Wird die Feststoffbatterie zum Gamechanger der E-Mobilität?
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Eine neue Batteriegeneration könnte die Dynamik im Markt der Elektromobilität grundlegend zu verändern. Vor allem Feststoffbatterien gelten als Hoffnungsträger, auch wenn ihre Bestimmung als bahnbrechende Innovation von den Entwicklern abhängt. Porsche Consulting hat eine detaillierte Analyse der Herausforderungen und Potenziale dieser neuen Technologie durchgeführt. Wir haben die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Zweifelsohne gehört die Batterie zu den zentralen Komponenten moderner Elektroautos. Bisher war es so, dass sich die Automobilhersteller bei eben jenem wichtigen Bauteil über die Jahre hinweg auf die Zulieferindustrie verlassen haben. Doch dieser Ansatz ändert sich langsam. Um ihre Kernkompetenzen im Bereich der Batterietechnik aufzubauen und ihre Marken mit innovativer Technologie im Wettbewerb zu stärken, investieren viele Automobilhersteller immer stärker in den Bau eigener Batteriefabriken. Porsche Consulting schätzt den globalen Batteriemarkt im Jahr 2030 auf über 5.500 Gigawattstunden ein, wobei zwei Drittel dieser Kapazität auf den Bereich der Personenkraftwagen entfallen. Gemäß ihren Berechnungen wird sich der Gesamtmarkt in dieser Dekade verzehnfachen.
Doch dies markiere lediglich den Anfang, da Automobilkonzerne parallel zu den Milliardeninvestitionen in eigene Fabriken auch erhebliche Ressourcen in eine völlig neue Generation von Batterien stecken (müssen). Diese Innovationen könnten das Spiel im Elektromobilitätssektor vollständig umkrempeln. Dr. Fabian Duffner, Partner Advanced Technologies bei Porsche Consulting, sieht Feststoffbatterien als Gamechanger an, da sie beispielsweise auch in Flugzeugen oder Schiffen zum Einsatz kommen könnten. Zentrale Vorteile seien längere Reichweiten, schnellere Ladezeiten sowie eine höhere Sicherheit. Und sie bieten die Chance, sich von asiatischen Zellherstellern lösen zu können. Bisher kommen Technologieführer für Feststoffbatterien aus den USA.
Reichweite rauf, Preis runter: So hat sich die Automobilbatterien in den letzten 130 Jahren entwickelt | Bild: Porsche Consulting
Dennoch dämpft Duffner die Euphorie und weist darauf hin: „Die Feststoffbatterie wird kein Selbstläufer sein. Es gibt zahlreiche technische und wirtschaftliche Herausforderungen, die erst bewältigt werden müssen, bevor die industrielle Produktion beginnen kann.“ Aus seiner Perspektive stehen sechs zentrale Themen im Fokus: die Verbesserung der Produkteigenschaften und Materialien, die Umstellung der Produktion auf den Großserienmaßstab, die nahtlose Integration der Batterien in die Fahrzeugsysteme, die Schaffung robuster Lieferketten für neue Materialien und Maschinen, die Senkung der Produktionskosten sowie die Sicherstellung der Finanzierung für die Entwicklungs- und Skalierungsphase. Die Ergebnisse von Marktforschungsumfragen zeigen kontinuierlich, dass potenzielle Käufer von Elektroautos im Wesentlichen auf drei Hauptkriterien Wert legen: eine möglichst hohe Reichweite, eine schnelle Ladezeit der Batterien und Anschaffungskosten, die mit herkömmlichen Verbrennungsfahrzeugen vergleichbar sind. Ferner spielen auch Antriebsleistung, Sicherheit und Lebensdauer eine Rolle bei den Anforderungen an die Batterietechnologie.
