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Philipp Kemmler, GWM: Vom Verbrenner zum E-Auto

Philipp Kemmler, GWM: Vom Verbrenner zum E-Auto

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In der aktuellen Elektroauto-News.net Folge ist Philipp Kemmler zu Gast, der sein des Zeichens Head of Communication and Public Affairs Europe bei Great Wall Motor ist, einem chinesischen Automobilhersteller, der bereits seit 1983 am Markt ist. Somit auch eine Verbrennervergangenheit hat, mittlerweile aber auch den Wandel hin zu elektrifiziert beziehungsweise rein elektrischen Antrieben vollzieht. Das nicht nur in China, sondern auch mittlerweile in Europa mit zwei eigenen Marken. Weitere können oder werden wohl folgen.

Wir haben das Ganze eben zweigeteilt betrachtet. Einmal die Herausforderung im chinesischen Markt mit dort ansässigen Unternehmen als auch den Sprung von China nach Europa mit all den Chancen und Risiken, die sich dort öffnen. Wir gehen direkt rein ins Gespräch mit Philipp Kemmler. Viel Freude damit.

Gerne kannst du mir auch weitere Fragen zur E-Mobilität per Mail zukommen lassen, welche dich im Alltag beschäftigen. Die Antwort darauf könnte auch für andere Höre:innen des Podcasts von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für die bereits erwähnten Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung, beim Podcast-Anbieter deiner Wahl, freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.

Transkript über Chinas E-Auto-Boom: Was Europa lernen kann

Sebastian

Hallo Herr Kemmler. Vielen Dank, dass Sie heute die Zeit nehmen, dass wir uns ein Stück weit über China, Europa und die Bedeutung von Great Wall Motor in diesem Zusammenhang unterhalten. Warum Great Wall Motor? Das erfahren wir jetzt gleich, wenn Sie sich selbst kurz vorstellen mit ihrer Rolle, bevor wir dann eben in das Thema tiefer eintauchen.

Philipp Kemmler

Ja, lieber Herr Henßler. Herzlichen Dank für die Einladung. Schön hier zu sein. Philipp Kemmler, wie einmoderiert. Derzeit leite ich die Kommunikation und die Public Affairs bei Great Wall Motor in Europa. Wir sind hier in München in der Europa-Zentrale und zuständig für unseren europäischen Markteintritt mit unseren Marken Wey und Ora.

Sebastian

Da sind wir ja schon an dem Punkt. Ihr kommt jetzt nach Europa aus China heraus, aber jetzt seid ihr nicht eines der typischen neuen Start-ups, wie wir sie eben auch hier am Markt erleben, die auf einem weißen Blatt Papier entstanden sind und nur mit reinen E-Fahrzeugen nach Europa kommen oder auch schon in China unterwegs sind, sondern ihr seid ja auch ein Unternehmen, was länger im Bestand ist und eben auch eine Verbrennervergangenheit hat, sozusagen. Also vielleicht können Sie da zur Historie ein paar Worte verlieren und dann gehen wir gemeinsam über in diesen Antriebswandel, den ihr euch jetzt auch gerade im Heimatland als auch eben in Europa stellen müsst.

Philipp Kemmler

Ja, richtig. Also das Unternehmen ist tatsächlich schon ’83 gegründet worden. Die vielleicht bekannteren Marken, die der andere vielleicht schon im Asien- oder Australienurlaub mal gesehen hat, ist Haval. Es gibt, glaube ich, sogar eine kleine Niederlassung davon, auch in Italien. Und damit hat man eigentlich seit den 80ern eben Verbrennungsmotoren für Fahrzeuge hergestellt verschiedenster Coleur.

Mittlerweile ist man Marktführer für SUVs in China, aber auch hier stehen die Zeichen der Zeit natürlich voll auf Elektromobilität. Das ist jetzt für den einen oder anderen nicht unbedingt etwas Neues. Aber das bedeutet natürlich auch für uns eine Transformation als Unternehmen, dass du eben von der Verbrennerhistorie kommend jetzt in diesem ganzen NEV, New-Energy-Vehicle-Markt auf jeden Fall Marktanteile gewinnen musst. Und wenn du die Zahlen in China genau anschaust, ist das natürlich ein extrem boomender Markt. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Da können wir nachher sicherlich bestimmt, auch noch mal das eine oder andere Wort zu verlieren.

