Elektro-Expertinnen: „E-Fuels sind ein Märchen“
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Sich dem „E-Fuels-Märchen“ weiter hinzugeben, könnten Deutschland teuer zu stehen kommen, sind sich die E-Mobilitäts-Expertinnen Julia Poliscanova und Friederike Piper laut eines Berichts des Tagesspiegels sicher. Es bestehe das Risiko, dass weitere fünf Jahre in endlosen Debatten über die Richtigkeit des geplanten Verbrennungsmotorverbots im Jahr 2035 verloren gingen, während amerikanische und asiatische Konkurrenten den weltweiten Markt für elektrische Massenmobilität erobern würden.
Die IAA Mobility ist nun gut fünf Wochen vorbei und noch immer wird vielerorts mit gemischten Gefühlen auf die Mobilitätsmesse zurückgeblickt. Die Entwicklung der Elektromobilität hängt wie ein Damokles-Schwert über der deutschen Autoindustrie. Einerseits fiel die deutlich gestiegene Präsenz zahlreicher Elektromodelle chinesischer Hersteller auf, andererseits war auch auffällig, dass deutsche Automobilmanager wenig zu bieten schienen – abgesehen von Lob für E-Fuels. „Die europäische Autoindustrie läuft Gefahr, bei Elektroautos gegenüber chinesischen Konkurrenten an Boden zu verlieren. Und die Gefahr ist ernst“, warnen die beiden Elektromobilitäts-Expertinnen Julia Poliscanova und Friederike Piper von „Transport & Environment“ (T&E). Die Dachorganisation von nichtstaatlichen europäischen Organisationen setzt sich für einen nachhaltigen Verkehr ein.
Die exportorientierten deutschen Marken hätten in China bereits Marktanteile verloren. Sogar auf ihren Heimatmärkten müssten europäische Hersteller wie Volkswagen schlechte Verkaufszahlen im Bereich der Elektromobilität hinnehmen. Im Gegensatz dazu würden Unternehmen wie Tesla, die Renault-Marke Dacia und chinesische Elektroautohersteller wie MG in Europa einen deutlichen Anstieg der Verkaufszahlen feiern. „Und das liegt nicht an unfairen Praktiken oder laxen Umweltstandards außerhalb Europas. Es liegt daran, dass chinesische Hersteller bessere Batterien, bessere Software und bessere Infotainmentsysteme produzieren und damit bei Autofahrern punkten“, heißt es auf Tagespiegel.de weiter.
„Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) tut seinen Freunden in der Kraftstoff- und Autoindustrie einen Gefallen, indem er behauptet, dass synthetischer Diesel und synthetisches Benzin den Liebling der Deutschen vor dem Aussterben bewahren werden – den Verbrenner“, so die E-Expertinnen Poliscanova und Piper | Bild: FDP
Zu schleppend in die E-Mobilität investiert
Deutsche Autohersteller lägen im Rückstand, weil sie zu träge in die Elektrifizierung investiert hätten, kritisieren die beiden Expertinnen. Zuerst würden sie den „sauberen Diesel“ als die Zukunft anpreisen, was schließlich im Dieselgate-Skandal endete. Anschließend habe man versucht, Plug-in-Hybride als bessere Alternative zu verkaufen, da sie sowohl Elektro- als auch Benzinantrieb bieten. Poliscanova und Piper betiteln die Teilzeitstromer als eine Art „Fake-E-Autos“ – laut ihnen der Grund, warum die Bundesregierung zu Beginn des Jahres die Kaufanreize strich.
Und auch mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) rechnen sie ab: „Er tut seinen Freunden in der Kraftstoff- und Autoindustrie einen Gefallen, indem er behauptet, dass synthetischer Diesel und synthetisches Benzin den Liebling der Deutschen vor dem Aussterben bewahren werden – den Verbrenner. E-Fuels werden so zum Symbol für die liberale Freiheit und Technologieoffenheit erkoren. Doch diese E-Fuels sind eine Sackgasse, die die deutschen Autohersteller nur zu Schlusslichtern mit überschätzten Egos machen.“
E-Fuels sind laut Poliscanova und Piper „ein Märchen„. Dies wird wie folgt erklärt: Sie ähneln in ihrer Zusammensetzung ihren fossilen Gegenstücken und werden in Verbrennungsmotoren auf die gleiche Weise verbrannt. Folglich stoßen sie die gleiche Menge an Kohlenstoff wie herkömmliche fossile Kraftstoffe aus und setzen darüber hinaus viele schädliche Luftschadstoffe frei. Was den Ausstoß betrifft, kann daran nichts geändert werden, weshalb es niemals eine „emissionsfreie“ Lösung sein könne. Allerdings könne der CO2-Anteil während der Produktionsphase neutralisiert werden. Daher wird im EU-Ziel für das Verbrennungsmotoren-Verbot bei Neuwagen ab 2035 von der Zulassung „klimaneutraler“ Kraftstoffe gesprochen. Immerhin habe die EU-Kommission kürzlich versucht, festzulegen, unter welchen Bedingungen diese Bezeichnung auch tatsächlich gerechtfertigt ist.
