Tesla Model 3 im Test: Das Tablet mit Auto
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Pressetestwagen des US-amerikanischen Elektroauto-Pioniers Tesla sind hierzulande vergleichsweise rar gesät, doch ein aktuelles Tesla Model 3 hat nun für fünf Tage den Weg zu uns gefunden. Und eine schönere Farbe als Deep Blue Metallic konnten wir uns für unseren Testwagen dabei gar nicht wünschen. Abholen durften wir uns das Tesla-Einstiegsmodell, also ein Tesla Model 3 Standard Range mit 208 kW (283 PS) starkem Hinterradantrieb. Mit der Metallic-Lackierung und dem vollen Potential für autonomes Fahren kostet das Fahrzeug so 50.770 Euro, wäre in Weiß und ohne Autopilot aber auch schon ab 40.990 Euro zu haben. So viel sei vorweg genommen: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist stark.
Daniel Krenzer
Die Batterie an Bord fasst netto 57,5 kWh und lässt sich theoretisch mit maximal 170 kW aufladen. Das aktuelle Tesla Model 3 ist 4,73 Meter lang, 2,09 Meter breit inklusive Spiegel sowie 1,44 Meter hoch. Gebremst darf das Model 3 bis zu 1000 Kilo ziehen, 55 Kilo Stützlast für Fahrradträger sind ebenfalls möglich. Die Anhängerkupplung kostet 1350 Euro Aufpreis.
Wie alle Teslas kann auch das Model 3 furzen. Danke Elon. Dass er – also der Wagen, nicht Musk – beileibe aber auch andere nennenswerte Eigenschaften als dieses nerdige Extra hat, davon konnten wir uns auf etwa 450 Kilometern im Testwagen überzeugen. Und das beginnt mit der Optik: Die schnittigere Front des Highland-Facelifts ist nun ein ganzes Stück gefälliger als beim Vorgänger. Und auch bei der gelegentlich gescholtenen Tesla-Verarbeitung haben wir am Testwagen nichts Negatives bemerkt.
Folgende Dinge sind uns außerdem besonders aufgefallen:
Daniel Krenzer
Die Pluspunkte des Tesla Model 3
Der Purismus: Der Innenraum im Tesla ist so aufgeräumt wie nie zuvor. Außer dem Tablet in der Mitte, dem nun hebelfreien Lenkrad, Gas- und Bremspedal sowie Sitzen und gemütlicher Innenverkleidung scheint es im Fahrzeug einfach nichts zu geben. Böse Zungen sagen, Teslas hätten gar keinen Innenraum. Doch diese auf die Spitze getriebene Schlichtheit hat designtechnisch für uns durchaus ihren Reiz. Dank der durchgehenden schmalen LED-Leiste innen wähnt man sich gerade bei Dunkelheit eher in einer Raumkapsel denn in einem Auto. Und auch hier waren die Furz-Nerds offenbar wieder im Einsatz: Passend dazu lässt sich die Landkarte im Infotainment auch mit der Marsoberfläche hinterlegen.
Daniel Krenzer
Klar, es ist zunächst gewöhnungsbedürftig, Blinker, Scheibenwischer und Co. allesamt per Lenkradtasten oder Touchscreen zu bedienen. Doch die Umstellung gelingt schnell, lässt man sich erst einmal darauf ein. Zudem funktioniert die Sprachsteuerung im Vergleich zur (vor allem asiatischen) Konkurrenz bestechend gut. Tesla denkt das Auto komplett anders als fast alle klassischen Hersteller: Am Anfang war die Software. Das Tablet ist die unangefochtene Schaltzentrale, drumherum ist dann ein dazu passendes Auto gebaut worden.
Das Infotainment: Das leitet direkt über zur großen Stärke von Tesla: die Software. Wer einmal mit einem Tesla unterwegs war, der versteht schnell, weshalb die meisten Fahrer während des Ladevorgangs zumeist in ihrem Auto sitzen, während die anderer Hersteller oft umhertigern und sich andere Beschäftigungen suchen. Im Tesla sind ein Kino, eine Spielekonsole, eine Online-Erlebniswelt und eine Karaoke-Bar integriert, sodass es drinnen nicht so schnell langweilig wird. Auch auf der Rückbank lässt sich auf einem kleinen Monitor am hinteren Ende der Mittelkonsole daran teilhaben. Und wer Spaß daran hat, kann dabei auch die Außenwelt entsprechend beschallen – Nerds sei Dank natürlich auch mit unterschiedlich durchkomponierten Furz-Arien.
