Betrachtung: So unrealistisch ist induktives Laden während der Fahrt
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Bei den Visionen für die Elektromobilität der Zukunft spielen elektrifizierte Straßen, die das induktive Laden während der Fahrt ermöglichen, immer wieder eine Rolle. Eine realistische Bestandsaufnahme zeigt jedoch, dass die technischen und bürokratischen Hürden recht hoch sind.
Die Vorstellung klingt verlockend: Das Elektroauto wird kontaktlos geladen, während es fährt. Die Konsequenzen des En-Passant-Stromtankens wären weitreichend und überwiegend positiv. Ein Gedränge an den Ladesäulen wird verhindert und vor allem könnten die Batterien eines Elektroautos bis zu 70 Prozent kleiner dimensioniert werden, als das bisher der Fall ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Chalmers University of Technology in Schweden. „Schließlich laden viele Menschen ihr Auto nach Feierabend und in der Nacht auf, was das Stromnetz stark belastet. Wenn man stattdessen gleichmäßiger über den Tag verteilt auflädt, würde die Spitzenlast deutlich reduziert werden“, führt Sten Karlsson, einer der Autoren der Studie aus.
Damit wäre ein großer Kosten- wie auch Rohstofffaktor deutlich reduziert – und die Reichweitenangst würde zudem endgültig der Vergangenheit angehören. Laut der Untersuchung, die sich auf die Daten und Fahrgewohnheiten von mehr als 400 Autos stützt, müsste lediglich die europäischen und nationalen automobilen Hauptverkehrsadern befähigt werden, die Autos während des Fahrens mit Strom zu versorgen. “Technisch ist induktives Laden von E-Autos keine Science-Fiction mehr, zumindest wenn das Fahrzeug steht. Leistungen von bis zu 200 kW werden bei Bussen in Deutschland erprobt“, erklärt Philipp Seidel, Automobilexperte der Strategieberatung Arthur D. Little.
Tatsächlich laufen bereits Versuche mit solchen elektrischen Straßen: unter anderem in China, Frankreich und Schweden. In Bayern ist ein Projekt für das Jahr 2025 geplant, bei dem eine Strecke von einem Kilometer Länge einer Autobahn unter Strom gesetzt wird. Die Kosten für dieses Teilstück sollen bei etwa acht Millionen Euro liegen. Nicht nur deswegen ist bei den meisten Autobahn-Projekten die Elektrifizierung von nur einer Fahrspur vorgesehen. „Die Infrastrukturkosten sind gewaltig und der Aufbau einer flächendeckenden Versorgung würde Jahrzehnte dauern“, verdeutlicht Philipp Seidel. Wenn man sich vor Augen hält, wie schwer sich ein Land wie Deutschland tut, eine ausreichend dichte Infrastruktur mit klassischen Ladesäulen aufzubauen, kann man sich in etwa ausmalen, wie das Ganze aussieht, wenn man die Straßen elektrifiziert.
Wie das gelingen könnte, erprobt Stellantis in Norditalien. Auf dem Testgelände, mit dem vielsagenden Namen „Arena del Futuro“, haben die Experten ebenfalls einen Kilometer Asphalt elektrifiziert und erproben das induktive Laden mit einem Fiat 500e und einem Iveco E-Truck. Gerade für die Logistikbranche wäre diese Technik ein Segen. Die Techniker setzen auf Gleichstrom (DC) ohne Wandlungsverluste und auf Aluminiumschleifen, die günstiger sind als Kupferkabel, die man ursprünglich verwenden wollte und haben so angeblich Ladeleistungen von bis zu 70 kW erreicht. Ob sich dieser Wert dauerhaft in der Praxis bewahrheitet, wird die Zeit zeigen.
Die bisher entwickelten Systeme, die das induktive Laden ermöglichen, erlauben nur einen geringen Spielraum bei der Distanz von Ladespule zu Empfänger, hier war eine sehr genaue Ausrichtung nötig. Wohlgemerkt bei statischen Vorrichtungen. Wie das Ganze bei Geschwindigkeiten jenseits der 100 km/h gelingen soll, stellt eine echte Herausforderung für die Ingenieure dar.
„Die Idee halte ich für wenig zielführend“
Andreas Radics, Managing Director Berylls Group pflichtet bei: „Die Idee, E-Autos beim Fahren zu laden, halte ich für wenig zielführend. Bislang gibt es nur wenige prototypische Feldversuche dazu, die offenbaren aber bereits gravierende Schwächen der Technologie. Zum einen wäre da der Wirkungsgrad. Er liegt in den Feldversuchen bei Werten um 85 Prozent, das ist zu niedrig, um von einer effizienten Ladetechnologie zu sprechen.“
Die Erfahrungen der letzten Jahre untermauern die Analyse des Berylls-Experten. „E-Auto-Hersteller und Zulieferer tun sich seit Jahren schwer damit, induktive Ladelösungen für stationäres Laden zu attraktiven Konditionen auf dem Markt zu bringen“, sagt Philipp Seidel und ergänzt: „Allerdings sehen wir derzeit eine ganze Reihe an Problemen. Selbst bei der stationären Lösung müssen hier die Kosten des Systems, die Effizienz und die Praktikabilität angesprochen werden. Zum Beispiel hatte Audi 2017 für den e-tron und den A8 Plug-in-Hybrid ein solches System angekündigt, das Projekt aber 2019 wieder beendet: zu teuer und zu wenig Kundennachfrage.“
Daher explodieren nicht nur die Kosten des Straßenbaus, auch die Fahrzeuge müssen zusätzliche Technik und Hardware wie Metallschleifen mit sich herumschleppen, die zudem platzsparend im Boden untergebracht werden müssen. Neben den technischen Herausforderungen macht das die Vehikel wieder etwas teurer und frisst den finanziellen Vorteil der kleineren Batterien womöglich wieder auf. Als ob die Wenns und Abers nicht genug wären, kommt bei fliegenden Laden auch noch die Frage der Normung auf, also der Kompatibilität der jeweiligen Lösungen verschiedener Hersteller auf Sender- wie auch Empfängerseite. Denn nur, wenn diese Form des induktiven Ladens möglichst europaweit über alle Fahrzeugmarken und Anbieter von Ladehardware hinweg funktioniert, hat diese Technik eine Zukunft.
Wie schwer das umzusetzen ist, hat allein schon die Suche nach einem EU-genormten Handyladekabel gezeigt. Und das ist technisch eine Kleinigkeit gegen induktive Ladeschleifen plus die ganze technisch-elektrische Peripherie. „Aus meiner Sicht sind schnellladefähige E-Fahrzeuge und High-Power-Charger entlang der Fernstraßen, die schneller umsetzbare und kostengünstigere Lösung, um E-Mobilität wirklich langstreckentauglich zu machen“, bringt es Andreas Radics auf den Punkt.
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