Technischer Durchbruch bei Tesla? Wie der E-Auto-Hersteller am Gigacasting arbeitet
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Dem US-amerikanischen Hersteller Tesla sind eine Vielzahl von Innovationen gelungen, die nun zu einem technischen Durchbruch in der Produktion seiner Elektroautos führen könnten. Damit, so der Nachrichtendienst Reuters, könne es dem Unternehmen gelingen, die Produktionskosten zu halbieren.
Elon Musks großer Plan: „Unboxed“
Bereits im März stellte der Teslagründer Elon Musk seinen Plan vor, in den kommenden zehn Jahren Elektroautos in großen Stückzahlen günstig produzieren und dabei zugleich Gewinne machen zu wollen.
Die neue „Unboxed“-Fertigungsstrategie ist für diesen Plan zentral: Dabei wird das Auto in einige wenige Unterbaugruppen aufgeteilt, die dann zusammengesetzt werden nach Baukastenprinzip. Wie genau die einzelnen Module von Tesla künftig aussehen und zusammengesetzt werden, ist bisher noch unklar. Um die jeweiligen Unterbaugruppen mit möglichst geringem Aufwand herzustellen, arbeitet Tesla an einem neuen Prozess.
„Gigacasting“ als neues Fertigungsverfahren
Bereits seit einiger Zeit entwickelt Tesla als einer der Pioniere ein neues, günstigeres Fertigungsverfahren für seine Fahrzeugteile: das sogenannte „Gigacasting“. Unter Verwendung riesiger Pressen mit 6000 bis 9000 Tonnen Schließdruck werden große Teile damit aus einem Stück gepresst bzw. geformt.
Das Unternehmen fertigte damit bereits die vorderen und hinteren Teile des Model Y bei niedrigeren Produktionskosten. Außerdem arbeitet das Unternehmen Reuters zufolge daran, auch den Unterboden der Elektroautos in einem Stück zu gießen, der normalerweise aus etwa 400 einzelnen Teilen besteht.
Wenn Tesla dieser Schritt gelänge und der größte Teil des Unterbodens eines Elektroautos künftig aus einem Stück bestünde, so würde das die Automobilproduktion massiv verändern, so Terry Woychowski, der mehr als drei Jahrzehnte für den US-Automobilhersteller GM gearbeitet hat:
„Es hat enorme Auswirkungen auf die Industrie, aber es ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Gussteile sind sehr schwer zu machen, vor allem die größeren und komplizierteren.“ – Terry Woychowski, Präsident des US-Ingenieurbüros Caresoft Global
Schnell und günstig?
Ein von Grund auf neues Auto in 18 bis 24 Monaten, so schnell sollen die Fahrzeuge mit den neuen Design- und Fertigungstechniken bei Tesla künftig entwickelt werden können. Im Vergleich mit den meisten anderen Autoherstellern, die bis zu vier Jahre dafür benötigen, wäre das ein enormer Fortschritt.
Die Elektroautos von Tesla könnten dann mit einem einzigen, großen Rahmen gebaut werden, der die vorderen und hinteren Teile mit dem mittleren Unterboden, in dem die Batterie untergebracht ist, kombiniert. Bis Mitte des Jahrzehnts könnten diese Autos dann für ungefähr 24.000 Euro auf den Markt gebracht werden, so Quellen des Nachrichtendienstes.
Das „Gigacast-Dilemma“
Bislang, so Reuters, seien die Automobilhersteller vor dem „Gigacast-Dilemma“ beim Gießen immer größerer Strukturen zurückgeschreckt, denn die Herstellung von Gussformen für Teile mit einer sehr großen Fläche steigert zwar die Effizienz, ist aber teuer und birgt unzählige Risiken.
Eines dieser Risiken liegt darin, dass Änderungsprozesse an den Formen sehr teuer werden können. Sobald eine große Testform aus Metall hergestellt ist, können Anpassungen während des Designprozesses bis zu 95.000 Euro pro Stück kosten. Die komplette Neuanfertigung der Form könne sich sogar auf bis zu 1,4 Millionen Euro belaufen, während der gesamte Entwurfsprozess für eine große Metallform in der Regel etwa 3,8 Millionen Euro kostet.