Daniel Krenzer
Zudem lassen sich viele Details nach Wünschen des Fahrers einrichten – und da sind ein paar richtig clevere Sachen dabei, die wir schon bei vielen Herstellern vermisst haben. Zum Beispiel die Möglichkeit, beim Tempomaten eine automatische prozentuale Abweichung nach oben über dem erkannten Tempolimit anzugeben, um die Abweichung vom Tacho zur tatsächlichen Geschwindigkeit auszugleichen (oder wahlweise entsprechend limitierte Blitzervergehen in Kauf zu nehmen). Auch der Parkassistent mit Heat-Map zur Verdeutlichung der Abstände zu allen Seiten und Erkennung von Bodenlinien ist sehr hilfreich.
Und auch die Handy-App samt Video-Liveschaltung zum Wagen ermöglicht noch diverse Gimmicks, die weit über das Auflauern und Ärgern von Nachbarn mit gezieltem Anfurzen hinausgehen. Liegt mein Rucksack noch auf der Rückbank? Ist der Parkplatz neben dem Wagen gerade frei? Und natürlich die auch von anderen Herstellern gekannte Vorkonditionierung des Innenraums. Ein Aber gibt es jedoch: Wer den Wächter-Modus dauerhaft laufen lässt, um beispielsweise Parkrempler filmen zu können, der muss sich auf einen gewissen Stromverbrauch im Stand gefasst machen.
Die Effizienz: Obwohl das Tesla Model 3 bei Weitem nicht zu den kleinsten Elektroautos gehört, ist der Verbrauch einer der niedrigsten. Laut Bordcomputer haben wir auf unseren Testfahrten im Schnitt etwas mehr als 17 kWh verbraucht – und wir sind den Tesla natürlich auch mal ausgefahren und waren zumeist auf der Autobahn unterwegs. Im städtischen Verkehr bewegte sich die Anzeige zumeist um die 12 kWh, und selbst die allerflotteste Autobahnfahrt quittierte die Anzeige mit lediglich 20,5 kWh. Das ist sehr ordentlich und relativiert die Größe des Akkus. Selbst mit dem kleinen Akku mit seinen 57,5 nutzbaren kWh sind unter realistischen Autobahn-Bedingungen etwas mehr als 300 Kilometer Reichweite drin, so weit kommen viele andere Elektroautos mit einem etwa 75 kWh großen Akku. Wer sich für ein Tesla Model 3 interessiert, sollte also genau durchrechnen, ob der kleine Akku auf den zweiten Blick nicht sogar vollkommen ausreicht.
Daniel Krenzer
Die Elektro-Tugenden: Die Ladeplanung im Tesla ist bestechend, wenn auch limitiert auf die hauseigenen Supercharger. Doch verlässt man sich auf die Navigation, dann führt einen das Elektroauto souverän von A nach B und steuert bei Bedarf die passenden Ladestationen an. Auch das Laden ist besonders komfortabel: Wer sich mit einem Tesla-Stecker der noch verschlossenen Ladebuchse nähert, kann diese mit einem Signal vom Stecker aus öffnen lassen. Die Ladeleistung ist ebenfalls gut, wenn auch nicht überragend: Im Test sahen wir bei zwei Ladevorgängen ab 17 und 26 Prozent maximal 150 kW an Ladeleistung, im Schnitt war aber relativ lange ein Durchschnitt von mehr als 100 kW drin.
Auch das Gaspedal mit One Pedal Driving arbeitet so präzise wie bei kaum einem anderen E-Auto-Hersteller. Zudem gibt es umfangreiche Statistiken zum Energieverbrauch – inklusive Hinweisen darauf, wie sparsam das Fahrzeug bei einer maximalen Geschwindigkeit von 110 Stundenkilometern hätte sein können. Doch wie bereits erwähnt: So bedeutend viel höher fällt der Mehrverbrauch bei Tempo 130 oder 140 gar nicht aus.
Das Raumangebot: Mit 4,73 Metern ist das Model 3 freilich nicht allzu kurz, doch ist es immer noch der “kleine Tesla”. Dafür ist das Raumangebot sowohl in der ersten als auch in der zweiten Reihe sehr ordentlich, und der Kofferraum schluckt mit knapp 600 Litern ordentliche Mengen an Gepäck, auch wenn es sich aufgrund der Karosserieform um einen recht tiefen aber nicht allzu hohen Schacht handelt, in den kleine Menschen fast hineinklettern müssen und in alle Dimensionen große Gegenstände am Ende vielleicht doch nicht reinpassen. Noch einmal 88 Liter passen in den herrlich großen Frunk, der somit nicht nur Ladekabel, sondern auch mittelgroße Taschen beherbergen kann.
