VW ID.7 GTX Tourer Fahrbericht: Elektrische Kombination für die Kombi-Nation
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Mit dem ID.7 Tourer hat Volkswagen nun auch eine elektrische Rucksackvariante der Limousine im Programm. Das neue Modell gibt es als Pro, Pro S und allradgetriebenen GTX. Mit 86-kWh-Kapazität erhält der dynamischste Siebener den aktuell größten VW-Akku, 340 PS machen ihn außerdem zum bisher stärksten Kombi der Marke. Großer Fahrbericht von und mit Elektroauto-News.net.
SUVs schwimmen auf der Trendwelle und erfreuen sich ungezügelter Beliebtheit. Sie punkten mit größerer Bodenfreiheit, erhöhter Übersicht im Straßenverkehr und gerne auch mal mit bis zu sieben Sitzen. Doch vor allem in Europa, insbesondere in Deutschland, ist die klassische Karosserieform des Kombis noch lange nicht abgeschrieben. Weit über 400.000 langgestreckte Steilhecks gingen im letzten Jahr hierzulande über die Autohaustheke. Kombis wie der VW Passat Variant zählen weiterhin zur Spitze der Mittelklasse, auch wenn sie in den vergangenen Jahren an Aufmerksamkeit verloren haben.
Schade eigentlich, denn ohne sie wären manche Berufe, wie der des Handelsvertreters, kaum denkbar. Spaß beiseite. Nicht nur im Außendienst sind die Kombis beliebt, faktisch schätzen auch Familien und sportlich versierte Alltagsfahrer die bewährte Form. Abschreiben sollte man diese also noch lange nicht, das sehen auch die Wolfsburger so.
Den Passat Variant gibt es nunmehr als neunte Generation, er ist als Benziner, Diesel, Mild- oder Plug-in-Hybrid erhältlich. Noch größer wird die Auswahl mit dem neuen ID.7 Tourer, der das Kombisegment erstmals um eine vollelektrische Variante erweitert. Zur Wahl stehen die Modelle Pro, Pro S und GTX, die sich durch ihre Antriebsform und Batteriegröße unterscheiden. Der Pro (ab 54.795 Euro) markiert den Einstieg in die ID.7-Tourer-Welt, er besitzt den bekannten 77-kWh-Akku, wird über die Hinterräder angetrieben und leistet 210 kW (286 PS). Der Pro S (ab 59.785 Euro) besitzt den gleichen Antrieb, setzt wie das Topmodell GTX aber auf die bisher größte Batterie von VW mit 86 kWh Nettokapazität (91 kWh brutto). So qualifiziert sich das mittlere Modell als effizienteste Variante, für die Volkswagen eine WLTP-Reichweite von knapp 700 Kilometern angibt.
Am oberen Ende des Tourer-Portfolios rangiert der besagte GTX (ab 63.955 Euro) mit ebengleicher Batteriegröße, der – Stand jetzt – das einzige Allradmodell des ID.7 ist. Mit 250 kW (340 PS) sei er zudem der stärkste aller jemals gebauten Volkswagen-Kombis, verkündete der Hersteller im Rahmen der Fahrpräsentation stolz. Ob das eine gute Kombination ist, möchten wir nun im Stockholmer Umland herausfahren.
Die Limousine und der Tourer sind exakt gleich lang: 4,96 Meter. Dennoch wirkt der Kombi größer, und bietet aufgrund der Dachlinie etwas mehr Kofferraum. | Bild: Volkswagen
Größer als der Passat, trotzdem kleinerer Kofferraum
Erst einmal Heckklappe auf, Koffer einpacken. Da passen mehrere locker hinein, bietet der ID.7 Tourer immerhin 605 Liter (Limousine: 532 Liter), sofern sich die Rücksitze in Cargostellung befinden. Im Vergleich zum Passat müssen kleinere Abstriche gemacht werden, jener bietet 690 Liter. Beide Gepäckabteile bieten knapp das Dreifache beim Umlegen der Rückbank. Doch ist der ID.7 Tourer der größere Volkswagen, mit 4,96 Metern Länge und knapp drei Metern Radstand schlägt er den Platzhirschen um ein paar effektvolle Zentimeter. Auch wirkt er mächtiger als die ID.7 Limousine, laut Datenblatt sind sie jedoch gleich lang. Dennoch liegt die langgestreckte Steilheckversion aerodynamisch auf ähnlichem Level wie die Limousine, mit einem cW-Wert von 0,24 zu 0,23 fällt der Unterschied nur marginal aus.
Als Erkennungsmerkmal ziehen neu designte Stoßfänger mit Wabengittern an die Front und das Heck. Generell in Hochglanzschwarz ausgeführt sind bei den GTX der untere Karosseriebereich, die GTX-Schriftzüge an der Seite und am Heck sowie das Dach. Außerdem verfügen nur sie über spezielle Tagfahrlichter, serienmäßige LED-Matrixscheinwerfer weisen den nächtlichen Weg. Und als ob das bisher nicht genug wäre, fährt der ID.7 GTX Tourer nicht nur einen leuchtenden LED-Zierstreifen, sondern auch ein illuminiertes VW-Logo spazieren.