Daher wurde dieser Weg von anderen Autoherstellern in der Vergangenheit als zu kostspielig angesehen, zumal ein Design meist zahlreiche Änderungen benötigt, um eine perfekte Form in Bezug auf Geräusche, Vibrationen, Passform, Verarbeitung sowie Crash-Tauglichkeit zu erreichen. Denn der Bau eines Fahrzeugs aus den großen Gussteilen muss auch noch optimiert werden, was die Unfallsicherheit und das Gewicht betrifft. Abhilfe können beispielsweise hohle Hilfsrahmen als Fahrzeugrippen schaffen.
International und innovativ
Um Formen der großen Teile für die Massenproduktion zu entwerfen und zu testen, arbeitete Tesla mit Design- und Gussspezialisten in Großbritannien, Deutschland, Japan und den Vereinigten Staaten zusammen.
Den Quellen von Reuters zufolge sind dabei für die Prototypen 3D-Druck und Industriesand zum Einsatz gekommen. Anhand einer digitalen Konstruktionsdatei tragen demnach spezielle Drucker, so genannte Binder Jets, ein flüssiges Bindemittel auf eine dünne Sandschicht auf und bauen so Schicht für Schicht eine Form, in die geschmolzene Legierungen gegossen werden können.
Mit dieser Sandgusstechnologie, so Reuters, sind die Kosten für den Designvalidierungsprozess, der nur zwei bis drei Monate dauert, selbst bei mehreren Versionen minimal. Tesla überarbeitet Prototypen also so oft wie nötig und kann mit Maschinen von Unternehmen wie Desktop Metal und dessen Tochtergesellschaft ExOne innerhalb weniger Stunden neu drucken.
Um die bereits genannten Hohlrippen im Fahrzeug für geringeres Gewicht und mehr Unfallsicherheit zu produzieren, werden bei herkömmlichen Fahrzeugen derzeit mehrere Teile gestanzt und zusammengeschweißt, wobei in der Mitte ein Hohlraum bleibt. Um die Hilfsrahmen mit Hohlräumen als Teil eines Gigagusses zu produzieren, plant Tesla ein eigenes Verfahren. Dabei werden feste Sandkerne, die von den Düsen gedruckt werden, in die Gesamtform gesetzt. Sobald das Teil gegossen ist, wird der Sand entfernt, um die Hohlräume zu hinterlassen.
Neben den genannten Änderungen hat Tesla außerdem eine eigene Legierung entwickeln müssen, um die Prototypen zu gestalten, denn die Aluminiumlegierungen, die zur Herstellung der Gussteile verwendet wurden, verhielten sich in Sand- und Metallformen unterschiedlich. Außerdem erfüllten sie oft nicht die Kriterien von Tesla, u. a. hinsichtlich der Sicherheit. Dies konnte durch Feinabstimmungen des Abkühlungsprozesses der geschmolzenen Legierung sowie die Entwicklung einer Wärmebehandlung nach der Produktion überwunden werden, so Reuters.
Vom Prototyp zur Metallform
Sobald Tesla mit der Form des Prototyp zufrieden ist, kann das Unternehmen in eine endgültige Metallform für die Massenproduktion investieren. Der kommende Kleinwagen von Tesla, so Quellen von Reuters, würde sich dafür optimal eignen durch eine einfache Konstruktion des Fahrgestells ohne Motorhaube oder Kofferraum.
Die Entscheidung, welche Gigapresse künftig letztendlich verwendet werden soll, steht noch aus. Um so große Karosserieteile schnell herstellen zu können, bräuchte Tesla neue, größere Gigapressen mit einer massiven Schließkraft von 16.000 Tonnen oder mehr, was mit einem hohen Preis verbunden wäre, größere Fabrikgebäude erfordern würde und mit ganz eigenen technischen Herausforderungen verbunden wäre.
Die Frage, wann und wie das Gigacasting in Zukunft also umgesetzt werden kann, bleibt also spannend.
Quelle: Reuters – Tesla reinvents carmaking with quiet breakthrough
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