Die Minuspunkte des Tesla Model 3
Der Purismus: So schön das puristische Design auch ist, es bringt hier und da auch Nachteile mit sich. Mit dem in Testberichten viel erwähnten Kreisverkehr-Problem mit den Blinker-Knöpfen am Lenkrad hatten wir nicht allzu sehr zu kämpfen. Schnell gewöhnt man sich daran, den Finger schon beim Einfahren in den Kreisverkehr an die passende Stelle zu legen und dort zu lassen. In Frankreich könnte das auf Dauer zu Sehnenentzündungen führen, in Deutschland geht das soweit ganz gut. Als ein wenig unschön empfinden wir jedoch den Umstand, dass in Ermangelung eines Tachos die wesentlichen Informationen wie die aktuelle Geschwindigkeit, aber auch Uhrzeit, Akkustand und Co. für den Fahrer nicht mittig, sondern immer rechts auf dem Tablet abzulesen sind.
Für unseren Geschmack wäre hier ein Head-Up-Display ganz klar die zu favorisierende Lösung. Damit bliebe das edle und puristische Design erhalten, doch der Fahrer hätte die wichtigsten Informationen dort, wo er sowieso hinschaut. Auch nicht so richtig praktisch sind die Türgriffe, wenn man Dinge in der Hand hat. Da lassen sich viele Türen anderer Hersteller mit Keyless-Funktion leichter öffnen.
Der Autopilot: Noch viel lernen muss der Autopilot. Wer ihn einschaltet, der bekommt ein ganz gutes Gefühl dafür, woran es beim autonomen Fahren noch hapern dürfte. Zwar erkennt die aktuelle Beta-Version auch Stoppschilder und Ampeln, doch nicht immer und auch nicht immer zuverlässig. Aktiviert man den automatischen Fahrassistenten, dann navigiert dieser manchmal zunächst souverän durch den Verkehr, um sich dann aber von einer Belanglosigkeit aus dem Konzept bringen zu lassen und mit einem Piepton wieder an den Fahrer zu übergeben. So hätte er uns im Test einmal fast mit Tempo 40 gegen den Bordstein fahren lassen, als der Autopilot erst in dessen Richtung steuerte, dann aber frei nach dem Motto “Ich war das nicht” kurzfristig noch die Verantwortung an uns zurückgab.
So großartig die Idee von möglichst selbst fahrenden Autos ist, so wenig vorhersehbar für den Computer ist das tatsächliche Geschehen auf den Straßen offenbar. Aber wie wir wissen, lernt die KI schnell. Abschreiben sollte man den Autopiloten trotz noch eklatanter Schwierigkeiten noch lange nicht. Und wer einen Tesla fährt, sollte ihn dennoch ab und zu mal aktivieren und sehr aufmerksam nutzen – und die Daten mit Tesla teilen, damit diese Schwäche bald zur Stärke werden kann. Das wäre sicherlich der weitaus größere Game Changer als das Anfurzen von unbedarften Nachbarn.
Daniel Krenzer
Die Tempofahrt: Zwar peitscht der Tesla auch mit nur einem Motor kräftig nach vorne und schafft bis zu 201 Stundenkilometer, so richtig angenehm fährt es sich bei allzu hohen Geschwindigkeiten aber nicht. Zwar hat sich die Federung dem Vernehmen nach deutlich gegenüber dem Vorgänger verbessert und auch die Straßenlage ist besser geworden, manch andere tempofreudige Elektroautos liegen bei 180 Stundenkilometern und aufwärts aber deutlich satter auf der Straße. Zwischensprints mit dem Tesla Model 3 in der Standard-Version sind wunderbar, doch am wohlsten fühlt sich die Limousine bei Reisegeschwindigkeiten von 130 bis 140 Stundenkilometern. Und dann kommt ja auch die bestechende Effizienz besonders zur Geltung.
Fazit
Das Tesla Model 3 ist ein großartiges Elektroauto, an dem sich dennoch die Geister scheiden. Zum einen ist das dem Purismus bedingungslos untergeordnete Bedienkonzept sowie die konsequente Software-Fixierung gewöhnungsbedürftig und könnte manche Kunden abschrecken. Zum anderen ist die Marke Tesla nach wie vor ein wenig speziell – nicht zuletzt aufgrund seines exzentrischen Gründers Elon Musk.
Man kann sich regelrecht vorstellen, wie Typen wie aus der Serie Big Bang Theory zusammenhocken und ein geniales Auto entwickeln, es aber an allen Ecken und Enden mit nerdigem Quatsch versehen. Muss man freilich nicht nutzen, aber allein das Wissen, dass das Auto furzen kann, könnte Teile der potentiellen Käuferschaft verunsichern. Andere hingegen begeistern gerade diese Gags in Verbindung mit der großartigen Software-Umsetzung in besonderem Maße. Kurz und knapp: Ein Tesla ist ein in vielen Dingen perfektes Elektroauto, trotzdem passt es nicht zu jedem. Wir steigen aber auf jeden Fall gerne wieder ein.
Transparenz-Hinweis: Tesla hat uns das Fahrzeug für fünf Tage kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst nicht die hier niedergeschriebene Meinung.
Daniel Krenzer
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