Geringes Gewicht, hohe Leistungsfähigkeit und mehr Sicherheit
Feststoffbatterien könnten die Elektromobilität in vielerlei Hinsicht revolutionieren. Sie ermöglichen durch ihren stabilen Festelektrolyten die Verwendung alternativer Materialien für die Energiespeicherung – etwa wie Lithium-Metall, das eine zehnmal höhere Energiespeicherkapazität pro Gewichtseinheit bietet als Graphit. Dies führe zu erheblich gesteigerter Energiedichte und realistischen Reichweiten von über 750 Kilometern bis 2030. Der feste Elektrolyt ermöglicht auch schnellere Ladezeiten. Experten schätzen, dass das Aufladen einer E-Auto-Batterie in weniger als zehn Minuten möglich sein wird. Die Sicherheit profitiert ebenfalls, da Feststoffelektrolyt weniger brennbar ist als Flüssigelektrolyt. „Insgesamt zeigen sich enorme Vorteile der Feststoffbatterie im Vergleich zur Lithium-Ionen-Batterie„, erklärt Duffner. Und weiter: „Allerdings kann man Ähnliches über die technischen Herausforderungen sagen, die noch bewältigt werden müssen, um sie in die Serienreife zu überführen.“
Wenn diese gemeistert werden, könnten Feststoffbatterien bis 2035 voraussichtlich Lithium-Ionen-Batterien in vielen Anwendungen ersetzen. Zunächst dürften Premium-Automobilmarken diese Technologie nutzen, gefolgt von möglichen Anwendungen in kleinen elektrischen Flugzeugen (eVTOLs) für Kurzstrecken. Die Feststoffbatterie bietet hier aufgrund ihres geringen Gewichts, hoher Leistungsfähigkeit und Sicherheitsprofils Vorteile.„Erst wenn ab 2030 die industrielle Produktion der neuen Batterietechnologie an Fahrt gewinnt und weitere Fortschritte beim Thema Materialeffizienz erreicht werden, wird sie den Lithium-Ionen-Batterien auch in puncto Kosten überlegen sein. Zu diesem Zeitpunkt wird sie aller Voraussicht nach eine ebenso lange, wenn nicht sogar längere Lebensdauer aufweisen als ihr Vorgängermodell“, sind sich Experten sicher.
Batterien bestehen aus Anode, Separator und Kathode. In herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien speichern Anode und Kathode Energie in Form von Lithium, während der flüssige Elektrolyt die Ladungsträger transportiert. In Feststoffbatterien ersetzen Verbundkathoden und Feststoffelektrolyt-Separatoren den flüssigen Elektrolyten, um die Leitfähigkeit sicherzustellen. Bei anodenfreien Feststoffbatterien entsteht die Anode durch Ablagerung von metallischem Lithium während des Aufladens der Batterie, was Volumenänderungen und Herausforderungen bei Fahrzeuganwendungen mit sich bringt | Bild: Porsche Consulting
Bild: Porsche Consulting
Die Feststoffbatterie birgt enormes Potenzial, aber ihre Industrialisierung bleibt eine Zukunftswette. Die Automobilindustrie ist noch weit von der hochautomatisierten Produktion entfernt, wie sie bei Lithium-Ionen-Batterien üblich ist. Globale Kompetenzcluster, darunter japanische Automobilhersteller und Zellhersteller, arbeiten gemeinsam an der Entwicklung der Feststoffbatterie. Pilotanwendungen könnten ab 2024 beginnen, gefolgt von einer groß angelegten Markteinführung um 2027, zunächst in Premium-Segmenten. „Ab 2030 rechnen wir mit einer vollständigen Industrialisierung und einer gleichzeitigen Leistungssteigerung bei sinkenden Produktionskosten“, sagt Dr. Xiaohan Wu, Senior Experte bei Porsche Consulting. Spätestens dann könnte sich auch die „disruptive Qualität“ dieser neuen Technologie zeigen, die die gesamte Automobilindustrie erfassen könnte.
Dementsprechend geht Porsche Consulting bis 2035 von Marktanteilen für Fahrzeuge mit Feststoffbatterien von fünf bis 15 Prozent aus, was bis zu 35 Millionen Fahrzeugen entsprechen könnte. Obwohl sie vergleichsweise spät in die Elektromobilität eingestiegen sind, setzen deutsche Automobilhersteller mittlerweile entschieden auf diese Technologie und haben beträchtliche Milliardeninvestitionen für den Bau neuer Gigafabriken angekündigt.
