Aerodynamik-Tricks bei E-Autos für mehr Reichweite
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Mit der Elektromobilität verschieben sich auch die Prioritäten im Automobilbau. Die Aerodynamik rückt verstärkt in den Fokus. Mit dem Anschrauben von ein paar Spoilern ist es nicht getan. Die Herausforderung ist komplex und beeinflusst auch die Akustik sowie das Thermomanagement.
Bei manchen Automobilherstellern wurden die Aerodynamiker gerne als „Rosentechniker“ belächelt. Statt immer mehr PS-Power aus Motoren herauszukitzeln, kümmern sich die Windkanalspezialisten um das Durchschneiden der Luft. Mit Elektroautos ändern sich auch die Prioritäten. Im WLTP-Zyklus macht der Luftwiderstand 40 Prozent des Verbrauchs aus und 34 Prozent der Energie der Batterie wird dazu verwendet, um den Luftwiderstand zu überwinden. Beim Verbrennungsmotor sind es dagegen nur zehn Prozent.
Der Elektroantrieb ist sehr effizient, daher wird ein größerer Anteil für die Fortbewegung aufgewendet. Daran erkennt man, dass bei der Elektromobilität die Karten neu gemischt werden. Hinter der Tüftelei im Windkanal stehen auch knallharte wirtschaftliche Interessen. „Aerodynamik ist günstiger als eine große Batterie“, stellt Dr. Moni Islam, Leiter der Aerodynamik- und Aeroakustikentwicklung bei Audi klar.
Eigentlich sollte man meinen, dass ein Elektroauto von Natur aus auf Windschlüpfrigkeit ausgelegt ist. Während bei einem Auto mit Verbrennungsmotor der Unterboden aufgrund des Triebwerks, der Auspuffanlage und unter Umständen einer Kardanwelle zerklüftet ist, hat ein Elektroauto aufgrund der Batterie, die Teil der Karosseriestruktur ist, in der Regel einen glatten Unterboden. Dass dieser Umstand einem niedrigen cw-Wert zuträglich ist, liegt auf der Hand.
Größere Reifen und komplexe Kühlmaßnahmen
Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Elektromobilität hat im Windkanal mit anderen Herausforderungen zu kämpfen. „E-Autos haben größere Reifen, um das Gewicht zu tragen. Das ist für uns Aerodynamiker ein wichtiges Thema“, erklärt Moni Islam. Dazu kommen die aufwendigen Kühlmaßnahmen, die viel anspruchsvoller sind als beim Verbrenner. Aufgrund des höheren Gewichts des Elektroautos müssen die Bremsen mehr Arbeit verrichten und entsprechend gekühlt werden. Um diese komplexe Aufgabe zu lösen, setzen die Windkünstler auf steuerbare aktive Kühlsysteme, wie zum Beispiel die sich öffnenden und schließenden Lamellen der Frontschürze.
Eine effiziente Kühlung ermöglicht dann auch die Verwendung von aerodynamischen Felgen, die meistens geschlossener sind als die bei Autos mit Verbrennungsmotor. Die Software, die das Thermomanagement für die Kühlung der Bremsen und des Antriebs steuert, ist sehr komplex, da sie in allen Betriebspunkten eine ausreichende Kühlung gewährleisten muss. Nur wenn das der Fall ist, können auch die aerodynamischen Air Curtains, die die Luft „sauber“ um die Vorderräder leiten, voll ausgenutzt werden. „Das Thermomanagement und die Aerodynamik müssen schon bei der Entwicklung einer Plattform berücksichtigt werden“, sagt Moni Islam. Andererseits lässt ein effizientes Thermomanagement den Designern mehr Spielraum.
SUV: Eine besondere Herausforderung
Bei den beliebten SUVs kommen noch weitere Faktoren hinzu. Jeder Zentimeter, den das Auto höher steht, mach etwa drei Kilometer Reichweite aus. „Und das ist nur die Trimmlage“, verdeutlicht Moni Islam. Dazu kommen noch aerodynamisch ungünstige Faktoren, wie die großen Reifen, die ausgestellten Radhäuser und vor allem das kastenförmige Design der Stelzen-Stromer. Schon beim bloßen Hinsehen erkennt man, dass diese Silhouette weit von der Stromlinienform eines Fisches entfernt ist. Umso wichtiger ist es, dass die Aerodynamiker bei solchen Autos alle Register ziehen, um den cw-Wert unter die magische Grenze von 0,30 zu drücken. Der Porsche Macan E zum Beispiel hat einen cw-Wert von 0,25.
