Mercedes EQE SUV: Edel-Frachter für die große Fuhre
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Man wüsste zu gerne, wie viele SUV in Deutschland tatsächlich mal wenigstens einen Feldweg unter die großen Räder nehmen. Von den elektrisch getriebenen vermutlich noch mal deutlich weniger als ohnehin schon. Am Ende werden wohl auch die allermeisten Mercedes EQE SUV zur Kita rollen, zum Arbeitsplatz oder vor die Oper. Dabei würde der Batterie-Benz auch neben der Spur bestens bestehen. Vielleicht sollte es eine Woche Fahrverbot geben, wenn man mit dem Teil nicht mindestens einmal im Quartal vom rechten Weg abkommt.
Es hat ein wenig gedauert, bis bei Mercedes die Reise Richtung Elektro-Welt begonnen hat, doch seit im Automobilbau Maßstäbe wie Reichweite, Ladetempo und Akku-Management gelten, herrscht jetzt Hochspannung: Immer mehr Modelle werden im Konzern unter Strom gesetzt. Da mag der Bundesverkehrsminister noch so hartnäckig für E-Fuels streiten.
Das gehobene Elektro-Pendant zur E-Klasse bringt es auf 4,86 Meter Länge bei 3,03 Metern Radstand und sieht damit erfreulich weniger wuchtig aus als der deutlich dickere Bruder EQS SUV. Der verkauft sich schließlich nicht zufällig vor allem in China und den USA, wo der Blick auf Stromverbrauch, Ressourcen und Weltklima traditionell eher großzügig ausfällt.
Immerhin haben sie bei Mercedes dafür gesorgt, dass auch eine Nummer kleiner Premium-Gefühl aufkommt. Platz hat’s vorne wie hinten reichlich. Im passgenauen Sitz und mit Blick auf ein Cockpit im 1,40 Meter messenden Breitwand-Format, zu dem drei Bildschirme im optionalen Hyperscreen unter einem gemeinsamen Glas verschmelzen. Opulenter war ein Kommandostand seltener – mit gut 8500 Euro Aufpreis allerdings auch seltener teurer. Hübscher Gag: Der Beifahrer kann auf seinem 12-Zoll-Teil bewegte Bilder schauen, während eine Kamera darüber wacht, dass der Fahrer nicht heimlich den Blick von der Straße wendet und nach drüben schielt. Tut er es doch, wird rechts automatisch gedimmt. Kleiner Trost: Auch der serienmäßige Touchscreen reicht völlig.
Materialien und Verarbeitung sind so, wie man es im Zeichen des Sterns erwarten darf. Zum vielfältigen Zierrat aus Lack, Holz oder Leder gibt es Klima-Komfort und Musik, die bis in den Sitz wummert. Wen da ein bisschen das Gewissen plagt – zur Wahl stehen auch Naturfasern und für den Boden Recyclinggarne aus alten Fischernetzen. Wer lieber Last als Leute bewegt: 520 Liter packt der EQE SUV hinter großer Klappe weg, knapp 1,7 Kubikmeter sind es bei umgelegten Lehnen. Und: Am Heck dürfen – zumindest bei den Allrad-Modellen – 1,8 Tonnen an den elektrisch schwenkenden Haken. Im E-Segment ist das schon eine Ansage.
Nicht mal mehr lenken und bremsen müsste man, weil der EQE SUV rundum Obacht gibt, automatisch in der Spur bleibt, auf das richtige Tempo achtet, gebührend Abstand hält, in schwer einsehbare Winkel späht, vor Sekundenschlaf warnt und – wenn sonst nichts mehr hilft – den Anker wirft. Aber wer bräuchte schon einen schicken Wagen, wenn man alles der Assistenz überließe?
Zum Marktstart bieten die Stuttgarter heckgetriebene Versionen mit 180 und 210 kW sowie Allrad-Modelle mit 210 und 300 kW. Apropos Allrad: Clou der Technik ist eine neuartige Kupplung namens „Disconnect Unit“, die den Frontmotor samt Getriebe innerhalb einer Viertelsekunde zu- und wegschaltet. Treibt der EQE SUV bloß hinten, entfällt das Schleppmoment an der Vorderachse – ein Effizienzgewinn von sechs Prozent gegenüber der Kraft an beiden Achsen. Reichweite ist eben ein kostbares Gut.
