Meike Wenzel über gendergerechte E-Mobilität
- Kommentare deaktiviert für Meike Wenzel über gendergerechte E-Mobilität
- Allgemein
Gemeinsam mit Meike Wenzel von accilium, spreche ich in dieser Folge des Elektroauto-News Podcast über gendergerechte Mobilität. Meike gibt hierbei zu verstehen, dass Geschlechterunterschiede starken Einfluss auf Mobilitätsmuster haben und traditionelle Lebensmodelle von Männern und Frauen zu strukturellen Problemen in der Mobilitätsplanung führen. Männer folgen oft einer linearen Mobilität (Arbeit – Heim – Einkaufen), während Frauen komplexe Wegeketten haben, die durch zusätzliche Verantwortlichkeiten wie Familienversorgung geprägt sind. Diese Komplexität wird in der aktuellen Mobilitätsplanung nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Folge von Corona, wo viele Frauen in Teilzeit gingen oder ihre Jobs kündigten, hat die Komplexität der weiblichen Mobilität weiter erhöht. Sie kritisiert, dass die Elektromobilität, die ursprünglich als saubere und praktische Lösung für Frauen beworben wurde, nun überwiegend von Männern genutzt wird, und dass die Ladeinfrastruktur oft nicht auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmt ist, was ihre Beteiligung an der Elektromobilität behindert.
Dabei ist die Tatsache spannend, dass sie betont, dass Frauen nachhaltigere Mobilitätsentscheidungen treffen und bereit sind, für passende Lösungen mehr zu zahlen. Das Unternehmen TIER wird als positives Beispiel genannt, das mit frauenspezifischen Angeboten wie Moped-Praxistrainings die Kunden-Basis erweitern konnte. Im Detail versteht dies Meike natürlich noch wesentlich greifbarer zu erläutern. Insofern am besten hineinhören, in die aktuelle Folge.
Gerne kannst du mir auch weitere Fragen zur E-Mobilität per Mail zukommen lassen, welche dich im Alltag beschäftigen. Die Antwort darauf könnte auch für andere Höre:innen des Podcasts von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für die bereits erwähnten Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung, beim Podcast-Anbieter deiner Wahl, freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.
Transkript zur Betrachtung vom Zusammenspiel „Geschlecht & Mobilität“
Sebastian
Hi Meike, vielen Dank, dass du dir heute die Zeit nimmst, dass wir uns ein wenig über das Thema Mobilität unterhalten und die Rolle von Mann und Frau in dieser ganzen Geschichte. Ich muss immer noch überlegen, wie ich die Überleitung gleich hinbekomme, aber bis dahin lasse ich mir noch ein wenig Zeit. Stelle du dich doch gerne mal selbst vor und auch das Unternehmen, für das du tätig bist.
Meike Wenzl
Vielen Dank, Sebastian. Ich freue mich wirklich sehr, heute dabei zu sein, dass du mich eingeladen hast und vor allem auch über gendergerechte Mobilität, also wirklich so diese: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Mann und Frau? Weibliche und männliche gelesene Mobilität, darüber zu sprechen und auch, warum es so wichtig ist, dass wir das beachten, wenn wir die Mobilität der Zukunft gestalten wollen.
Vielleicht, bevor wir da rein starten und ein wenig rumnerden über Mobilität, zu mir ein paar Key Facts. Mein Name ist Meike Wenzl und ich bin Managerin bei accilium. accilium ist eine Managementberatung, die mit dem Kerngedanken ständiger Weiterentwicklung als Schlüssel zum Erfolg gegründet wurde. Dabei beschäftigen wir uns sehr stark eben mit der Beschleunigung der Mobilitätswende und das ist tatsächlich auch unsere Mission. Das machen wir unabhängig davon, ob wir jetzt traditionsreiche Unternehmen beraten oder junge, aufstrebende Unternehmen.
Wir machen uns aber immer die Möglichkeit der Digitalisierung zunutze, gestalten die Transformation unserer Kunden und auch nicht nur so, dass wir sagen: Hier, das und das und das könntet ihr machen. Sondern wir gehen auch wirklich direkt in die Implementierung mit rein und gestalten damit eben gleichzeitig auch aktiv die Mobilitätswende.