Aber natürlich zeigt sich ganz klar, dass der Kunde mittlerweile auch einfach einen NEV wünscht. Also der Kunde in China möchte elektrisch fahren. Das heißt, die Produktpalette in unserem Hause wird sich hier hingehend in den nächsten Jahren auch ganz klar in die Richtung entwickeln. Wir hatten mal angekündigt, bis 2025 für den chinesischen Markt an die 50 neue NEV-Modelle zu bringen, und da wird auf Hochtouren daran gearbeitet. Auch wenn es nur 40 sind, ist es immer noch eine stolze Zahl, die am Ende herauskommt.

Sebastian

Definitiv. 40 mehr als sie vorher auf der Straße waren und vor allem 40 NEV und keine Verbrenner in dem Sinne. Das heißt aber, ihr seid ja auch von dem Antriebswandel ein Stück weit überrascht worden oder konntet ihr euch darauf einstellen, habt das kommen sehen in China? Und wenn ja, wann? Und wie wurde der Weg eingeschlagen?

Philipp Kemmler

Überrascht vielleicht nicht, aber ich glaube, wie die ganze Industrie, die aus dem traditionellen Bereich kommt, sind die Ereignisse dann doch relativ schnell geworden oder haben sich beschleunigt in den letzten sieben, acht Jahren. Also ich glaube schon, dass da ein erhöhter Entwicklungsdruck dann da war. Wir haben uns auch frühzeitig mit Zulieferern, Inhouse-Zulieferern so aufgestellt, dass wir eine schnelle Umstellung eben hinbekommen. Das ist vielleicht auch der Unterschied zu unseren europäischen Kollegen, dass gerade bei chinesischen Herstellern ja oftmals auch die Batterieentwicklung, die Batteriezellforschung mit im Hause sitzt. So auch bei uns der Fall. Das heißt, eine Umstellung kann hier natürlich auch ein Stückchen schneller gehen.

Und ich glaube, was man auch anders gemacht hat, jetzt von der technischen Seite kommend, dass man von vornherein gesagt hat, man entwickelt Elektroplattformen und geht nicht weiter von der Verbrennerplattform aus, die dann elektrifiziert wird. Das ist, glaube ich, von der ganzen Fahrzeugarchitektur her noch mal ein Unterschied. Aber, und das ist natürlich auch noch mal ein Aspekt, der vielleicht wichtig ist, man ist natürlich die volle Technologiebreite mitgegangen. Das heißt auch der Bereich Plug-in-Hybride oder Mild-Hybride ist in der Klaviatur immer noch vorhanden, da man natürlich auch Märkte noch bespielt, wo Elektromobilität bisher nicht so weit entwickelt ist wie jetzt im europäischen oder im chinesischen Markt selbst. Und das ist natürlich auch noch mal eine Herausforderung, die du in deinem Produktportfolio mitnehmen musst.

Sebastian

Diese vertikale Integration, die Sie eben schon angesprochen haben, verschiedenster Zulieferer, die dann ja eben auch enger bei euch mit drin sind, um dann eben auch Hürden abzubauen. Das kennt man, sagen wir mal, von einem amerikanischen Marktbegleiter ganz gut, die das ja auch so ähnlich handhaben. Man kennt das bei uns in Europa noch nicht so in der Tiefe zumindest, auch wenn die Entwicklungen dorthin gehen. Habt ihr diese vertikale Integration auch schon in der Verbrennerhistorie gehabt und habt das jetzt transferiert rüber in die NEV-Zeit sozusagen? Oder ist das auch damit entstanden? Also war da auch ein Wandel des Denkmusters?

Philipp Kemmler

Das war schon immer Teil der Struktur. Man unterhält, glaube ich, im Hause über 80 Tochterunternehmen aus den verschiedensten Bereichen rund um die Wertschöpfungskette für Automobil, aber auch Produktion, also von der Photovoltaik-Tochtergesellschaft, die wirklich für die Fabrikproduktion dann Platten produziert, die aufs Dach kommen, bis hin zum Interior-Solutions-Anbieter von der Akustiktochter bis hin zur Sitzbezügeherstellungseinheit ist alles da, was man natürlich auch dann im Markt an andere Anbieter verkaufen kann. Das ist, glaube ich, ein gar nicht so schlechter Ansatz, dass du das weniger outsourced, wie es jetzt beispielsweise bei der europäischen Konkurrenz ist, dass du hier eine sehr starke Zulieferindustrie hast. Die hast du natürlich in China auch.