Doch was passiert eigentlich, wenn die technischen Hürden im Kontext der Feststoffbatterie voraussichtlich ab etwa 2027 überwunden sind? Es stellt sich die Frage, ob die Produktion problemlos auf die neue und fortschrittlichere Technologie umgestellt werden kann. „Wir schätzen, dass etwa 40 Prozent der Maschinen in den heutigen Gigafabriken auch für die Herstellung von Feststoffbatterien geeignet sein werden“, erklärt Prof. Dr. Jens Leker von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die Umstellung auf Feststoffbatterien erfordert nicht nur Maschinenanpassungen, sondern auch neue Produktionsprozesse. Obwohl die Feststoffbatterie teurer in der Herstellung sein kann, bietet sie Kosteneinsparungen durch stabilere Materialkombinationen und das Entfallen des flüssigen Elektrolyten.
Besonders signifikante Einsparungen könnten durch den Verzicht auf die Anode erzielt werden, da deren Herstellung zeit- und kostenintensiv ist. Einige Start-ups wie Quantumscape entwickeln anodenfreie Feststoffbatteriekonzepte, die den Erfolg dieser neuen Batteriegeneration beeinflussen können. Die Entwicklung solcher anodenfreien Feststoffbatterien könnte laut Fabian Duffner entscheidend für den Erfolg der neuen Batteriegeneration sein: „Nur wenn es gelingt, anodenfreie Konzepte zu etablieren und dadurch die damit verbundenen Kostenvorteile zu realisieren, wird es der Feststoffbatterie gelingen, den erwarteten Wandel in der Automobilindustrie und darüber hinaus auszulösen.“
Entscheidend ist, neue Lieferketten abzusichern
Ingenieure stehen vor der Herausforderung, die Feststoffbatterie nahtlos in Elektroautos zu integrieren. Besonders kritisch ist die natürliche Volumenänderung der Lithium-Metall-Anode, die im Betrieb mehr als zehn Zentimeter im Gesamtfahrzeug erreichen könne. Lösungen zur Integration in den starren Fahrzeugrahmen sind erforderlich. Zudem muss das Zellformat vergrößert werden, um für die Automobilindustrie geeignet zu sein. Die Materialwahl ist ein weiteres wichtiges Thema, das Forscher bis zur Industrialisierung angehen müssen. Verbesserungen bei den Materialeigenschaften der Feststoffbatterie-Komponenten (Festelektrolyt, Kathode, Anode) sind erforderlich, um unerwünschte Nebenreaktionen zu verhindern und die Energiedichte zu steigern.
Die Optimierung der Feststoffbatterie wird sicherlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen, bevor die industrielle Produktion beginnen kann. Selbst dann werden zu diesem Zeitpunkt nicht alle Herausforderungen gelöst sein, sind sich Experten sicher. Es sei entscheidend, dass die Industrie die notwendigen Lieferketten für neue Materialien aufbaut. Dabei kann sie nur begrenzt auf die bereits etablierte Lieferketten von Lithium-Ionen-Batterien zurückgreifen, da im Vergleich zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien unterschiedliche Chemikalien benötigt werden. „Besonders bei stark nachgefragten Rohstoffen wie Lithium ist es ratsam, sich hinsichtlich Verfügbarkeit und Preisschwankungen abzusichern, da Feststoffelektrolyte auf das Volumen bezogen bis zu 50 mal mehr Lithium enthalten als konventionelle Flüssigelektrolyte“, geht aus der Analyse hervor.
Die Experten von Porsche Consulting gehen daher auch davon aus, dass es bis zu zwei Jahre dauern wird, bis die Zulieferindustrie die ersten Anlagen für die Bereitstellung der benötigten Materialien errichtet hat. Der Bau und die Inbetriebnahme der eigentlichen Batterieanlagen dauern sogar noch länger, mindestens zweieinhalb Jahre. „Um Zeit und Kosten zu sparen, sollten die Akteure sich daher frühzeitig vorbereiten und ihre Prozesse aufeinander abstimmen“, betont Xiaohan Wu. Die Industrialisierung der Feststoffbatterie birgt auch erhebliche finanzielle Risiken. Allein für den Aufbau einer Pilotanlage im Megawatt-Bereich sind Kosten von 500 Millionen bis einer Milliarde Euro zu erwarten. Wenn die Planer den eigenständigen Bau einer Gigafabrik mit bis zu 20 Gigawattstunden anstreben, müssen sie mit zusätzlichen Investitionen von etwa zwei Milliarden Euro rechnen.