Ich selbst beschäftige mich innerhalb von accilium sehr stark mit den Themen „Digitale Transformation“ und mit dem Bereich „Customer Centricity“, in dem auch das Thema gendergerechte Mobilität und inklusive Mobilität eben angesiedelt sind. Und deswegen sind wir auch hier jetzt zusammengekommen, weil wir uns ja im September auf einer Veranstaltung, auf einem Summit getroffen haben, wo ich darüber gesprochen habe.
Sebastian
Schöne Überleitung. Und da hattest du ja damals auch schon das Thema „Gendergerechte Mobilität“ mit an den Start gebracht, das mit Zahlen, Daten Fakten untermauert und ich dachte mir: Ist bestimmt nicht die Haupt-Zielgruppe bei uns hier im Podcast. Dabei ist es definitiv ein interessantes Thema, was auch einfach gehört werden muss oder gehört werden soll. Bevor wir da eintauchen, vielleicht magst du gendergerechte Mobilität mal ein Stück weit einordnen, damit die Zuhörer:innen auch wissen, worum es denn geht.
Meike Wenzl
Wenn ich von gendergerechter Mobilität spreche und nicht nur ich, sondern an sich alle Wissenschaftler:innen, alle Menschen, die sich damit beschäftigen, sprechen wir immer darüber, dass der Faktor Gender einen massiven Einfluss auf unseren Bewegungsmustern, auf unsere Mobilität hat.
Der Begriff Gender bedeutet hier nicht unbedingt immer Geschlecht, sondern einfach alles, wofür das Wort Gender spricht. Das, was wir jetzt besprechen werden, sind auch keine bahnbrechenden, neuen Erkenntnisse. Das weiß man schon sehr lange, seit Jahrzehnten offen gesagt. Der Hauptgrund für diese gendergerechte Mobilität liegt vor allem in der unterschiedlichen Bewegung von Frauen und Männer, wie sie sich im Alltag bewegen, wie ihre Mobilität ist. Und das hängt mit den unterschiedlichen Wegeketten zusammen.
So, wie momentan in der Mobilität alles geplant wird, orientiert man sich tatsächlich gerade noch sehr stark an den stereotypischen Lebensvorstellungen von Mann und Frau und das ist damit dann auch ein strukturelles Problem. Ich mache mal ein Beispiel. Wir stellen uns einen idealtypischen Mann vor, keine Ahnung, Udo. Udo fährt morgens zur Arbeit, im Auto, und am Abend wieder zurück und vielleicht geht er noch einkaufen. Man spricht hier dann von sogenannten primären oder linearen Wegen, weil nämlich die Mobilität von Udo genau einen Zweck hat: Er möchte zur Arbeit kommen, er fährt nach Hause und eventuell geht er noch einkaufen.
Die Mobilität von Frauen ist deutlich komplexer. Es liegt daran, dass die idealtypische Frau immer noch, neben ihrem Vollzeit- oder Teilzeitjob, die Versorgung der Familie übernimmt. Das ist einfach das, was sich stereotypisch in den letzten Jahren einfach so eingebürgert hat und nach dem man immer noch so ein wenig lebt. Während Corona hat sich dieses Problem, in Anführungszeichen, tatsächlich noch verstärkt, weil dann sehr viele Frauen einfach gesagt haben: Ich gehe jetzt in Teilzeit oder ich kündige meinen Job. Und sich dann der Care-Arbeit gewidmet haben.
Auch das zum Beispiel im konkreten Beispiel nehmen wir mich selbst zum Beispiel. Ich habe zwar keine Kinder, aber nehmen wir mal an, ich hätte Kinder, ich hätte eine Familie, dann bringe ich zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit die Kinder in die Schule, fahre noch bei meinen Eltern vorbei, bringe meinen Vater zum Arzt, hole ihn wieder ab, fahre ihn nach Hause. Gehe dann nach der Arbeit einkaufen, hole mein Kind ab, fahre es vielleicht zu einer Freizeitaktivität, fahre vielleicht noch mal bei meinen Eltern vorbei und fahre dann erst wieder nach Hause und irgendwann zwischendrin hole ich mein Kind noch ab.