E-Fuels ein Erfolg? Kaum denkbar
„Mit Recht hat die Kommission vorgeschlagen, dass nur 100 Prozent klimaneutrale Kraftstoffe zugelassen werden sollten. Aber ironischerweise sagen jetzt die Befürworter:innen von E-Fuels, wie die E-Fuel-Alliance, dass dies nicht möglich ist“, geht weiter aus dem Standpunkt hervor. Stattdessen würden sie nun fordern, die Anforderung zur CO2-Reduzierung auf lediglich 70 Prozent zu reduzieren. Wenn Europa diesen Weg einschlage, wäre es dauerhaft erlaubt, Autos zuzulassen, die ein Äquivalent von 61 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen würden. Dies wäre nicht wesentlich besser als bei den gegenwärtigen Plug-in-Hybriden, meinen Poliscanova und Piper. „Selbst wenn wir alle Anstrengungen unternehmen, um E-Fuels klimaneutral zu machen, werden sie dem Import von überlegenen chinesischen Elektroautos wirklich standhalten? Kaum denkbar“, heißt es weiter.
Die Herstellung von synthetischem Benzin und Diesel würde etwa das Fünffache der Energie erfordern, die für die direkte Elektrifizierung, beispielsweise durch Batterien, benötigt würde – selbst wenn erneuerbare Energiequellen wie der chilenische Wind genutzt werden. Effizienz spiele hier eine entscheidende Rolle. In den 1940er-Jahren produzierten deutsche Raffinerien Treibstoff aus Kohle, um den Mangel an weltweiter Ölversorgung auszugleichen. Ein Konzept, das den heutigen E-Fuels gleich käme. Trotz des technischen Geschicks hatte sich dieses Verfahren nicht durchsetzen können. Sobald das Öl wieder verfügbar war, sind die Raffinerien zur optimalen Lösung zurückgekehrt. Effizienz sollte keine theoretische Idee sein, sondern sei von entscheidender Bedeutung für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit, geht aus dem Kommentar hervor.
„Statt E-Fuels zu bewerben, sollte in industriepolitische Maßnahmen investiert werden, um Batteriefabriken zu errichten und die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu gewährleisten“, so die E-Expertinnen | Bild: BMW
E-Fuels allenfalls eine Nischenlösung
Liberale und Konservative würden oft argumentieren, dass die Ineffizienz bei der E-Fuel-Produktion irrelevant sei, solange sie in Ländern mit reichlich erneuerbaren Energien hergestellt würden. Dies bedeute auch, dass Länder im globalen Süden, die oft über eine unzureichende und CO2-intensive Energieversorgung verfügten, schnell erneuerbare Energien ausbauen müssten, um deutschen Autofahrern E-Fuels zur Verfügung zu stellen. Poliscanova und Piper sprechen hier von „deutscher Arroganz“.
„Es wird Deutschland teuer zu stehen kommen, wenn wir uns weiter dem E-Fuels-Märchen hingeben. Wir riskieren, weitere fünf Jahre mit Debatten zu verlieren, ob das Ausstiegsdatum aus dem Verbrenner 2035 richtig ist, während amerikanische und asiatische Konkurrenten den elektrischen Massenmarkt nicht nur in Europa, sondern weltweit erobern. Ähnlich bei Lkw. Wir führen den Sektor zwar noch an, riskieren aber, uns in Scheinlösungen zu verstricken, statt die Ladeinfrastruktur auszubauen“, so die Expertinnen.
Synthetische Kraftstoffe seien eine weit weniger umweltfreundliche Lösung für Autos als batteriebetriebene Elektroautos, wie eine neue Lebenszyklusanalyse von „Transport & Environment“ (T&E) bestätigen soll. Hierfür wurde die gesamten Lebenszyklusemissionen von Autos, die im Jahr 2030 gekauft werden, analysiert. Ein Auto, das mit einer Mischung aus E-Fuels und Benzin betrieben wird, würde seine Lebenszyklusemissionen im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen nur um fünf Prozent reduzieren. Ein batteriebetriebenes Elektroauto, das mit dem für 2030 erwarteten durchschnittlichen EU-Strommix hergestellt und aufgeladen wird, würde über seinen Lebenszyklus 78 Prozent weniger Emissionen verursachen als ein Verbrenner. Laut T&E würden die Ergebnisse die Forderungen der Industrie untergraben, dass E-Kraftstoff-Fahrzeuge vom Verkaufsstopp für Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 ausgenommen werden sollten.
Der gescheiterte Versuch von Verkehrsminister Wissing auf der IAA, eine globale Koalition für E-Fuels zu schmieden, sei zudem eine „peinliche Niederlage“ gewesen. E-Fuels stehen nicht für Freiheit und Wohlstand, so Poliscanova und Piper. Sie seien bestenfalls eine Nischenlösung im Straßenverkehr und sollten nicht übermäßig politisch beworben werden. Stattdessen müsse man dieses Engagement in industriepolitische Maßnahmen investieren, um Batteriefabriken zu errichten, die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu gewährleisten und eine intelligente Handelspolitik zu betreiben. Kurz gesagt, sollte darauf abgezielt werden, eine wettbewerbsfähige Elektroautoindustrie in Deutschland und Europa aufzubauen.
Quellen: Tagesspiegel Background – Wissings E-Fuels-Märchen / Winfuture – Wissing sucht E-Fuels-Partnerländer – fast niemand will mitmachen / Transport & Enviroment – Neue Analyse bestätigt: Autos mit E-Fuels sind weit weniger umweltfreundlich als Elektroautos
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