Auch an anderen Stellen haben sie den Radius im Blick. Bei der serienmäßigen Wärmepumpe etwa oder der „Wasserlanze“, über die Wärme aus der Hohlwelle des E-Motors transportiert wird. Sogar das optionale Trittbrett dient nicht bloß dem bequemeren Einstieg, sondern hat auch eine aerodynamische Funktion. Aus dem 90,6-kWh-Akku lassen sich so – je nach Modell – bis zu 596 Kilometer saugen. Das sind knapp 60 Kilometer weniger als bei der Limousine, aber noch kein Grund für Reichweitenangst. Zumindest dann, wenn man die Hatz zur dreistelligen Tachoanzeige nicht zur Gewohnheit werden lässt und zum Maximaltempo ein wenig Abstand wahrt.
Bei einer ersten Ausfahrt fehlt dem starken Hecktriebler zwar der ganz harte Punch des Top-Modells, das es in unter fünf Sekunden zur 100-km/h-Marke schafft, allerdings kontert er im kurvigen Geschlängel mit besserem Handling. So oder so geht es trotz der bis zu 2,6 Tonnen Gewicht federleicht und strichgenau um alle Radien. Jedenfalls dann, wenn man die optionale Luftfederung von zart gen hart trimmt. Fürs Gelände lässt sich mit ihr auch der Abstand nach unten um drei Zentimeter vergrößern.
Noch mehr Spaß an gepflegter Bogenfahrt genießt, wer die optionale Hinterachslenkung ordert. Die macht den EQE SUV nicht bloß wendig im Parkhaus, sondern auf der Straße so agil wie eine A-Klasse. 10,50 statt 12,30 Meter Wendekreis macht schon ein Unterschied. Wer allerdings allzu kühn in enge Ecken sticht, muss trotz modernster Technik erfahren, dass Masse nun mal Richtung Tangente strebt.
Geruhsamer und obendrein nachhaltiger ist ohnehin die gleichmäßige Fahrt. Dazu lässt sich die Rekuperation per Schaltwippen bis hin zum „One-Pedal-Driving“ einstellen. Das Navigationssystem verfügt über eine „Electric Intelligence“-Funktion. Heißt: Der EQE SUV berechnet – abhängig vom bei Zwischenstopps oder am Ziel gewünschten Akku-Rest – die optimalen Ladepunkte sowie die kürzestmögliche Verweildauer. Dabei schielt die Elektronik auch auf die Topographie, das aktuelle Wetter sowie den persönlichen Fahrstil – und bringt die Batterie rechtzeitig auf optimale Ladetemperatur. Viel schlauer geht es kaum. Immer im Navi-Bild: die „Reichweitenkartoffel“ – flapsiger Ausdruck bei Mercedes für den verbleibenden, aber eben höchst selten kreisrunden Aktionsradius.
Allerdings mag die Fahrt noch so verhalten sein – irgendwann geht dem Akku der Saft aus. An der Wallbox mit 11 kW vergehen für die volle Ladung knappe zehn Stunden, bei optionalen 22 kW dauert es nur halb so lang. Deutlich schneller klappt’s an einer Gleichstrom-Säule. Hier lädt der EQE SUV mit bis zu 170 kW und kommt in gut einer halben Stunde von 10 auf 80 Prozent. Für 250 zusätzliche Kilometer reichen sogar 15 Minuten. Sehr viel länger dauert ein Sprit-Stopp samt Kaffee oder Toilette auch nicht wirklich. Dass der Ladestrom unter der im Fahrbetrieb möglichen Rekuperation von 255 kW liegt, hängt mit den physikalischen Eckdaten vieler deutscher Ladestationen zusammen: 400 Volt mal 500 Ampere gibt eben nun mal 200 kW Maximum.
Für das Einstiegsmodell öffnen sich die Türen ab rund 83.500 Euro, das vorläufige Top-Modell ist gerade noch unter 100.000 zu haben. Man wäre aber nicht bei Mercedes, wenn sich zum Grundpreis nicht locker noch ein fünfstelliger Betrag zusätzlich für Schnick und Schnack anlegen ließe. Premium hat eben seinen Preis – Akku hin oder her.
Wer übrigens glaubt, er könne beim EQE SUV noch unter die mächtige Fronthaube schauen: weit gefehlt. Ölstand gibt es nicht mehr zu kontrollieren – und der Rest der Technik ist zu kompliziert und damit Privileg des Werkstattmeisters. Einzig Wischwasser gibt man noch in die Kompetenz des Fahrers. Nachgefüllt wird über einen ausklappbaren Stutzen im linken Kotflügel. Das ist dann fast noch wie dazumal tanken.
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