Aber wenn die ans OEM gekoppelt ist und natürlich dann für deine Produkte entwickelt wird, kannst du andere Güteklassen da erreichen, als du das gewohnt bist. Und das ist, glaube ich, so eine allgemeine Entwicklung, die wir aber im chinesischen Markt sehen beziehungsweise im Markt, der durch chinesische Fahrzeuge jetzt ja dann auch mehr Marktanteile gewinnen wird. Die Qualitätstiefe ist eine ganz andere als das noch vor fünf, sechs, sieben, acht Jahren war. Also man hat da ordentlich an der Qualitätsschraube gedreht und das ist doch immer wieder überraschend, dass eben nicht ein Billigprodukt kommt, sondern ein qualitativ hochwertiges Produkt, wo wir auch den Wettbewerb sehen. Man hat, glaube ich, keinen Spieler mehr, der im NCAP Crash Test wirklich schlecht abschneidet.

Sebastian

Kann man sich auch gar nicht mehr erlauben, mit der Konkurrenz, wie Sie es ja auch schon ausgeführt haben, die sich mittlerweile öffnet. Und da reden ja jetzt nicht nur die Konkurrenten mit den europäischen Playern, die am Markt sind, sondern auch selbst in China kommt ja auch ein gewisser Druck auf, mit dem Boom einhergehend, dass da gefühlt auch jeden Tag zwei neue E-Automaten an den Start gehen. Wie lange sie Bestand haben, sei jetzt mal dahingestellt. In dem Zusammenhang vielleicht auch noch mal die Frage: Seid ihr jetzt auch schon weg von der Neuentwicklung von Verbrennern und PHEV und richtet euch rein auf BEV, also rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge aus, oder befindet ihr euch da auch noch in einer gewissen Übergangsphase?

Philipp Kemmler

Es ist noch eine Übergangsphase. Absolut. Also ich glaube eine Technologieoffenheit, aber mit einem starken Fokus auf neue Technologien ist schon ein Stück weit die Unternehmensstrategie, die jetzt im Bereich der Antriebstechnologie verfolgt wird, wie eingangs erwähnt. Es gibt einfach auch noch Märkte, wo ich mit der reinen Elektromobilität noch nicht so weit bin, die ich aber natürlich auch noch bedienen möchte, weil ich natürlich auch eine gewisse monetäre Wertschöpfung habe. Also am Ende des Tages zählen ja natürlich auch Gewinnmargen. Aber um das gesagt zu haben, ist es natürlich so, dass wir uns schon sehr, sehr stark konzentrieren und aber auch hier in puncto Technologieoffenheit auch Richtung Wasserstoff schauen. Also ob es jetzt zwangsläufig batterieelektrisch ist im Lithiumionenbatteriebereich, sei mal dahingestellt. Ich glaube, da werden auch sehr viele Ressourcen im Hause aufgewendet Richtung Feststoffkörperbatterie oder eben die Wasserstofftechnologie.

Das ist notwendig, glaube ich, dass man in alle Richtungen geht, um mittel- und langfristig auf jeden Fall weg vom Verbrenner zu kommen. Aber das natürlich auch so zu gestalten, dass ich einigermaßen ressourcen- und umweltschonend fahren kann. Das hängt von einem Recycling an. Wie recycle ich meine Lithiumionenbatterie möglichst unaufwändig, möglichst ohne hohen chemischen Aufwand – weil brauchen wir uns nichts vormachen, das ist einfach noch ein schmutziges Geschäft –, bis hin eben zu einer grünen Wasserstoffproduktion und dann die aber auch so effizient machen – und da werden die Ingenieure immer mich mit einem schimpfenden Finger anschauen –, dass die auch im PKW effizient ist? Wasserstoff ist eine tolle Technologie, aber im PKW, glaube ich, sind wir einfach noch nicht so weit, die wirklich in der Effizienz anzuwenden, dass es Sinn macht.