Hier spricht man dann eben von sogenannten Wegeketten, die dann bei der Frau deutlich kürzer sind, oder bei weiblicher Mobilität deutlich kürzer sind. Die Bewegungen haben eben nicht nur einen bestimmten Zweck, sondern verschiedene Wegezwecke. Das ist so diese ganze Komplexität in der gendergerechten Mobilität, weil diese Komplexität nicht immer komplett mit berücksichtigt wird.
Sebastian
Es ist ja auch ein Stück weit schwieriger. Also ich hoffe, unsere Zuhörer*innen konnten das jetzt ein Stück weit nachvollziehen, aber es leuchtet ein. Wenn nicht, einfach noch mal hineinhören oder noch mal nachhören. Aber wo zeigt sich jetzt die Auswirkung tatsächlich?
Also dass wir es mal noch in die Praxis überführen. Natürlich haben wir unterschiedliche Wege. Wenn ich jetzt einen Udo nehme, der fährt beispielsweise mit seinem E-Auto von daheim zur Arbeit, kann das acht Stunden dort stehen lassen, lädt das vielleicht dann noch am AC-Lader dann, passt. Wenn du jetzt Meike bist, die ihre Kinder wegbringt, ihren Papa noch wohin fahren muss, dann noch einkaufen geht, dann fehlt ja da wahrscheinlich schon in dieser Betrachtung die Möglichkeit, dass du eben gar nicht acht Stunden an einem Platz stehst, sondern du bist ständig irgendwo unterwegs, hast gar nicht diese Ruhezeiten für dein Fahrzeug, um das zu laden. Und wärst dann wahrscheinlich eher die typische Kundin, Fahrerin, die am Abend ihr Fahrzeug laden würde. Also das ist dann quasi diese Erkenntnis, die ich aus einer gendergerechten Mobilität, wenn ich sie aus dieser Brille betrachte, herausziehen würde.
Meike Wenzl
Genau. Also so, wie momentan die Elektromobilität gesehen wird, ist es tatsächlich so. Und wenn wir jetzt den Begriff gendergerechte Mobilität mal auf die E-Mobilität transferieren wollen, möchte ich ganz kurz ein bisschen weiter ausholen, damit alles das, was ich sozusagen zu sagen habe, verständlich ist.
Was für mich immer ganz witzig ist und es wird vielleicht einige überraschen oder diejenigen, die sich sehr stark im Bereich Automotive aufhalten, die wissen das auch, dass Elektroautos … Die wurden ja so um 1900 oder so, sind die ja erfunden worden, sogar noch weit vor dem Verbrenner. Das, was du gerade gesagt hast … Also die wurden eigentlich ja maßgeschneidert für weibliche Bedürfnisse beworben. Das ist ein sauberes Auto, das war damals noch sehr viel günstiger, es ist leise, ohne lästige Vibration eines Verbrennungsmotors und vor allem absolut ausreichend für die Wege, die die Frau zurücklegt.
Weil, was ich eben ja schon gesagt habe, ihre Sphäre, ihr Aufgabenbereich, war der häusliche Bereich und die Welt da draußen, die war für die Männer. Der Mann war verantwortlich für Brot und Geld und hat die Familie ernährt. Und die konnten sich dann ruhig schmutzig machen, die konnten dann mit dem dreckigen Verbrenner herumfahren.
Damals gehörte es sich einfach nicht, dass Frauen sich schmutzig machen, weil … Ja, das war einfach nicht das Bild, was man von einer Frau hatte. Deswegen wurden die Elektroautos auch nur belächelt, weil die können nichts, die sind absolut unmännlich, die haben keine auseifernde Technik.
Wir haben uns vorhin schon mal kurz unterhalten und ist vielleicht auch ganz interessant für die ältere Generation deiner Podcast-Hörer: Es gibt eine Simpsons-Folge, in der sich eben über Elektroautos lustig gemacht wird. Da sitzen dann Homer und Bart in so einem Elektroauto und das fährt so herum. Und so eine ganz robotige Stimme sagt so: „Hallo, ich bin ein Elektroauto. Ich bin nicht sehr schnell und ich kann auch nicht sehr weit fahren, eigentlich kann ich gar nichts. Das hat ja damals, es hat sich ja dann quasi alles schon gezeigt, dass da einfach der Fokus nicht war. Und auch das ist quasi so aus diesem Ursprung entstanden, dass man sich das gar nicht früher vorstellen konnte, dass Mobilität irgendwann mal für alle zugänglich sein sollte oder das überhaupt irgendwie zugänglich sein sollte.
