Jaguar Land Rover: „PHEV werden für die Marke wichtig bleiben“
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Thomas Müller ist seit nicht mal einem Jahr Entwicklungsvorstand bei Jaguar Land Rover und hat alle Hände voll zu tun. Im Interview mit Auto Motor und Sport spricht er über die Wichtigkeit von Plug-in-Hybriden für die Marke, die Herausforderung, das Gewicht von elektrifizierten Autos zu senken und natürlich die Zukunftstrategie. Haben „dicke Brocken“ wie der Range Rover überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?
Erst im April 2022 hat Jaguar Land Rover die Ernennung von Thomas Müller als Executive Director of Product Engineering (Vorstand Produktentwicklung) bekannt gegeben. Der 45-Jährige hat die Verantwortung für die technische Entwicklung aller neuen Jaguar- und Land Rover-Modelle übernommen, einschließlich Hard- und Software. Seine Expertise in den Bereichen Technologie, Digitalisierung und agile Leadership soll erhebliche Vorteile für die effiziente Entwicklung der nächsten Generation von modernen Luxusfahrzeugen beider Marken haben. Mit gut 20 Jahren Erfahrung in der Automobilindustrie verfügt Thomas Müller dank unterschiedlicher Stationen im Bereich Forschung & Entwicklung über einen umfangreichen Erfahrungsschatz mit den Schwerpunkten Fahrwerk, ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) und autonomes Fahren. Der 1976 in Brasilien geborene Ingenieur kommt vom Volkswagen-Konzern zu Jaguar Land Rover, wo er in der technischen Entwicklung von Audi verschiedene Führungspositionen innehatte. Zuletzt war Müller Executive Vice President für Forschung und Entwicklung ADAS und autonomes Fahren bei der Automobilsoftware-Tochter des Volkswagen Konzerns, Cariad.
Seit April 2022 Entwicklungsvorstand von Jaguar Land Rover: Thomas Müller | Bild: Jaguar Land Rover
Wissen aus der Formel E zahlt sich aus
Nun hat der Manager sicherlich keine leichte Aufgabe: Er muss die Elektromobilität in einem Konzern vorantreiben, der sich auf das Luxussegement und vor allem auf schwere SUV spezialisiert hat. Dass sie aber auch anders können, zeigt das lange Engagement in der Formel E – Jaguar TCS Racing ist sogar das dienstälteste Team. Und da habe man über die Jahre viel gelernt, was auch der Serienfertigung zugute kommt. „Wir bauen durch die Zusammenarbeit viel Know-how bei der Elektromobilität auf, beispielsweise beim Inverter oder dem Thermomanagement. (…) Das Wissen vor allem im Bereich der Software lässt sich sehr gut nutzen“, erklärt Müller dem Automagazin.
Und sogar bei der Hardware konnte man vom Einsatz in der Formel E profitieren: „Wolfspeed ist seit 2017 Partner des Rennteams und macht den Wechselrichter der Leistungssteuerungseinheit“, erzählt der Entwicklungsvorstand weiter und erklärt, dass mit der Hardware von Wolfspeed Effizienz und Performance deutlich höher seien als vorher. Ob Jaguar Land Rover auch weiterhin eine Zukunft in der Formel E hat, dazu äußert er sich allerdings nicht.
Außerdem verteidigt Müller den Plug-in-Hybrid: „Die Gesellschaft braucht Zeit für die Transformation. Dafür ist das Paket genial. Beispielsweise, wenn man viel Langstrecke fahren muss oder nur eine eingeschränkte Ladeinfrastruktur zur Verfügung hat. Ich glaube also schon, dass Jaguar Land Rover mit diesem Antrieb aktuell gut aufgestellt ist.“ Das Bestellvolumen liege laut ihm derzeit bei 200.000 Fahrzeugen, wovon 70 Prozent auf die Bigsize-SUV Range Rover, Range Rover Sport und den Defender entfallen sollen. „Das ist genau der Weg zu unserer Philosophie von Modern Luxury“, gibt er sich überzeugt. Zudem sei die Nachfrage von PHEVs immens.