Sebastian

Ist mal eine klare Aussage und auch von meiner Seite aus vollkommen nachvollziehbar. Da gibt es den bösen Finger nicht. Das heißt aber, wenn wir bei Technologieoffenheit sind, so ein Thema E-Fuels, wie es jetzt hier in Deutschland gefühlt die Lager spaltet: Wird das auch ein Thema für euch sein oder ist das eher weniger bedingt, weil auch für den chinesischen Markt jetzt eher unrelevant?

Philipp Kemmler

Wir schauen es uns an, weil alle Märkte natürlich auch interessant sind und die globalen Marktentwicklungen interessant sind, ist aber nicht ein Schwerpunkt, in die es geht. Also sicherlich ist es eine spannende Technologie. Man wird da auch sehen, wie am Ende des Tages dann eine so nachhaltige Nutzung möglich ist, dass es auch Sinn macht. Also man muss immer den Kosten-Nutzen-Äquivalent dahinter setzen ein Stück weit. Aber sicherlich kann auch ein hocheffizienter Diesel eine spannende Technologie sein. Aber momentan ist, glaube ich, der Hauptentwicklungsstrang schon Richtung E-Mobilität, aber dazu auch eben mit einer neuen, noch effizienteren Zelle.

Sebastian

Der Hauptfokus auf die Elektromobilität ist ja auch eben stark geprägt durch das Heimatland China, das ja dementsprechend auch das vorantreibt. Vielleicht können wir da auf diese Faktoren, die Sie ja vorhin genannt hatten, die den Boom befeuert haben in China oder immer noch befeuern, dass Sie uns die einfach mal aus Ihrer Sicht jetzt eines OEMs aus China eben kurz aufzeigen, warum dann eben euer Fokus auch dorthin geshiftet wurde.

Philipp Kemmler

Wir haben natürlich in China die Situation, dass wir mit Städten mit Millionen und Abermillionen Einwohnern eine unglaubliche Verkehrsemissionsbelastung haben. Umweltverschmutzung, Luftverschmutzung ist ein ganz eminenter Punkt, der auch durchaus zu sozialen Verwerfungen in China geführt hat. Auf der einen Seite zum anderen aber auch, dass die chinesischen Behörden und die Regierung im Allgemeinen natürlich einen starken Fokus auch auf eine Weiterentwicklung von Antriebstechnologien gesetzt hat, die im Automobilbereich einen Technologievorsprung für sie darstellen. Und daraus geboren aus dieser Mischung hat sich ein sehr, sehr starkes E-Mobilitätsfeld entwickelt.

Das heißt, ich habe auf der einen Seite eine starke, immer noch andauernde und jetzt wieder aufgestockte und verlängerte – liebe europäische Politik – Entwicklung der Förderung. Also man investiert staatlicherseits wirklich viel in die Förderung von E-Mobilität für den Einzelnen. Das ist ein sehr, sehr wichtiger Faktor. Entfall von Steuern, steuerliche Vorteile in der Nutzung, you name it, auf der einen Seite. Aber zum anderen, es ist extrem kompliziert in einer Stadt wie Shanghai oder Peking an eine Zulassung zu kommen für dein Auto, also ein ganz reguläres Nummernschild. Du hast mehrere, teilweise mehrere Jahre Wartezeit und es ist extrem teuer. Also ein Kennzeichen kostet dich umgerechnet rund 8.000, 9.000, 10.000 €. Soll es dann noch eine Lucky Number sein, eine acht oder eine mehrfache acht, dann wird das Gleiche noch mal teurer, während du ein Kennzeichen für dein Elektroauto relativ schnell und günstig bekommst.

Also das ist eine relativ kurze Wartezeit und damit bist du wieder relativ schnell auf der Straße unterwegs mit deinem Fahrzeug. Und all diese Anreize, also es gibt auch auf verschiedenen Ebenen Subventionen, es gibt von der Zentralregierung Subventionen, es gibt von der Lokalregierung Subventionen und es gibt noch mal von den Städten eine Subvention für deine E-Mobilität. Führt natürlich dazu, dass du über den Geldbeutel kommend und aber auch über die Schranke kommend, dass du nämlich dein Auto sofort zulassen kannst, einfach einen großen Anstieg der E-Mobilitätsrate hast.