Erst als dieser – in der Elektromobilität oder Elektroautos – dieser Tech- und dieser Lifestyle-Faktor eine größere Rolle gespielt haben, dann hat sich auch so einen Wandel ergeben und Männer haben das Thema für sich entdeckt, und zwar sogar so erfolgreich, dass, ich glaube, mittlerweile mehr als 90 % der Elektroauto-Käufer männlich sind. Was man da auch noch betrachten muss, aufgrund dessen, dass so viele Männer Elektroautos kaufen, haben Frauen auch überhaupt keine Möglichkeit, sich irgendwie auszutauschen, weil für uns beim Autokauf einfach andere Faktoren wichtig sind.
Du hast vorhin schon gesagt, eigentlich muss man nur von A nach B kommen, bestenfalls verstaue ich meine Einkäufe und wenn ich ein Elektroauto habe, dann muss ich das irgendwo laden können. Und da sind wir schon wieder bei so einer Krux. Weil für Männer, wenn die zur Arbeit fahren, und zum Beispiel der Arbeitgeber hat Ladesäulen und eine Ladeinfrastruktur, stöpsele ich da mein Auto an, dann gehe ich acht bis zehn Stunden arbeiten. Wenn ich zurückkomme, ist das Auto geladen und ich habe keine Probleme.
Ich würde jetzt auch mal die Hypothese in die Welt hinausstellen: Wenn ich als Mann von München nach, weiß nicht, nach Stuttgart fahre und ich musste zwischendrin laden, dann habe ich nicht so viele Befängnisse, an der Tankstelle mein Auto anzustöpseln und zu laden. Aber, das ist auch mal ganz interessant: Hast du schon mal darauf geachtet, wo die Ladesäulen stehen bei Tankstellen, vor allem an der Autobahn?
Sebastian
Ja, also meistens irgendwo im letzten Eck. Dunkel und, ja, nicht außerordentlich gut beleuchtet. Es ändert sich glücklicherweise mittlerweile, aber die Erfahrung habe ich schon gemacht.
Meike Wenzl
Ja, ganz genau. Und das ist halt auch noch mal für eine Frau, die allein unterwegs ist, die vielleicht mit dem Kind unterwegs ist, die wird sich niemals ein Elektroauto anschaffen, wenn sie vorher nicht ganz genau weiß: Wo kann ich es laden, kann ich sicher laden, ist das überhaupt sicher?
Deswegen spielen auch so Dinge … Wir hatten es auch bei dieser Veranstaltung, da hatten wir ja zwei unterschiedliche Vorträge zur Ladeinfrastruktur … Ist diese Aufstellung von Ladeinfrastruktur an den sogenannten Customer Touch Points, also da, wo sich die Leute tatsächlich befinden, unglaublich wichtig.
Das heißt, an Supermärkten, vielleicht an Freizeitanlagen, wo man die Kinder hinfährt und dann bleibt man vielleicht auch mal für ein Fußballspiel dort, 90 Minuten, 120 Minuten. Zack, Auto aufgeladen, passt perfekt, weil, wie ich vorhin schon gesagt habe, diese Reichweite, wo momentan ja ganz viel dran getüftelt wird und mit der auch vermarktet wird:
Mit der neuen Batterie kann dieses Auto 500 Kilometer fahren, ohne zu laden. Das ist für, sage ich mal, 50 % der Welt, 50 % sind nämlich Frauen ungefähr, ist überhaupt nicht so wichtig, so aussagekräftig. Sondern es ist wichtiger, dass ich immer zu jeder Zeit da laden kann, wo ich mich befinde.
Sebastian
Das heißt ja aber im Umkehrschluss, gerade, wenn wir das mit deinen Zahlen da zusammenbringen: Der Absatzmarkt ist ja noch riesig, weil die Frau an sich wird ja relativ wenig angesprochen. Sei es jetzt von der Ladeinfrastruktur, wo sich jetzt Ladeinfrastrukturaufbauer, ein Beispiel nehmen können, um das entsprechend zu platzieren, aufzubauen.
