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Leak nährt erhebliche Zweifel an Tesla-Autopilot

Leak nährt erhebliche Zweifel an Tesla-Autopilot

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100 Gigabyte an vertraulichen Daten des Autoherstellers Tesla sollen mehrere Informanten dem Handelsblatt zugespielt haben. Die mehr als 23.000 Dateien enthalten einem Bericht der Wirtschaftszeitung zufolge Tabellen mit mehr als 100.000 Namen ehemaliger und aktueller Mitarbeiter, darunter die Sozialversicherungsnummer von Tesla-Chef Elon Musk, außerdem private E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Gehälter von Mitarbeitern, Bankdaten von Kunden und geheime Details aus der Produktion.

Deutsche Behörden sollen daher schwerwiegende Hinweise auf mögliche Datenschutzverstöße von Tesla haben, so das Handelsblatt unter Berufung auf die Datenschutzbehörde in Brandenburg, wo der Autobauer seine europäische Gigafabrik betreibt. In dem Bericht heißt es, der US-Elektroautohersteller habe es versäumt, die Daten von Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern angemessen zu schützen.

Die Datenschutzaufsichtsbehörde in den Niederlanden, wo sich die Europazentrale von Tesla befindet, sei ebenfalls über den Fall informiert worden. Tesla habe in dieser Angelegenheit bereits eine vorläufige Meldung an die niederländischen Behörden eingereicht. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union sieht vor, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, wenn sie befürchten, dass personenbezogene Daten verloren gegangen sein könnten.

Die Authentizität der Daten sei vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie geprüft worden. Es keine Hinweise darauf, dass „der Datensatz nicht aus IT-Systemen von oder dem Umfeld von Tesla stammt“, zitiert das Blatt die Fraunhofer-Experten. Auch Tesla zweifelt die Echtheit der Dokumente wohl nicht an: Das Handelsblatt zitiert Teslas Hausjuristen Joseph Alm mit den Worten, ein „verärgerter ehemaliger Mitarbeiter“ habe seinen Zugang als Servicetechniker missbraucht, um an Informationen zu gelangen. Tesla wolle rechtliche Schritte gegen den mutmaßlichen Ex-Mitarbeiter einleiten.

Zudem habe Tesla versucht, die Berichterstattung über das Datenleck zu verhindern: Jurist Alm habe das Handelsblatt in einem Schreiben dazu aufgefordert, dem Unternehmen eine Kopie der Daten zu übersenden und danach alle anderen Kopien unverzüglich zu löschen: „Wie Sie wissen, ist die Verwendung illegal erlangter Daten für die Medienberichterstattung nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig“, habe Alm geschrieben. Das Handelsblatt halte diese Umstände für gegeben.

Unzählige Informationen aus dem Innersten des Konzerns

Die Tesla-Files enthalten demnach unzählige Informationen aus dem Innersten des Konzerns. Es sollen etwa Angaben zu Kosten einzelner Autoteile vorliegen, Vorschläge für die Verwendung bestimmter Computerchips und Aufstellungen der wöchentlichen Serviceumsätze. In dem Datensatz gehe es auch um Geschäftspartner, darunter deutsche Zulieferer wie Bosch, Hella und Continental. Kundendaten seien ebenfalls zu finden, Tabellen listen demnach mehr als 100.000 Namen auf – inklusive privater Mailadressen und Telefonnummern wie der von Talulah Riley, einer Schauspielerin und ehemaligen Ehefrau von Musk.

Unter Berufung auf die geleakten Dateien berichtet die Zeitung auch von Tausenden Kundenbeschwerden zu den Fahrerassistenzsystemen des Autobauers, darunter rund 4000 Beschwerden über plötzliche Beschleunigung oder Phantombremsungen. Und diese lassen kein gutes Haar an Tesla, da sie den Verdacht nahe legen, dass der Autohersteller weitaus größere technische Probleme hat, als bislang angenommen.

Vor allem an der Sicherheit der von Tesla irreführend als „Autopilot“ beworbenen Fahrassistenzsysteme verstärken sich nach Durchsicht der Daten die Zweifel, so das Handelsblatt; das anhand mehrerer Beispiele aufzeigt, wie Tesla Unfälle mit dem Autopiloten mit teils tödlichem Ausgang herunterspielt.

Die Tesla-Files enthalten demnach mehr als 2400 Beschwerden von Kunden über Selbstbeschleunigungen und mehr als 1500 Probleme mit Bremsfunktionen, darunter 139 Fälle von ungewollten Notbremsungen und 383 gemeldete Phantombremsungen infolge falscher Kollisionswarnungen. Die Zahl der Crashs liege bei mehr als 1000. Eine Tabelle zu Vorfällen mit Fahrassistenzsystemen, bei denen Kunden Sicherheitsbedenken äußerten, habe mehr als 3000 Einträge. Manche Kunden kamen bei ihren Unfällen mit dem Schrecken davon, andere landeten laut den Aussagen in einem Graben, fuhren gegen Wände oder Poller oder prallten auf entgegenkommende Fahrzeuge.