Die Zellproduktion umfasst drei Kernbereiche: Elektrodenfertigung, Zellassemblierung und Formierung. Bei anodenfreien Zellen entfällt die Anodenproduktion in der Elektrodenfertigung, was Platz für die Herstellung der Festelektrolyt-Separatoren schafft. Die Zellassemblierung erfordert Anpassungen, da Feststoffbatterien kleinere Zellformate verwenden und daher mehr Zellen benötigen. Dies führt zu einem erhöhten Flächenbedarf beim Stapeln und erfordert einen neuen Pressschritt. Die Formierung wird aufgrund stabilerer Materialkombinationen in Feststoffbatterien vereinfacht | Bild: Porsche Consulting
Die Feststoffbatterietechnologie wird derzeit vorwiegend von Start-ups in den USA vorangetrieben, während asiatische Hersteller die Lithium-Ionen-Technologie dominieren. Einige etablierte asiatische Player wie CATL und LG engagieren sich jedoch ebenfalls in der Feststoffbatterieforschung. Die großen Automobilhersteller haben aus ihren Erfahrungen mit Lithium-Ionen-Batterien gelernt und investieren massiv in Technologie-Start-ups, um nicht erneut von asiatischen Zulieferern abhängig zu werden. Volkswagen hat beispielsweise über 300 Millionen US-Dollar in das Start-up Quantumscape investiert, während Ford und BMW insgesamt 130 Millionen US-Dollar in den Batterieentwickler Solid Power gesteckt haben.
Auch in Europa sind Unternehmen aktiv, darunter Ilika und Blue Solutions (Bolloré Gruppe), die eigene Feststoffbatterien entwickeln. Blue Solutions verwendet seine Polymer-Feststoffbatteriezellen bereits in elektrischen Bussen von Mercedes, während Ilika Investoren wie Jaguar, Land Rover und Honda mit Prototypen überzeugen konnte. Neue Produktionsmethoden könnten ebenfalls zur Industrialisierung der Feststoffbatterie beitragen. Das kalifornische Start-up Sakuu hat darüber hinaus ein 3D-Druckverfahren entwickelt, um Feststoffbatterien schneller und kostengünstiger zu machen und auf kleineren Flächen herstellen zu können.
Bild: Porsche Consulting
Die chinesischen Hersteller verfolgen eine andere Strategie, indem sie ihre bestehenden Lithium-Ionen-Batterien optimieren und schrittweise Festelektrolyte integrieren, um sogenannte „Semi-Feststoffbatterien“ zu entwickeln. Chinesische Hersteller profitieren von bereits vorhandenen Gigafabriken, in denen sie verschiedene Ansätze in der Praxis testen können. Die Feststoffbatterietechnologie bietet der Industrie laut Porsche Consulting erhebliche Chancen, da europäische Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette übernehmen können. Das Marktpotenzial für Zellhersteller allein wird bis 2035 auf 200 Milliarden Euro geschätzt, die Material- und Zulieferindustrie könnte weitere 150 Milliarden Euro generieren. Zudem wird angenommen, dass der Maschinenbau, der die Gigafabriken ausrüstet, mit Umsätzen von 70 Milliarden Euro rechnen kann.
Die Zukunft wird zeigen, welches Unternehmen die besten Lösungen für diese Herausforderungen bietet und das Geschäft mit Feststoffbatterien erfolgreich gestaltet. „Nach der ersten Halbezit führt Asien im Bereich Lithium-Ionen-Kompetenzen mit zwei zu null. Bei den Fertigungstechnologien und den Maschinen für Feststoffbatterien sollten wir in Europa die Chance nutzen, gleich in Führung zu gehen“, resümiert Experte Gregor Grandl abschließend.
Quellen: Porsche Consulting – Das Rennen um die Feststoffbatterie / Archiv
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