Da gibt es ja auch gute Beispiele, Fastned beispielsweise, die wunderbare, helle Ladeparks dann da auch öffnen. Und ich meine mittlerweile auch einen Wandel zu sehen, dass wir nicht mehr immer nur im hintersten Eck unterwegs sind mit den Lademöglichkeiten. Aber klar, da muss man auch erst mal nachholen und lernen. Und zum anderen natürlich von den Fahrzeugen, wo ich dann einfach auch mit anderen Argumenten daherkommen muss, wo es dann eben nicht darum geht: Okay, hier 500 Kilometer am Stück fahren und trotzdem noch Kapazität im Akku haben. Sondern dann wahrscheinlich auch eher da ein Stück weit mehr ausgerichtet: Okay, das Stadtfahrzeug, das vielleicht anderen Ansprüchen gerecht wird, wie genügend Stauraum im Kofferraum für Einkäufe, für Besorgungen, für Transferfahrten, so in die Richtung.
Meike Wenzl
Ganz genau. Also du hast auch schon angesprochen, ich halte das für immer so ein riesengroßes Thema, weil ich finde, halt … Und klar kann ich das so einfach sagen, weil ich bin eine Frau und ich sehe das halt direkt.
Aber wenn man das mal von der unternehmerischen Seite betrachtet, ist, wenn man faktisch bis zu 50 % des Marktes nicht anspricht, oder davon ausgeht, dass man eine One-size-fits-all-Lösung hat für alle, ist das einfach auch nicht ganz klug, weil da einen riesen Absatzmarkt einfach verloren geht.
Wenn wir es also jetzt noch mal auf die Elektromobilität beziehen und nicht nur auf Elektroautos, weil Elektromobilität bedeutet ja alles, was möglich ist. Das heißt, nicht nur Elektroautos, sondern auch diese ganze Mikro-Mobilität, die es gibt, diese E-Scooter, die E-Tretroller und so weiter, dann vernachlässigt man einen riesen Markt.
Auch das ist zum Beispiel sehr stark statistisch belegbar, dass nämlich Frauen deutlich nachhaltigere Mobilitätsentscheidungen treffen als Männer und auch bei Weitem mehr bereit dazu sind, für nachhaltige Lösungen, die auf ihre Bedürfnisse passen, mehr zu zahlen. Das heißt, man muss sich dann auch als, sage ich mal, als Mobilitätsanbieter gar nicht so sehr die Gedanken machen: Wie kann ich das Angebot attraktiv machen, preislich attraktiv machen und so weiter und so fort? Sondern man muss sich einfach seine Nutzergruppen anschauen.
Da komme ich jetzt wieder so ein wenig zurück in das Thema, in dem ich mich auch sehr stark beschäftige, nämlich die Customer Centricity: Wenn man sich einfach mal die unterschiedlichen Nutzergruppen anschaut im Markt und sich dann überlegt: Welche Mobilitätsbedürfnisse haben denn diese unterschiedlichen Nutzergruppen? Und danach dann eben entsprechend die Produkte ausrichtet und entwickelt, hat man meiner Meinung nach massives Potenzial.
Sebastian
Du hast ja auch im Vorhinein, gerade, wenn wir jetzt in diesem Umfeld Mikro-Mobilität unterwegs sind, ein Beispiel genannt, wo ein Unternehmen auch relativ gut gezeigt hat, wie man dieses Potenzial auch nutzen kann, wenn man das dann auch offensiv angeht. Wo vielleicht jetzt auch andere Unternehmen davon lernen können, wenn sie zuhören. Vielleicht magst du das hier gerade noch mal aufgreifen, das Beispiel.
Meike Wenzl
Ja, sehr gerne. Genau, also das Beispiel geht auch so ein wenig darauf, auf diese … Dass man eben die Kundengruppen betrachtet. Und im Idealfall werden eben diese verschiedenen Perspektiven schon bei der Produktentwicklung einbezogen, bevor das Produkt auf den Markt kommt.
Das Beispiel, das du angesprochen hast, wie ein Mobilitätsanbieter seinen Kundenstamm erweitern konnte auf Basis von Berücksichtigung von individuellen Bedürfnissen, ist das Berliner Start-up TIER. Ich glaube, das kennen sehr viele. Ich sehe jetzt auch immer mehr, ja, von diesen Moped und E-Tretrollern in München.
