgarage haben, hierherkommen, schnell laden und dann weiterfahren. Das funktioniert sehr gut und gleicht immer mehr der klassischen Tankstellen-Situation.
Was bedeutet für Sie „schnell“?
15 bis 20 Minuten wären schon ziemlich gut. Das Schöne ist, dass ich aufgrund der zentralen Lage eine hohe Frequenz habe und so verdient man durch den Stromverkauf Geld und kann die Station auch wirtschaftlich betreiben. Also setzen wir auf die Kombination aus hoher Ladeleistung und kurzen Standzeiten an den Ladepunkten. Momentan haben wir im Arabellapark Ladezeiten von 30 bis 35 Minuten.
Studien wie die des Center of Automotive Management sagen voraus, dass 2030 rund elf Millionen BEVs auf deutschen Straßen unterwegs sind. Wo laden die?
Idealerweise zu Hause oder eben an so einem Schnelllade-Hub. In Deutschland haben wir aktuell rund 14.000 Benzintankstellen mit durchschnittlich sechs Zapfpunkten. Das reicht für etwa 40 Millionen Fahrzeuge. Wenn man das auf die zu erwartende Anzahl an Elektroautos umlegt, brauchen wir nicht eine Million Ladepunkte. Außerdem haben die elektrischen Fahrzeuge dann eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern und müssen nicht jeden Abend geladen werden.
Gut, und wo soll der Strom herkommen?
Idealerweise wird jeder Ladepark mit 100 Prozent Grünstrom betrieben. Die Stromverfügbarkeit in Masse ist aber gar nicht das Thema, sondern eher der Lastenausgleich. Gerade bei einem Ladepark erfolgt der Anschluss direkt mit einem Mittelspannungsanschluss an das Netz und es wird die volle Kapazität vorgehalten. Hier arbeiten die Netzbetreiber an intelligenten Systemen, um den Lastenausgleich zu managen.
Wie sehen Sie das Laden im ländlichen Raum?
Da wird viel zu Hause geladen werden, da dort die Voraussetzungen für eine Wallbox ideal gegeben sind
Wie beurteilen Sie das Szenario, dass in Zukunft auf Supermarktparkplätzen während des Einkaufs geladen wird?
Das halte ich für eine gute Sache. Unsere Kunden im halböffentlichen Bereich beschäftigen sich genau mit diesem Laden auf Parkplätzen mithilfe von Schnellladern. Das wird sich in Verbindung mit dem eben beschriebenen tankstellenähnlichen Laden durchsetzen.
Welche Tendenzen erkennen Sie bei der Elektromobilität im Zusammenhang mit den Mobilitätsdienstleistungen?
Die Elektromobilität ist erwachsen geworden und wandelt sich nun mehr zu einem Geschäftsmodell. Der Fokus liegt dabei bei den Firmen ganz klar auf der Wirtschaftlichkeit und ist kein Hygienefaktor mehr wie beispielsweise bei den sogenannten Bürgermeisterladesäulen. Das wirkt sich auch auf die Mobilitätsdienstleistungen aus, wo jetzt unternehmerische Geschäftsmodelle gefragt sind.
Wie meinen Sie das?
Viele Flottenmanager kommen durch Plug-in-Hybride zum ersten Mal mit der Elektromobilität in Berührung und wir stellen gerade bei Mittelständlern eine gewisse Herausforderung fest, wenn es um die Besteuerung und die Prozesse bei den Fahrzeugen geht. Ein Flottenmanager hat das Interesse, seinen Fuhrpark möglichst effizient zu halten und ist jetzt mit neuen Fragen konfrontiert. Gerade bei den PHEVs ist das sehr komplex, da beide Antriebsarten kombiniert sind. Da geht es um das Laden zu Hause, unterwegs und auch um das klassische Benzintanken.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Eine Idee ist das Mobilitätsbudget, bei dem die Kunden ein Budget bekommen, überall laden oder tanken können und je nach Bedarf auf verschiedene Mobilitätsarten zugreifen können. Ich finde solche Konzepte total spannend, weil ein Flottenkunde nicht immer ein Fahrzeug betreiben muss.
Also geht es bei Ihnen darum, für die Flottenkunden ein all-inclusive Paket zu schnüren?
Krüger: Ganz genau.
Das Interview führte Wolfgang Gomoll; press-inform
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