E-Autos: Wie Deutschland das 15-Millionen-Ziel erreichen kann
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Um das Ziel von 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu erreichen, ist der Automobilstandort Deutschland auf ein Maßnahmenbündel der Bundesregierung und auf chinesische Hersteller angewiesen. Mit seinem aktuellen Kurs wird Deutschland die Zielmarke um rund 6 Millionen Autos verfehlen. Das zeigt eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende und der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG), die die Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland im internationalen Wettbewerb analysiert. Höhere Importzölle auf Elektroautos aus China würden demnach zu höheren Preisen für Kundinnen und Kunden führen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gefährden.
„Wer Klimaziele erreichen und den Automobilstandort Deutschland langfristig sichern will, sollte sich für einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität unter Einbeziehung chinesischer Unternehmen einsetzen“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Das mag auf den ersten Blick paradox klingen, aber ein schneller Strukturwandel zu Elektromobilität trägt auch zu mehr Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China bei. Der Aufbau von europäischen Wertschöpfungsketten für Batterien macht unabhängiger von Chinas dominierender Marktstellung“.
Eine rasche Ansiedlung chinesischer Unternehmen in Europa „nach gemeinsamen Spielregeln schafft mehr Wertschöpfung als Importe“, so Hochfeld weiter. Gleichzeitig biete sich so die Gelegenheit, „in Technologiebereichen wie der Batterie durch Kooperationen Entwicklungsrückstände aufzuholen. Importzölle oder gar eine weitergehende Abschottung von China würde für deutsche Unternehmen kaum kalkulierbare Risiken mit sich bringen. Gerade im Bereich niedrigpreisiger Kleinfahrzeuge können chinesische Produkte helfen, den Markthochlauf für E-Autos in Europa zu beschleunigen“, sagt der Direktor von Agora Verkehrswende. „Dies sollten die Bundesregierung und die EU bei den Verhandlungen über Importzölle auf Elektroautos aus China berücksichtigen.“
Nach den Berechnungen der Autoren werden chinesische Hersteller bei einem Szenario, mit dem die 15 Millionen bis 2030 erreicht werden können, einen Marktanteil von 15 Prozent am Bestand von Elektroautos in Deutschland haben. Das entspricht etwa 2,2 Millionen Autos, insbesondere in niedrigpreisigen Segmenten. Bei einer Erhöhung der Importzölle in der auf europäischer Ebene vorgesehenen Größenordnung von 20 bis 40 Prozentpunkten würde Deutschland sein 15-Millionen-Ziel um 1,3 bis 2,4 Millionen Autos verfehlen, selbst wenn die Bundesregierung gleichzeitig weitreichende Maßnahmen für den Markthochlauf von Elektroautos ergreift.
Alle politischen und wirtschaftlichen Hebel umlegen
Anhand eines Zielerreichungsszenarios zeigt die Studie, dass die 6-Millionen-Lücke bis 2030 nur noch dann zu schließen ist, wenn alle politischen und wirtschaftlichen Hebel umgelegt werden. Wirtschaftliche Anreize, die Elektroautos günstiger und Verbrennerfahrzeuge teurer machen, seien etwa über die Kfz-Steuer und die Dienstwagenbesteuerung möglich. Die Kfz-Steuer könne dafür bei der Erstzulassung ansetzen und stärker am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden, wie es etwa in Frankreich der Fall ist, wo auf besonders klimaschädliche Verbrenner eine einmalige CO2-Strafsteuer von bis zu 60.000 Euro fällig wird. Im Ordnungsrecht stehen auch Instrumente wie Quoten für Hersteller und gewerbliche Flotten zur Wahl, um den Marktanteil von Elektroautos zu steigern.