Dieses Start-up bietet, glaube ich, diesen Sharing-Service in zehn Ländern an und 30 % der Kundschaft sind weiblich. Kann man jetzt sich überlegen, ob das gut oder schlecht ist, und ob das vielleicht dann auch nicht einfach die Zielgruppe ist. Aber in Berlin auf jeden Fall haben vier TIER-Mitarbeiterinnen gesagt, 30 % bei so vielen Frauen in Berlin ist viel zu wenig. Und dann haben Sie mit der Unterstützung der Geschäftsleitung die Initiative Women of TIER gegründet und haben innerhalb des Unternehmens diesen Geschlechterunterschiede, was die Mobilität angeht, öffentlich gemacht und nach Wegen gesucht, ihn auszugleichen.
Einer dieser Wege war, dass sie frauenspezifische Angebote entwickelt haben, wie zum Beispiel erste Moped-Praxistrainings. Weil auf diesen Mopeds kann man zum Beispiel auch zu zweit tatsächlich fahren, also sind dafür ausgelegt, dass zwei Personen auf diesem Moped fahren. Für diese Praxistrainings war die Resonanz riesig. Also es haben sich super viele Leute angemeldet, es kamen, glaube, ich 40 oder 50 % mehr, als sich angemeldet hatten. Und dann wurde den Teilnehmerinnen von diesem Praxistraining eben erklärt, wie man das Moped verwendet, wie man das abstellt, wie man darauf fährt, wie einfach alles relativ sicher ist und wie man sich dann im hektischen Berliner Verkehr so ein bisschen zurechtfinden kann.
Nach dieser Einweisung haben die Frauen eben auf einem Parkplatz ihre ersten Runden mit den Mopeds gedreht. Ein paar hatten sogar ihre Kinder mitgebracht, um im geschützten Umfeld das Fahren zu zweit zu testen. Ein paar haben Einkäufe mitgebracht, weil sie gedacht haben: Wenn ich dieses Moped verwende, dann, wenn ich Einkaufen fahre. Und haben das damit getestet. Was dann eben TIER herausgefunden hat, ist, dass das Training enorm diese Hemmschwelle abgebaut hat, die Frauen statistisch gesehen einfach haben, wenn es um neue, ungewohnte Mobilitätsangebote geht. Und viele der Frauen, die sich da für dieses Training angemeldet haben, nutzen seitdem auch die Mopeds, das hat dann nämlich das Unternehmen getrackt.
Deswegen sollen diese Trainings auch weiterhin beibehalten werden. Und das zeigt einfach nur, also wirklich ein reales Beispiel, nicht nur aus der Theorie gesprochen, dass, wenn man sich wirklich mal darauf einlässt, auch auf individuelle Gruppenbedürfnisse einzugehen, dass das wirklich was hilft, also dass man da dann auch was dabei erreichen kann.
Sebastian
Schön auf den Punkt gebracht. Also das wäre für mich dann auch sozusagen der Abschluss, um einfach mal aufzuzeigen, was kann man besser machen in der Mobilität, wenn man den Blick eben ein Stück weit weitet, nicht nur auf diesen Stereotyp-Mann da als Musterexemplar achtet, sondern eben auf die verschiedenen Gruppen, die es da ja auch gibt, mit den verschiedenen Ansprüchen, um dann eben Mobilität entsprechend mehr in die Masse hineinzubekommen und den Mann nicht mehr als Hindernis der Mobilität zu haben, so wie du es damals so schön wie bei deinem Vortrag gesagt hattest.
Ich bin gespannt. Hoffe, dass einige Unternehmen zugehört haben, die sich das zu Herzen nehmen, die das bei ihrer Marktbetrachtung dann auch ein Stück weit in Betrachtung ziehen, einbringen. Und wir dann eben noch mehr Mobilitätswandel in Zukunft erfahren dürfen, weil man eben näher an der Zielgruppe dran ist. Vielen Dank für deine Zeit, Meike.
Meike Wenzl
Ich danke dir.
Der Beitrag Meike Wenzel über gendergerechte E-Mobilität erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.