Mahle-Chef: „Wir brauchen vielfältige Lösungen für die Dekarbonisierung“
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Im Interview mit dem Nachrichtenportal Welt äußert sich Arnd Franz, Geschäftsführer des strauchelnden Autozulieferers Mahle, zu den Herausforderungen und Perspektiven der Automobilindustrie. Er beleuchtet die finanzielle Lage seines Unternehmens, spricht über den Wettbewerb mit China im Bereich Elektromotoren und betont die Bedeutung von Innovationen in Deutschland. Zudem äußert er Kritik am gegenwärtigen Schwerpunkt auf Elektromobilität und spricht über Bedingungen, unter denen E-Fuels als wirkliche Chance betrachtet werden könnten.
Die Herausforderungen für deutsche Autozulieferer sind immens, da sie sich in unsicheren Zeiten teilweise neu erfinden müssen. Trotz früherer Erfolge im Verbrennergeschäft verzeichnet Mahle in den vergangenen Jahren beträchtliche Verluste, auch weil Elektromotoren keine Kolben benötigen. Der Geschäftsführer Arnd Franz sieht es zwar als notwendig an, in die Elektromobilität zu investieren, sieht jedoch keine unmittelbaren Gewinne in diesem Bereich. Diese Situation spiegelt das Dilemma wider, dem viele deutsche Autozulieferer gegenüberstehen: Die Transformation der gesamten Autoindustrie erfordert hohe Investitionen in Zukunftstechnologien, drückt jedoch die Gewinnspannen und stellt die Branche vor die Herausforderung, nicht den Anschluss zu verlieren.
Der Umstieg zur Elektromobilität müsse funktionieren, um eine umweltverträgliche Mobilität zu erreichen, meint der Mahle Chef. Er plädiert jedoch für Technologieoffenheit | Bild: Mahle
Die Transformation sei eine „fast pharaonische Zielsetzung“
Franz, der seit einem Jahr die Konzern-Geschäftsführung von Mahle innehat, stellt fest, dass die aktuellen Schwankungen im Markt nur der Anfang einer umfassenderen Veränderung sind. Europa strebt bis 2035 an, die gesamte Automobilindustrie auf eine neue Technologie umzustellen, was der Chef des Zulieferers als „fast pharaonische Zielsetzung“ bezeichnet. Dabei betont er die Unsicherheiten und Risiken, die mit jedem Schritt der Transformation verbunden seien. Angefangen von der Ladeinfrastruktur über die Verfügbarkeit und den Preis von grünem Strom bis hin zur Frage, ob es gelingt, Elektroautos zu attraktiven Preisen auf den Markt zu bringen. Am Ende würden die Kunden die Autos kaufen, die sie möchten, und nicht unbedingt die, die von der Politik vorgeschrieben werden, ist er der Meinung.
Der Umstieg zur Elektromobilität müsse funktionieren, um eine umweltverträgliche Mobilität zu erreichen. Er plädiert jedoch dafür, dass das batterieelektrische Fahrzeug nicht der einzige Weg sein sollte, sondern, dass vielfältige Lösungen für die Dekarbonisierung benötigt werden. Effiziente Verbrennungsmotoren haben laut dem Mahle-Chef nach wie vor eine große Daseinsberechtigung, vor allem wenn sie mit nachhaltigen Kraftstoffen betrieben werden. Franz gibt zu verstehen, dass Mahle im Moment vor allem in die Entwicklung von Komponenten für Elektroautos investiere: „Im Moment wird fast nur investiert. Die Stückzahlen liegen weit hinter den Erwartungen und die Schwankungen sind sehr hoch. Das macht die Transformation noch anspruchsvoller, als sie von vornherein war“, fügt er hinzu.
Franz ist überzeugt von den Vorteilen von Elektroautos gegenüber Verbrennungsmotoren, räumt jedoch ein, dass noch einige Herausforderungen bewältigt werden müssen, um die Elektromobilität weiter voranzutreiben. Mahle setze zwangsläufig einen klaren Fokus auf die E-Mobilität und leiste dabei einen Beitrag zu intelligentem Laden und effizienten Antriebsmotoren. Ein weiterer Schwerpunkt des Zulieferers liege auf dem Thermomanagement, da effizientes Kühlen und Heizen im Elektroauto entscheidend für die Batterielebensdauer und Reichweite sind.
