Indien im Energiewandel – Elektroautos kommen
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Indien wird elektrisch – zumindest ganz langsam. Auf den Straßen der Millionenmetropolen lässt sich dann und wann tatsächlich ein Elektroauto erspähen. Leicht zu erkennen an dem grünen Nummernschild und zugegeben, meist sind die Crossover von Tata oder Mahindra etwas sauberer als die hunderte von Modellen drumherum.
Wer auf den Straßen Indiens unterwegs ist, dem fällt es schwer zu glauben, dass dieser Markt einmal elektrisiert werden soll. In den Metropolen Chennai, Mumbai, Pune oder Delhi pressen sich Tag für Tag hunderttausende von Autos über viel zu enge Gassen. Wo drei Spuren sind, fahren fünf bis sieben Autos, Rikschas und Roller nebeneinander. Es wird wild gehupt, doch herrscht das geordnete Chaos, denn angespannt ist hinter dem Steuer hier keiner. Aus den Endtöpfen der knatternden Laster und Roller kommen dicke Wolken Abgase. Elektro scheint in weiter Ferne, bis im Hafengebiet von Mumbai der erste Tata Nexon auftaucht.
Indien bei E-Autos noch mit gewaltig Aufholbedarf
„EVs befinden sich in Indien noch in der Anfangsphase. Während erschwingliche E-Fahrzeuge an Fahrt gewinnen, ist es für Luxusautohersteller aufgrund der hohen Einfuhrzölle schwierig, Fahrzeuge als CBUs zu importieren, um die Markttrends und das Kaufverhalten der Kunden zu beobachten“, sagt Bakar Sadik Agwan, Analyst bei Global Data, „Automobilhersteller wie Tesla und Mercedes haben ihre Besorgnis über die weltweit höchsten Steuern zum Ausdruck gebracht, die ihre Fahrzeuge im Vergleich zu entwickelten Märkten wie den USA und Europa bis zu doppelt so teuer und damit in Indien unerschwinglich machen. Der Aufbau einer Montage/Produktion für ein kleines Volumensegment ist für diese Luxusautohersteller wirtschaftlich nicht sinnvoll. Begrenzte Importe könnten dabei helfen, den Markt abzuschätzen und schließlich ihre zukünftigen Strategien zu planen. Das Rennen um die Elektrifizierung in Indien ist kein kurzer Sprint, sondern ein Marathon, der sorgfältige Planung und Ausführung erfordert.“
Skoda hat den indischen Markt fest im Blick und hier für den gesamten Volkswagen Konzern den Hut auf. Es fängt im Kleinen an und wird immer größer. Eines der größten Solardächer des Milliardenstaates befindet sich zum Beispiel auf der Skoda-Fertigung. Die üppige Sonneneinstrahlung hat auf dem Dach zuletzt 26,6 Millionen Kilowattstunden Energie produziert. Damit lässt sich fast ein Drittel des Energiebedarfs der Fertigung durch Solarstrom abdecken. Das würde reichen, um mit einem elektrischen Skoda Enyaq 182 Millionen Kilometer weit zu fahren. Ganz so lang wird der Weg in die indische Elektromobilität nicht werden, aber kaum weniger beschwerlich. Doch die Zuwachsraten können sich sehen lassen.
2022: 300.000 E-Auto-Zulassungen – Anzahl steigend
Gab es 2018 auf indischen Straßen gerade einmal 20.000 Elektrofahrzeuge, so wurde im vergangenen Jahr bereits mehr als 300.000 Autos mit Elektroantrieb verkauft. Ein Problem bleibt die überschaubare Zahl an Ladesäulen. Obwohl das Land mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern Millionen von Rollern, Rikschas und Auto auf seinen Straßen transportiert, gibt es aktuell nicht einmal 1800 Ladestationen. Die indische Regierung hat in den kommenden Jahren viel vor. Bis 2030 soll ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch sein. Die Zahl der Ladesäulen soll bis zum Jahr 2027 auf 100.000 Einheiten ansteigen.
Der Volkswagen Konzern hat Indien seit mehr als 20 Jahren als Potenzialmarkt fest im Blick, doch so recht angesprungen ist der Subkontinent bisher nicht. VW betreibt in Indien zwei Fertigungsstätten in Pune / Chakan und Aurangabad / Shendra mit einer Produktionskapazität von insgesamt mehr als 240.000 Fahrzeugen. Mit seinen fünf vertretenen Marken verkaufte die Volkswagen Gruppe im abgelaufenen Jahr knapp 135.000 Fahrzeuge in Indien – ein Zuwachs von 86 Prozent. Der Konzern beschäftigt in Indien 6000 Mitarbeiter und ist indirekt für die Beschäftigung von weiteren 25.000 Mitarbeitern bei Händlern und Zulieferern verantwortlich. Skoda war seit 2001 besonders mit seinen Modellen Octavia, Fabia und Rapid erfolgreich, die zumeist lokal gefertigt werden. Jetzt liegt der Fokus auf den Modellen Kushaq und Slavia, von denen 95 Prozent vor Ort lokalisiert sind, um die günstigen Landespreise durchsetzen zu können. Neben dem Porsche Macan sind auch die beiden elektrischen Audi-Modelle e-tron und e-tron GT im Angebot.
Der Volkswagen Konzern und Marktführer Mahindra unterzeichneten im vergangenen August einen Vertrag über die Lieferung von MEB-Elektrokomponenten für Mahindras neue Elektro-SUVs. Ferner loten beide Konzerne weitergehende Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Bereich der Elektromobilität aus. Hierbei soll es insbesondere um lokale Fahrzeugprojekte, Lade- und Energielösungen sowie Zellfertigung gehen. Vor Jahren war eine weitreichende Beteilung (19,9 Prozent) von Volkswagen an Suzuki gescheitert, mit der die Wolfsburger vornehmlich auf dem indischen Kontinent landen wollten. Suzuki ist in Indien enger Kooperationspartner von Marktführer Maruti. Doch das Projekt platzte 2015 nach jahrelangem Rechtsstreit.