Um den cw-Wert von 0,21 beim Audi A6 e-tron Sportback mit einer Maximal-Reichweite von mehr als 750 Kilometern zu erreichen, sind zahlreiche Maßnahmen nötig. Die digitalen Außenspiegel bringen sieben Kilometer Reichweite netto (der Stromverbrauch der Displays ist berücksichtigt). An diesem Teil entzündete sich ein Disput zwischen Aerodynamikern und Designern. Die windschlüpfigste Lösung wäre, den Kameraspiegel nach hinten abzusenken, was optisch eine Katastrophe ist. Der Kompromiss besteht in einer kleinen Stufe an der Unterseite der Verkleidung.
Dass die Windkanalspezialisten nicht immer ihren Willen bekommen, sieht man auch an dem kleinen Heckspoiler des S6 e-tron Sportback, der für den nötigen Abtrieb sorgt, ohne den cw-Wert maßgeblich zu verschlechtern. Das Heck ist ohnehin der neuralgische Punkt eines jeden Autos. „Der Schlüssel zur Aerodynamik ist der Nachlauf“, sagt Moni Islam. Je kompakter beziehungsweiser schmaler die Luftströme von oben und unten zusammenlaufen, desto windschlüpfriger ist das Vehikel. Vergleicht man den A6 e-tron Sportback mit seiner nach hinten stark abfallenden Dachlinie und den Kombi A6 e-tron Avant gegenüber, erkennt man, wie sehr sich die Luftströmungslinien beziehungsweise deren Verlauf unterscheiden.
Feinarbeit im Windkanal: Der Unterboden als Spielwiese
Die Klaviatur, auf der die Aerodynamiker spielen, ist umfangreich. Was die Aufgabe so anspruchsvoll macht, ist die Tatsache, dass sich jede Maßnahme auf andere Bereiche des Autos auswirkt. Das gilt vor allem für den Unterboden, der zunehmend zur wichtigen Spielwiese der Aerodynamiker wird und mit spannenden aerodynamischen Kniffen gespickt ist. Vor den Vorderrädern befindet sich ein Anstromkörper, der das Rad quasi in die Länge zieht, indem er den Luftstrom so beruhigt, dass die Pneus geschmeidiger umströmt werden.
Das setzt sich am Heck fort. Vor den Hinterrädern befindet sich ebenfalls ein kleiner Spoiler, und beim Sportback beruhigt ein vier Millimeter hoher Gurney-Flap die Luft vor der Hinterachse. Beim Avant fehlt dieses Bauteil, weil es die Anströmung des kleinen Spoilers am Ende des Diffusors stören würde. Dieser Diffusorspoiler ist aber wichtig, da er dafür sorgt, dass die Luftströmung zu der des Daches passt. Wie sensibel das Aero-System ist und wie groß der Einfluss der einzelnen Teile, zeigt sich daran, dass beim Avant der vordere Anstromkörper anders geformt ist als beim Sportback.
Ein wichtiger Aspekt, den die Windmeister ebenfalls auf der Rechnung haben müssen, ist die Akustik. Da das Geräusch des Verbrennungsmotors wegfällt, fallen die des Windes deutlich mehr auf. Ein Elektroauto sollte leise sein, auch und vor allem im Innenraum.
Natürlich bringen Computersimulationen viel, aber das Tüfteln im Windkanal ist nach wie vor extrem wichtig. Schließlich geht es um Millimeter, und jedes zusätzliche Teil am Auto macht die Produktion komplexer und teurer. Wie wichtig die Praxistests nach wie vor sind, zeigt die Tatsache, dass die Aerodynamiker die Größe der Anbauteile nach den Wintertests noch einmal ändern mussten, da sich bei den Probefahrten herausgestellt hatte, dass sich Schneeklumpen in den Spoilern gefangen hatten.
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