Im Zielerreichungsszenario wurde beispielhaft eine Kfz-Steuerreform und eine Quote für gewerbliche Flotten modelliert. Das führt bis 2030 zu insgesamt 4,2 Millionen zusätzlichen Neuzulassungen von Elektroautos: 1,1 Millionen private und 3,1 Millionen gewerbliche. Der schnellere Ausbau der Ladeinfrastruktur würde demnach zu einem Plus von etwa 0,3 Millionen E-Autos führen. Vergleichbare Effekte ließen sich auch durch andere Kombinationen aus Anreizen und Ordnungsrecht erzielen, doch diese Maßnahmenbündel reichten nicht aus, um die Lücke zu schließen. Dafür sei die stärkere Einbindung von chinesischen Herstellern erforderlich. Gemäß Zielerreichungsszenario könne nur dann die Zahl der Elektroautos in Deutschland bis 2030 um weitere 1,5 Millionen auf insgesamt 15 Millionen erhöht werden.
Kristian Kuhlmann, Co-Autor der Studie und Partner bei BCG, sagt: „Um das 15-Millionen-Ziel zu erreichen, sind gut aufeinander abgestimmte regulatorische Initiativen notwendig. Die Industrie braucht verlässliche Rahmenbedingungen und damit Planungssicherheit. Strafzölle führen zu Unsicherheit bei Investoren, Verbrauchern und Herstellern. Letztere sollten sich darauf konzentrieren, ein attraktives und international konkurrenzfähiges Angebot an Elektroautos auf den Markt zu bringen.“
Beschäftigung sichern und Kosten senken
Bei den Beschäftigungseffekten bietet das Zielerreichungsszenario der Studie mittel- und langfristig deutlich bessere Perspektiven – trotz großer Veränderungen durch die Transformation. Bis 2030 werde die Zahl der Arbeitsplätze in der Kernautomobilindustrie im Vergleich zu heute um rund acht Prozent zurückgehen. Gleichzeitig würden neue Arbeitsplätze in angrenzenden Industrien entstehen, zum Beispiel rund um Batterieproduktion, erneuerbare Energien und Ladeinfrastruktur. Dies bringe allerdings auch einen großen Bedarf an Schulung und Weiterbildung mit sich. Bei längerem Festhalten am Verbrennungsmotor und langsamerem Hochlauf der Elektromobilität sei langfristig mit deutlich höheren Jobverlusten in der Kernautomobilindustrie zu rechnen.
Den gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsbedarf für das Erreichen des 15-Millionen-Ziels bis 2030 beziffert die Studie auf 45 bis 65 Milliarden Euro: für zusätzliche Kaufanreize, den Ausgleich von Mehrkosten und die Ladeinfrastruktur. Wie hoch der Finanzierungsbedarf genau ausfällt und wie er sich auf Staat, Hersteller und Verbraucher verteilt, hänge stark von der Ausgestaltung des konkreten Maßnahmenbündels ab.
Ohne Kurswechsel würden auch über 2030 hinaus voraussichtlich deutlich höhere Kosten anfallen: für den Verlust von Marktanteilen und Arbeitsplätzen, für sinkende Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen, für Ausgleichszahlungen und Strafen wegen Verstoßes gegen internationale Klimaschutzvereinbarungen und für Schäden durch die Folgen der Erderhitzung, die eine aktuelle Studie jüngst auf 38 Billionen US-Dollar pro Jahr schätzte.
Das E-Auto „nutzt dem Klima und dem Automobilstandort Deutschland“
Christian Hochfeld: „Am Beispiel der Automobilindustrie zeigt sich, wie eng Industrie- und Klimapolitik mittlerweile verbunden sind. Die Zukunft fährt elektrisch – das nutzt dem Klima und dem Automobilstandort Deutschland. Doch nur mit gut zureden kommen wir nicht in dieser Zukunft an. E-Fuels und Wasserstoff sind im Pkw-Bereich keine echte Alternative. Längliche öffentliche Debatten darüber halten aber schon heute Kundinnen und Kunden vom Umstieg ab“.
Was zu tun ist, liege auf der Hand, so Hochfeld abschließend: „Es braucht jetzt das konsequente Handeln aller Akteure. 15 Millionen E-Autos bis 2030 und Klimaneutralität 2045 erfordern einen raschen und forcierten Wechsel zur Elektromobilität. So günstig wie heute wird es nie wieder sein – und wahrscheinlich ist es die letzte Chance. Worauf warten wir noch?“
Quelle: Agora Verkehrswende – Pressemitteilung vom 31.07.2024
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