Das haben die Norweger ja schon vorgemacht. Es ist immer dieses Paradebeispiel, Norwegen, Norwegen, Norwegen, aber die haben es ja genauso gemacht. Sie sind mit massiven steuerlichen Erleichterungen für den E-Auto-Nutzer angetreten. Und jetzt ist man so weit, dass man die wieder so weit zurückfahren kann, weil die E-Mobilität zu etwas völlig Normalem geworden ist und dass eher die Notwendigkeit besteht, wie du weg von der Reichweitenangst hin zur Ladesäulenangst gekommen bist, dass du da den weiteren Infrastrukturausbau hast.

Sebastian

Von unserer Seite aus jetzt Europa, im speziellen Deutschland betrachtet, ist es ja eher so, wir beschweren uns darüber, E-Mobilität kommt hier nicht so richtig an. Die Förderungen, Subventionen werden schon zurückgefahren. Glücklicherweise müssen wir hier nicht um Nummernschilder bieten oder warten, sozusagen. Nichtsdestotrotz merkt man ja auch, dass hier ein wenig schiefläuft jetzt aus meiner persönlichen Einschätzung, dass wir Förderungen zu einem Zeitpunkt zurückfahren, wo wir uns gerade so in der Ramp-Up-Phase befinden.

Und ist das auch so die Einordnung aus Ihrer Sicht? Weil so wie Sie ja gesagt haben, China hat verlängert, verlängert immer wieder, weitert aus und fördert E-Mobilität, wo man eigentlich meinen könnte, dass die chinesischen Hersteller gerade, weil sie jetzt immer mehr nach Europa drängen, doch schon eine gesunde Basis haben. Und ich empfinde es zumindest so, uns wird diese Basis hier ein Stück weit für die europäischen Hersteller wieder abgegraben, weil man eben sagt: „Okay, E-Mobilität ist jetzt da, das wird schon noch natürlich wachsen ein bisschen.“ Fühlt sich nicht so gut an.

Philipp Kemmler

Bin ich ganz Ihrer Meinung. Also ich glaube, Europa ist ja wieder nicht ein einheitlicher Topf, nur vielleicht um noch mal zu unterstreichen. Aber insgesamt ist schon die Tendenz da, dass man Subventionen, die bereits gute Wirkung gezeigt hatten, wieder zurückfährt. Besonders in Deutschland ist das natürlich schon eine Problematik, die aller Artens zu bemerken ist. Ich glaube, die letzten Zulassungszahlen zeigen auch, dass die Käufe wieder zurückgehen, auch hinsichtlich einer Gebrauchtwagensubvention. Also wenn man sich den Gebrauchtwagenmarkt jetzt wieder im Besonderen anschaut, sieht man, dass der für Elektroautos echt erschreckend klein ist. Also der Kunde kauft eigentlich kein gebrauchtes Elektroauto, wenn man mal es überspitzt sagen möchte.

Und ich glaube, hier wäre auch noch mal ein guter Ansatzpunkt, weil was passiert denn mit den ganzen drei, vier Jahre alten oder zwei, drei Jahre alten Leasingrückläufern? Da gibt es zwar noch eine kleine Subvention, aber trotzdem, das wäre auch ein Ansatzpunkt, wo ich doch sehe – natürlich will ich meine verkaufen, zweifelsohne, aber jetzt mal im reinen Menschenverstand geschaut –, bevor ich ein neues Auto produziere, dann schaue ich doch erst mal, dass ich das andere Gebrauchte so gut an den Mann bringe, ohne weiteren CO₂-Fußabdruck zu erzeugen.

Sebastian

Sie sagen es ja, ihr wollt Autos produzieren, ihr wollt die natürlich auch auf den Markt bringen, hier in Europa, eingangs erwähnt, mit den Marken Ora und Wey. Aber ihr steht ja jetzt auch vor den gleichen Herausforderungen. Jetzt wird ja China schon nachgesagt: „Okay, ihr werdet stark subventioniert, ihr könnt die Fahrzeuge günstiger auf die Straße bringen. Ihr grabt hier komplett Deutschland, Europa, den Hersteller den Markt ab“, aber ihr werdet ja auch mit diesen Herausforderungen zu kämpfen haben. Oder wie ist das einzuschätzen?