„Glauben Sie mir, dass ich langsam keine Nerven mehr habe?“

Die ältesten Beschwerden, die dem Handelsblatt vorliegen, datieren aus 2015, die aktuellsten aus dem März 2022. In diesem Zeitraum lieferte Tesla gut 2,6 Millionen Fahrzeuge mit der Autopilot-Software aus. Mit Dutzenden der Kunden aus mehreren Ländern, darunter die USA, die Schweiz und Deutschland, habe das Handelsblatt Kontakt aufgenommen und persönlich mit ihnen gesprochen, um die Vorwürfe nachzuprüfen.

Ein Schweizer Tesla-Kunde etwa habe sich zwischen Januar und Oktober 2021 über ein Dutzend Fehlbremsungen mit seinem Tesla Model S beschwert. Er sei angesichts der vielen Vorfälle zunehmend nervös geworden, wie der aus den Daten ersichtliche E-Mail-Verkehr zeige: „Guten Tag die Herren, glauben Sie mir, dass ich langsam keine Nerven mehr habe?“, habe er im Juli 2021 über einen erneuten Zwischenfall geschrieben. Sein Tesla habe auf der schweizerischen A3 zwischen Flums und Sargans „nach der Überholung eines Fahrzeugs eine Vollbremsung vorgenommen, dass einem angst und bange wird“.

Die Tesla-Files enthalten etliche ähnliche Fälle. Ein Kunde aus Deutschland etwa klage, sein Tesla sei „in eine Mittelleitplanke auf der Autobahn“ gefahren aufgrund einer Vollbremsung des Autopiloten. Ein anderer berichtete von seinem Model S: „Fährt in Gegenverkehr.“ Ein US-Kunde spricht von einer Fahrt, bei der sein Tesla „plötzlich eine Vollbremsung hinlegte, so hart, wie man sich nur vorstellen kann. Ich wurde in den Sicherheitsgurt gedrückt und der Wagen kam fast zum Stehen. Dann prallte ein anderes Auto von hinten auf mich auf.“

Weiter berichtet das Handelsblatt von einigen tödlichen Unfällen in den USA, bei denen Teslas aus unerklärlichen Gründen plötzlich stark beschleunigten und in andere Autos rasten. Die Vorfälle in den USA beschäftigen auch bereits die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), das US-amerikanische Pendant zum Kraftfahrtbundesamt. Die NHTSA kümmert sich unter anderem um die Sicherheit im Straßenverkehr und hatte Teslas Autopiloten nur unter der Voraussetzung zugelassen, dass der Fahrer die Straßenlage permanent überwacht, um im Ernstfall eingreifen zu können. Die Behörde forderte im vergangenen Sommer exakte Daten zu allen für die USA produzierten Teslas und ihren Software-Versionen an. Zudem lässt sie sich über alle Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Autopiloten informieren.

Auch in China steht Tesla unter verschärfter Beobachtung. Er vor wenigen Wochen verlange die dortige Behörde für Marktregulierung, wegen eines möglichen Sicherheitsrisikos bei etwa 1,1 Millionen Fahrzeugen ein Softwareupdate vorzunehmen. Bei dem Problem handelt es sich den chinesischen Angaben zufolge um einen Bremsdefekt, der dazu führen könnte, dass ein Tesla unbeabsichtigt beschleunigt, wenn der Fahrer eigentlich langsamer werden möchte.

„Gefährlich – ohne Vorwarnung direktes Risiko für die Sicherheit des Kunden“

Besonders brisant im Zusammenhang mit den Kunden-Schilderungen und Unfällen ist eine mutmaßlich interne Präsentation von Mai 2018, die den Daten enthalten sei: Sie zeige, wie ein Ingenieur anlässlich einer Fehleranalyse für seine Kollegen zehn Problembereiche auflistet. Zur heikelsten Kategorie zählte demnach unbeabsichtigtes Bremsen und Beschleunigen der Fahrzeuge. Dies beeinträchtige „den sicheren Betrieb des Fahrzeugs“, heiße es in der Präsentation, wo daneben der Hinweis zu finden sei: „Gefährlich – ohne Vorwarnung direktes Risiko für die Sicherheit des Kunden.“

Dem Handelsblatt sei kein Fall bekannt, in dem Tesla die Fehler seines Autopiloten eingestanden hätte. Stattdessen schiebe das Unternehmen die Schuld den Kunden zu. Der Autohersteller habe zudem Fragen des Handelsblatts zu den Beschwerden zum Autopiloten, der internen Präsentation sowie möglichen Gefahren für Leib und Leben der Kundinnen und Kunden bislang nicht beantwortet. Stattdessen drohte Tesla dem Handelsblatt mit rechtlichen Konsequenzen. Nach sorgfältiger Prüfung und Beratung durch internen und externen Rechtsbeistand habe sich die Redaktion entschlossen, über die Tesla-Files zu berichten. Eine uneingeschränkt empfehlenswerte Lektüre, wie wir finden.

Quelle: Handelsblatt – „Mein Autopilot hat mich fast umgebracht“: Tesla-Files nähren Zweifel an Elon Musks Versprechen / Handelsblatt – Tesla-Files: Wie es zu dem riesigen Datenleck kam

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