Der Range Rover Velar P400E AWD PHEV | Bild: Jaguar Land Rover
Plug-in-Hybride werden speziell für Land Rover wichtig bleiben
Über die Sinnhaftigkeit von schweren SUV, insbesondere dem Range Rover, gibt es für Müller keinen Zweifel. Der Kunde frage nicht nach einem Antrieb, sondern nach einem Produkt. Und jenes Modell würde öfter im Internet gesucht als die Marke Land Rover selbst. Deshalb wäre es auch fahrlässig, dieses Produkt aufzugeben, nur weil die Elektromobilität in aller Munde ist. Es stelle sich eher die Frage: „Wie kreieren wir das beste Paket?“ Für den Kunden seien zwei Dinge bei elektrischen Autos besonders wichtig: maximale Reichweite und maximale Ladeleistung, damit auch schnell wieder weitergefahren werden kann. Sowieso sei bei einem so großen und schweren SUV die Reichweite begrenzt, weshalb schnelles Laden umso wichtiger ist. Plug-in-Hybride werden speziell für Land Rover (und auch den Kunden) wichtig bleiben, ist er der Meinung. Der Range Rover Plug-in-Hybrid biete bereits eine elektrische Reichweite von mehr als 110 Kilometern. „Das können andere nicht“, ist Müller stolz. Dennoch ist auch ein vollelektrischer Range Rover in Arbeit. Er soll das erste rein elektrische Modell der Marke werden. Auf der Webseite von Land Rover steht übrigens bereits geschrieben: „Ab 2024 können Sie aus den ersten von sechs neuen vollelektrischen Land Rover wählen.“
Thomas Müller bemüht sich im Interview, nicht allzu viel preiszugeben – dies gilt auch für die elektrische Reichweite des zukünftigen E-SUV. Er ist sich aber der schweren Aufgabe bewusst: „Das Auto muss Benchmark sein“, erklärt er. Gesetzt sei auf jeden Fall die 800-Volt-Technik. Vor allem auch, weil Hyundai momentan der einzige Hersteller ist, der dies in der breiten Masse ausrollt. Hier müsse man auf jeden Fall nachziehen. Außerdem spiele die Batterie eine wichtige Rolle. Auch, wenn vielerorts bereits von der Festkörperbatterie gesprochen werde, erreiche die erst „Anfang der nächsten Dekade“ Serienreife, ist sich Müller sicher. „Wir starten also erst einmal mit einer Lithium-Ionen-NMC-Technik. Da gibt es noch viele Ideen, beispielsweise auf der Kathodenseite“, teilt der Manager im weiteren Gespräch mit. Vieles gehe ohnehin über die Software, mit der zukünftig auch noch höhere Reichweiten möglich sein sollen.
Als PHEV P440E wiegt der große Range Rover über 2,7 Tonnen | Bild: Jaguar Land Rover
Das Gewicht muss runter!
Elektromobilität in Kombination mit schweren SUV sei für jeden Autobauer eine Herausforderung. Vor allem wegen der 3,5-Tonnen-Gewichtsgrenze bei Pkw sowie der Anhängelasten. Auch ein Elektro-SUV – vor allem bei Land Rover – müsse in der Lage sein, mehr als drei Tonnen ziehen zu können. Jedenfalls spricht sich Thomas Müller grundsätzlich für eine Reduzierung des Gewichts von Fahrzeugen aus: „Man muss die Gewichtsspirale umkehren. Über den batterieelektrischen Antrieb hat man zunächst mal ein paar hundert Kilogramm ins Auto reingebracht. Das hat einen Sekundäreffekt, es müssen also andere Bauteile angepasst werden, beispielsweise beim Fahrwerk“. Nicht zuletzt deshalb werde es auch in den nächsten Jahren noch einige Anwendungsfälle geben, die einen Verbrenner erfordern. Bei Jaguar sähe die Sache schon ein bisschen anders aus, hier sei die Strategie „sehr konsequent„.
Die Umstellung auf die Elektromobilität hat auch einen Haken, den die Kunden in Kauf nehmen müssen: „Wir sehen bereits heute einen klaren Fokus unserer Kunden auf hochpreisige Fahrzeuge (…). Mit der Batterie hat man natürlich einen immensen Kostenblock ins Auto gebracht. Wir sehen gerade jetzt schon um uns herum, dass neue BEV eher im oberen Preissegment angesiedelt sind. Jede Transformation ist im ersten Schritt kostenintensiv, erst im zweiten kommt die Kosteneffizienz“, erzählt er.
Abschließend meint Thomas Müller: „Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Und auch Jaguar Land Rover macht sich darüber Gedanken, diesem Bedürfnis nachzukommen, vielleicht dadurch, dass man ein Auto eher nutzt, statt kauft.“ Damit könnte er ein geplantes Abomodell meinen, welches diverse Hersteller bereits anbieten – genauer äußert er sich aber nicht dazu. Er ist der Meinung, „dass nicht alle in Busse, U-Bahnen oder Robo-Taxis springen wollen. Sie haben noch immer Spaß an Autos und der individuellen Mobilität.“ Wir sagen: Die Zeit wird’s zeigen …
Quelle: Auto Motor und Sport – „Wir müssen die Gewichtsspirale umkehren“ / Jaguar Land Rover – Pressemitteilung
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