Philipp Kemmler

Mit Sicherheit. Der Kuchen wird nicht größer. Der in Europa der Markt ist ein sehr lang gewachsener, sehr saturierter Markt, klar dominiert von einigen Herstellern, zumindest bis vor einigen Jahren. Ich glaube nicht, dass der Kuchen kleiner wird, aber ich glaube, dass der Kuchen sich neu verteilen wird. Und wir sehen, dass eine höhere Markenoffenheit bei unseren Kundinnen und Kunden besteht, dass man eben auch sich anschaut, was bekomme ich fürs Geld. Wir haben eine durchaus krisengebeutelte Vergangenheit mit Corona und diversen Wirtschaftskrisen in Europa. Wir haben an vielen Ecken immer noch eine relativ hohe Inflation. Das heißt, natürlich ist es für den Kunden interessant, sich auch in anderen Markenlandschaften umzuschauen.

Und das bedeutet natürlich auch für die heimische Autoindustrie, dass man sich auch anschauen muss: Was kann ich denn anderes, besseres oder Gleichwertiges bieten? Weil es fällt auf, dass die Niveaus, auf denen ich mich mit einem Fahrzeug bewege, sich doch recht angeglichen haben. Premium ist natürlich ein sehr, sehr schwierig zu erreichendes Attribut. Gerade in der Autoindustrie ist es sehr stark konnotiert mit drei, vier Herstellern, aber ich glaube, dass viele Spieler aus dem ganzen asiatischen Raum durchaus da sehr, sehr aufgeholt haben und auch qualitativ, wie eingangs ja auch gesagt, echt hochwertige Produkte bringen. Also das geht von Korea bis China eben.

Sebastian

Wenn wir jetzt bei dem Thema Kuchen aufteilen bleiben, den gilt es ja auch in China aufzuteilen: Ist es für Great Wall Motor einfacher, sich mehr Marktanteil in einem europäischen Markt zu sichern, wo man neu hineinkommt und den Markt vielleicht ein Stück weit auch aufmischen kann, mit seinen neuen Submarken? Oder ist es einfacher, auf die Basis von ’83 zurückzugreifen und dort den Markt gegen die ganzen neuen Player zu verteidigen?

Philipp Kemmler

Das ist eine wirklich gute Frage. Ich glaube, am Ende des Tages werden es die Zulassungszahlen zeigen, die wir dann Mitte nächsten Jahres noch mal vergleichen können. Klar, ein neuer Markt ist immer schwierig, weil ich erst mal ein immenses Investment machen muss. Natürlich als neue Marke muss ich die Marke ja erst mal etablieren. Also ich glaube schon, dass das in den gelernten Märkten, wo die Markenbekanntheit gegeben ist, ich mich immer noch leichter tue als in einem komplett neu aufzurollenden Markt.

Wir haben natürlich Ausnahmen. Ein kleiner Hersteller aus den Vereinigten Staaten, Kalifornien hat es vorgemacht, wo das eben recht zügig ging. Aber ich glaube, dass gerade im Bereich Automobil viele Produkte einheitlicher werden und du dich dann durch andere Attribute auch ein Stück weit unterscheiden musst. Das ist ja so die Negativhybris, die gerne von europäischen Herstellern gab und kam, dass durch die Elektrifizierung der Fahrzeugpaletten es zu einer Vereinheitlichung kommt und die Produkt- und Modellvielfalt abnehmen wird. Das glaube ich nicht. Also ich glaube eher, dass man sich viel mehr durch Innovationen dann unterscheiden wird, die aber auf einem digitalen Level stattfindet beziehungsweise welche smarten Features ich dann auch wirklich auf die Straße bringen kann. Wenn ich es dann mal weiter denke, auch Richtung autonomes Fahren.

Sebastian

Gerade mit diesen einheitlichen Attributen im Hinterkopf und man sagt: „Okay, es wird vereinfacht von der Technik her“, warum mehr Markenstrategie dann noch fahren? Um dann eben diese Unterscheidung noch abzubilden? Oder warum macht ihr das jetzt beispielsweise auch und geht parallel in den Markteinführungen hier nach Europa mit Ora und Wey?