Auch Stellantis zieht es zunehmend nach Indien. Der Mehrmarkenkonzern mit Firmen wie Peugeot, Fiat, Opel, Citroen oder Jeep verspricht sich gerade bei den günstigen Marken ein gutes Geschäft. Aktuell gibt es lokale Fertigungen in Ranjangaon, Hosur und Thiruvallur, sowie zwei Entwicklungszentren in Chennai und Pune. Die Mitarbeiterzahl ist mit 3000 für einen solch gigantischen Markt jedoch noch überschaubar. Citroen möchte mit einem lokal produzierten C3 auf dem aktuell drittgrößten Einzelmarkt der Welt neue Kunden anlocken. „Der neue C3 ist ein wesentlicher Bestandteil dieser internationalen Expansion und die erste Etappe der Wachstumsstrategie. Das weniger als vier Meter lange Fahrzeug zielt auf ein wichtiges Segment in Indien und Südamerika“, sagt Citroen-CEO Vincent Cobée, „modern, vernetzt und auf die lokalen Bedürfnisse zugeschnitten, ist der neue C3 perfekt geeignet, um das Wachstum von Citroen zu unterstützen.“
Europäische Premiummarken haben es schwer in Indien
Bei vielen Autoherstellern gilt Indien seit Jahren als ebenso hoffnungsvoller Markt wie einst China – die sind mittlerweile unangefochten weltweit die Nummer eins. Der indische Markt wächst nach einem pandemiebedingten Absturz zwar wieder – doch den von vielen erhofften Boom gab es bisher nicht. Besonders schwer tun sich dabei die Premiummarken aus Europa. BMW freute sich Anfang des Jahres über einen 35-prozentigen Anstieg der Verkäufe auf knapp 12.000 Fahrzeuge – nicht viel für einen solch großen Markt und die Tatsache, dass im BMW-Werk Chennai mittlerweile 13 Modelle produziert werden.
Neben dem 2er Gran Coupé werden in CKD-Fertigung unter anderem der 3er, 5er, 6er, 7er sowie X1, X3 / X4, X5 / X7 und Mini Countryman gefertigt, um die gigantischen Steuern für Importe zu umgehen. Bei Mercedes sieht es nicht viel anders aus. Der Stuttgarter Autobauer verkaufte 2022 knapp 16.000 Fahrzeuge – doch der Anstieg von stattlichen 41 Prozent hat seinen Grund in einem schlechten Vorjahr 2021. Damit liegt die Zahl auf dem gleichen Niveau wie 2017 oder 2018. 2020 brachte Mercedes mit seinem EQC sein erstes Elektromodell auf den Markt.
Mittlerweile bieten die Schwaben zudem den AMG EQS 53, den EQB 300 und – lokal produziert – den Mercedes EQS 580 an. Aktuell mit einem Elektroanteil von unter drei Prozent. Doch die indische Vertriebsorganisation rechnet in den kommenden vier Jahren mit einer Vervielfachung auf bis zu 25 Prozent. Weil es mit dem Ladenetz hakt, hat Mercedes eine eigene Lösung gefunden. MB India bietet mit 140 AC- und einigen DC-Schnellladern das größte Schnellladenetzwerk für Luxusautos an. Nutzen können dies aktuell jedoch allein Mercedes-Kunden.
Porsche: Eine Rarität in Indien, nicht nur vollelektrisch
Porsche hat im vergangenen Jahr 779 Fahrzeuge verkauft – mit einem Elektroanteil von zehn Prozent. Elektroautos sind in Indien nach wie vor eine Seltenheit – kein Wunder, dass ein quietschblauer Porsche Taycan auf den Straßen von Pune auffällt, wie ein bunter Hund. Kaum ein Roller oder eine Rikscha kommt auf den überfüllten Straßen der Fünf-Millionen-Metropole vorbei, ohne dass die Handykameras gezückt werden. Gerade junge Inder beugen sich beim Ampelstopp tief über das Stuttgarter Elektromobil, um ein Selfie zu machen.
Der Preis des Taycan ist in Indien vor allem aufgrund der hohen Einfuhrsteuer rund 2,5 mal so hoch wie in seinem Produktionsland Deutschland – mindestens 13.200.000 Rupien plus entsprechende Steuern bedeuten umgerechnet rund 260.000 Euro. Geld genug ist trotz aller Armut jedoch vorhanden, denn der Subkontinent steht mit offiziell gemeldeten 166 Milliardären weltweit an dritter Stelle. Auch die Zahl der Personen mit einem Nettovermögen von 30 Millionen US-Dollar oder mehr ist im Jahr 2021 um elf Prozent gestiegen; das höchste prozentuale Wachstum im asiatisch-pazifischen Raum.
Doch die Regierung will nicht nur Luxuskunden in Elektroautos bringen und selbst wenn die Fahrzeuge auf den Straßen immer jünger werden – die aktuelle Lebensdauer eines indischen Autos liegt bei neun bis zwölf Jahren. Immerhin soll sich das Zeitalter der Verbrenner-Tuk-Tuks dem Ende neigen und die belieben Beförderungsmittel ab 2026 nur noch mit Elektroantrieben unterwegs sein. Erste Modelle sieht man auch hier in den staubigen Innenstädten. Doch der Weg in die Elektromobilität wird länger als in vielen anderen asiatischen Staaten.
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