Mahle steht aktuell im Dialog mit seinen Mitarbeitern, da es in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Veränderungen geben soll. Beschäftigte sollten auf längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne vorbereitet sein | Bild: Mahle
Es droht Beschäftigungsabbau
Mahle verzeichne derzeit vor allem im Premium- und Sportwagenbereich zwar Rekordabsätze. Gleichzeitig sei jedoch die Gesamtnachfrage in Europa unabhängig von der Antriebsart um 20 Prozent unter dem Niveau vor der Coronakrise. Er prognostiziert, dass Europa global eine kleinere Rolle spielen wird, was auf Überkapazitäten in der Region zurückzuführen sei. Franz spricht auch über die sozialen Auswirkungen der Transformation: „Da der Verbrenner wesentlich beschäftigungsintensiver ist als das Elektroauto, wird man in Verbindung mit dem sinkenden Marktvolumen in Europa massive Auswirkungen auf die Beschäftigung in der Zulieferindustrie sehen. Studien sprechen von einem Arbeitsplatzabbau von bis zu 40 Prozent.“
Der Mahle-Chef kritisiert überdies die langsame Dekarbonisierung und zweifelt an der Annahme der EU-Kommission, dass bis 2050 keine Verbrenner mehr auf den Straßen sein werden, auch wenn ab 2035 das Verbrenner-Verbot greife. Franz plädiert für nachhaltige Kraftstoffe, um die bestehende Fahrzeugflotte und bis 2035 produzierte Verbrenner zu dekarbonisieren. Er schließe nicht aus, dass es im Jahr 2050 immer noch Millionen von Verbrennerfahrzeugen auf Europas Straßen geben wird.
In Bezug auf den möglichen Arbeitsplatzabbau durch Elektrifizierung erklärt er, dass Mahle noch im Transformationsdialog mit den Mitarbeitern stehe, aber in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Veränderungen zu erwarten seien. Beschäftigte sollten auf längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne in anderen Sektoren vorbereitet sein. „Es muss keine Deindustrialisierung im Sinne von Technologie-Abwanderung sein, aber wir werden Beschäftigungsabbau sehen“, heißt es weiter. Die künftigen Produkte seien rohstoffintensiver, vor allem die Speicherbatterien. Mahle plane, mit den vorhandenen Talenten eine Anpassung an neue Technologien zu ermöglichen und die Mitarbeiter für Berufe außerhalb des Unternehmens zu qualifizieren.
Laut Welt verzeichnet Mahle bereits im fünften Jahr in Folge Verluste, was sich ändern müsse. Deshalb plane der Zulieferer bis 2025, das Unternehmen wieder auf das frühere Niveau zu bringen – mit einer nachhaltigen Rentabilität in Richtung Branchendurchschnitt. Die größte Herausforderung sehe er in der Inflation, weswegen man nicht daran vorbeikomme, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Und das werde letztlich zu teureren Autos führen, glaubt Franz. Das Unternehmen habe eine stabile Liquiditätslage und arbeite aktuell an einer Reduzierung des Verschuldungsgrades. Eine Bestandsaufnahme sei für 2025 geplant, bevor die Transformation in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts an Fahrt gewinnen soll.
„Das Wasserstoff-Ökosystem muss kommen, es ist alternativlos“, so Franz. Er sieht das als grüne Grundlage für E-Fuels. Zu sehen ist eine Brennstoffzelle in Mahles Wasserstoff-Prüfzentrum | Bild: Mahle
Für E-Fuels: „Das Wasserstoff-Ökosystem muss kommen“
Die Welt thematisiert auch die mögliche Konkurrenz durch chinesische Unternehmen, vor allem im Bereich Elektromotoren. Franz sieht darin einen normalen Wettbewerb: „Ich finde es beeindruckend, welche Fortschritte China in so gut wie allen Öko-Technologien erzielt hat.“ Dennoch betont er die Wichtigkeit von Innovationen in und aus Deutschland. Gleichwohl fordert er günstige Rahmenbedingungen und eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Dem Strom-Paket der Bundesregierung sieht er positiv entgegen, aber man müsse das Angebot von grünem Strom in Deutschland steigern. Er warnt jedoch davor, dass günstiger Strom aus anderen Regionen dazu führen könnte, dass energieintensive Vorprodukte im Ausland produziert werden.
Die Diskussion über grünen Wasserstoff als Grundlage für E-Fuels und die Dekarbonisierung des Verbrenners führt zu Franz‘ Überzeugung, dass das Wasserstoff-Ökosystem kommen werde und notwendig sei. Er sieht die Energieversorger, Mineralölindustrie und Staatsfonds in der Verantwortung, die notwendigen Investitionen zu leisten. Und glaubt, dass E-Fuels im Pkw-Bereich faktisch ab 2035 nicht mehr erlaubt sein werden: „Die Anforderungen, die dafür jetzt aus Brüssel gekommen sind, wirken nämlich wie ein Verbot. Die EU-Kommission verlangt, dass die Herstellung und der gesamte Transportweg CO₂-neutral sein müssen. Das ist unrealistisch und wird bei Batterien und Strom nicht gefordert.“ Man müsse den Weg für synthetische Kraftstoffe freimachen, dann seien Literpreise von unter zwei Euro bis zum Jahr 2030 auch machbar, meint er.
Quellen: Welt.de – „Ich bin überzeugt, dass Elektroautos viele Vorteile gegenüber dem Verbrenner haben“ / Merkur.de – Druck und Sorgen bei deutschen Autozulieferern – wie der Umbruch gelingt
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