Philipp Kemmler

Es sind unterschiedliche Zielgruppen, die wir ansprechen damit. Der Wey ist ja noch nicht ganz elektrisch, sondern ein Plug-in-Hybrid. Wir haben zwar mit dem Wey eine elektrische Reichweite von 146 Kilometern WLTP, was ja eigentlich schon – wir hatten mal recherchiert – bestimmt 95 % aller Fahrten, die du im Durchschnitt machst, abdeckst. Wenn du dann eben noch einmal die Schwiegereltern in Norddeutschland besuchen möchtest, dann hast du aber auch die Möglichkeit, mit dem Plug-in das noch zu fahren. Die Technologie dahinter braucht man nicht zu diskutieren. Die kennen wir alle.

Und auf der anderen Seite aber der eher in einem urbaneren Umfeld angesiedelte Ora, wo wir mit dem Funky Cat im Markt sind, der dann doch noch mal eine ganz andere Klientel anspricht. Das heißt, da ist natürlich schon eine höhere Differenzierung da und ermöglichst so deinen deinen Kunden auch, eben in verschiedenen Segmenten verschiedene Produkte für deine unterschiedlichen Bedarfe zu haben. Also der Wey, würde ich mal sagen, ist so das klassische Vorortsfahrzeug – ich kann es auch in der Stadt verwenden oder im Rheinland verwenden –, dass ich eben wunderbar zum elektrischen Pendeln verwenden kann, wo öffentliche Nahverkehre noch nicht ganz so etabliert sind. Und der Ora wiederum ist ein sehr viel lifestyleigeres Produkt, kommt mit sehr viel mehr emotionalem Design daher, vielen netten kleinen Features. Ist durchaus ein Fahrzeug, was in der Stadt gut funktionieren kann und wird.

Sebastian

Das kann ich mir durchaus vorstellen und auch, dass er ankommt und seine Zielgruppe hat. Aber der Ora an sich ist für mich jetzt ein Beispiel dafür, welche Herausforderungen, glaube ich, auch chinesische Marken hier in Europa noch haben, weil gerade, wenn ich an den Sprachassistenten jetzt aus eigener Erfahrung denke, es ist mir einfach too much. Also für mich persönlich, für mein Empfinden im Alltag auf der Straße ist es einfach zu viel, miteinander interagieren, sprechen, ablenken irgendwo. Ist das auch eine Schwierigkeit, mit der ihr zu kämpfen habt und wo ihr euch auch vielleicht noch ein Stück weit adaptieren oder ausrichten müsst an dem europäischen Markt, was einfließen muss, dass eben so ein Eins-zu-eins-Transfer von China nach Europa nicht immer glückt?

Philipp Kemmler

Total, total. Also gerade da sprechen Sie ein gutes Thema an. Der Sprachassistent ist natürlich in einer ganz anderen Funktionalität im chinesischen Produkt unterwegs und trifft natürlich auch in diesen Funktionsumfängen ein Publikum, was eher im asiatischen Bereich natürlich verortet ist. Es hat aber natürlich auch noch eine andere Komponente. Gerade diese ganzen vielen Aufmerksamkeitserinnerungshinweise, sage ich jetzt mal freundlich, sind natürlich auch den Notwendigkeiten geschuldet, die ein Stück weit inzwischen auch von NCAP vorgegeben werden, um die fünf Sterne zu erreichen, die im Test notwendig sind. Ja, absolut. Das ist sicherlich ein Faktor, wo ich mir anschauen muss: Was ist denn in der Lokalisierung noch notwendig, um den europäischen Geschmack noch ein wenig besser zu treffen?

Das sicherlich auch, wenn ich an die Ladeleistung denke. Die Ladeleistung beim Ora ist jetzt im Vergleich zum Wettbewerb nicht die Allerhöchste, ist natürlich aber auch aus der Notwendigkeit heraus entstanden, dass ich das in China nicht unbedingt brauche, weil ich für mein Hauptnutzungsszenario, nämlich schnell laden auf der Autobahn, was ich in Europa durchaus tue, das passiert in China nicht so viel. Man fährt nicht mit dem Auto lange Strecken, sondern man nimmt den Zug. Von dem her, das ist sicherlich so ein Stück Brücke, die noch beschritten werden muss. Und dafür sind die Lokalisierungsteams im Engineering hier auch da, um zu sehen: Was ist denn hier der Unterschied? Wo muss ich denn meine Anpassungen und meine Änderungen haben, um dann eben auch den europäischen Kunden mit seinen Bedürfnissen so zu bedienen, wie er es gewohnt ist?

Sebastian

Ist es dann auch für euch vorstellbar, dass man sagt, man nimmt jetzt nicht einfach nur ein chinesisches Modell und adaptiert das für Europa, sondern entwickelt auch gezielt Modelle, die vielleicht so gar nicht in China auf die Straße kommen, dafür aber gezielt in Europa, um dort auch das Zielpublikum abzuholen?

Philipp Kemmler

Absolut. Das Letzte trifft hier absolut zu. Wenn wir uns den Wey anschauen, der ganze Drive- und Powertrain ist für Europa entwickelt. Diese Motorenzusammensetzung gibt es in China nicht. Das hat einfach zum Beispiel damit zu tun, dass wir hier viel höhere Geschwindigkeiten in Deutschland fahren können und deshalb der Ingenieur gesagt hat, für hier muss das Fahrzeug auch noch stabil bei 200 auf der Straße liegen. Nur, das Problem hast du in China nicht bei einem Tempolimit von 110.

Sebastian

Also im Endeffekt auch das, was man von den Wolfsburger Kollegen sieht, die ja dann auch mit speziellen ID-Varianten nach China kommen, kommt ihr dann quasi mit Great Wall Motor und euren Marken auch mit speziellen Varianten hier in Deutschland, Europa auf die Straße?

Philipp Kemmler

Absolut, absolut. Wir sind ja auch in einem Joint Venture mit einem mittelgroßen bayerischen Automobilhersteller, mit dem wir zusammen eine Fertigung betreiben. Das heißt, hier werden Plattformen auch so adaptiert, dass sie nur für den europäischen Markt von unserer Seite sind und von den Kollegen andererseits nur für den chinesischen Markt. Das ist eigentlich ganz witzig, diese Lokalisierungstendenzen, die aber notwendig sind, weil ich einfach andere Bedarfe habe.

Sebastian

Und man sich natürlich an die Märkte dann auch ausrichten muss, wo man dann eben Absatz macht, weil das ja schlussendlich auch das Ziel ist, was ihr verfolgt. Gibt es einen Ausblick für die kommende Strategie in Europa schon, wie es denn weitergeht? Jetzt haben wir Ora und Wey, die hier als Marken Fuß gefasst haben, Fuß fassen werden. Werdet ihr noch eine dritte, vierte Marke mit ins Spiel werfen oder werden wir bei diesen Marken erst mal Entwicklungen dann sehen in naher Zukunft, dass da vielleicht noch neue Modelle erfolgen?

Philipp Kemmler

Es wird sich zeigen, sicherlich. Wir haben im Markenportfolio eigentlich viele Marken, die auch durchaus spannend wären für den europäischen Markt. Wir schauen uns jetzt erst mal natürlich vermehrt an, wie denn die Entwicklung bei Ora und Wey sein wird, und können dann sukzessive entscheiden, wie auch die Bedarfe sind, die unsere Partner uns aus den einzelnen europäischen Ländern, wo wir unseren Vertrieb haben, dann zurückmelden. Aber sicherlich ist im Portfolio einiges vorhanden. Von den vorhin angekündigten 50 Modellen, die im NEV-Bereich kommen sollen, wird sicherlich auch das eine oder andere aus den schon erwähnten Marken mit dabei sein, was sicherlich auch Sinn macht oder Sinn machen könnte für einen europäischen Kunden.

Sebastian

Vielen Dank, dass wir da den Einblick bekommen haben, jetzt direkt sozusagen von einem chinesischen OEM auf den Mitblick auf China und Europa. War doch sehr interessant und wir sind gespannt, was denn da noch so folgt, was noch kundgetan wird von euch in naher Zukunft. Und ich bin mir sicher, wir beide haben uns auch nicht zum letzten Mal gehört. Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Kemmler.

Philipp Kemmler

Ganz herzlichen Dank, lieber Herr Henßler, und alles Gute. Bis zum nächsten Mal.

Der Beitrag Philipp Kemmler, GWM: Vom Verbrenner zum E-Auto erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

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