Kirmesfans dürften sich auch an einem individualisierbaren Rücklichtelement mit dynamischen Blinkern erfreuen. Wie es der Touareg vorgemacht hat, strahlt auch hier ein rotes VW-Emblem. Serienmäßig werden 20 Zoll große Felgen montiert, auf Wunsch gibt es 21 Zoll. Hinter den Rädern verbirgt sich an der Hinterachse eine ausreichende Trommelbremse, die Vorderachse wird mit einfach-silbernen Bremssätteln eingebremst, was dem Perfektionisten nicht so sehr gefallen dürfte. Rote Bremssättel mit GTX-Schriftzug schreiben wir deshalb auf unsere Wunschliste, liebes VW-Team.
Kommandozentrale à la ID.7, angereichert mit etwas sportlichem Rot. Das 15 Zoll große Infotainmentdisplay dominiert den Innenraum. | Bild: Volkswagen
Der Innenraum hat viel zu bieten, nur keine Tasten
Wunschlos glücklich dürften selbst überdurchschnittlich große Menschen im großzügigen Innenraum sein, der sich beim Topmodell lediglich durch rote Biesen am Armaturenträger, an den Türverkleidungen sowie roten Nähten am Lenkrad und den Sitzen von den Pro-Modellen unterscheidet. Außerdem lässt sich der GTX-Schriftzug an der Lenkradspange und als Prägung auf dem Gestühl finden. Vor allem das Platzangebot und insbesondere die Kniefreiheit im Fond befinden sich nicht zuletzt wegen der MEB-Plattform und des großen Radstands mindestens auf Passat-Niveau.
Ohnehin wirkt das Interieur dank optionalem Panoramaglasdach luftiger als ohne. Jenes lässt sich über die Touchbedienung oder einen Sprachbefehl zu blickdichtem Milchglas verwandeln, möglich wird das mit einer Schicht Flüssigkristallen im Glas, die auf elektrische Spannung reagieren. Die komfortablen und gut stützenden Sitze sind mit Kunstleder und Alcantara-ähnlicher Mikrofaser bezogen. Im Testobjekt befinden sich in erster Reihe aufpreispflichtige ErgoActive-Sitze mit elektrischer 12-Wege-Verstellung und Massagefunktion, die noch ein wenig mehr Komfort bieten.
Der ID.7 hinterlässt einen guten Eindruck bei der Verarbeitung, die Materialauswahl fällt besser aus als bei ID.3, ID.4 und ID.5. Als hauptsächliche Informationsquelle dient das ab Werk verbaute Head-up-Display, weswegen der digitale Tacho vor dem Lenkrad ziemlich klein ausfällt und dem eines Mäusekinos gleicht. Der zentrale Infotainmentbildschirm ist 15 Zoll groß (38 cm Diagonale) und nimmt dafür umso mehr Raum ein. Anders als bei IDs der ersten Stunde zeigte sich das KI-gestützte System reaktionsschnell und stabil laufend. Die Menge der Funktionen sorgt anfänglich für Überforderung, nach kurzer Eingewöhnungszeit kommt man aber auch als Analogfan gut zurecht. Wer nicht touchen möchte, aktiviert die Sprachsteuerung mit „Hallo, Ida“. Sie verstand auf Anhieb Befehle wie „Dunkle mir das Glasdach ab“ oder „Stelle die Klimaanlage kühler“ und setzte sie zügig um. Wer einen schlechten Tag hat, kann sich Witze erzählen lassen, auch wenn diese zumeist sehr flach ausfallen.
VW ID.7 GTX Tourer: In 5,5 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, bei 180 km/h ist Schluss. | Bild: Volkswagen
Dynamische Talente trotz des hohen Leergewichts
Sicherheitsgedanke in allen Ehren, doch vor Fahrtantritt deaktivieren wir erst mal die akustische Geschwindigkeitswarnung, die ansonsten ziemlich nervig sein kann. Lautlos surren wir vom Hof, mit nahezu vollem Akku zeigt uns der ID.7 bei 24 Grad Außentemperatur fast 600 Kilometer Reichweite an. Bestens gewappnet treten wir nun unsere fast zweistündige Reise an, auch wenn das schwedische Tempolimit kaum Spielraum für dynamische Vollstromorgien lässt. Für einen Spurttest von null auf 100 km/h befinden wir uns noch im gesetzlichen Rahmen, das Ansprechverhalten und die vibrationsarme Beschleunigung ist Elektroauto-typisch mustergültig. Laut Volkswagen spurtet der ID.7 GTX Tourer in 5,5 Sekunden auf Landstraßentempo. Subjektiv fühlt es sich schneller an, auch weil die 545 Newtonmeter Systemdrehmoment unmittelbar anliegen und den 2,3 Tonnen schweren Allrad-Kombi ordentlich voranschieben.
Im Gegensatz zum Brot-und-Butter-Modell bekommt die GTX-Version zwei Elektromotoren. Zu dem AP550 genannten PSM-Elektromotor mit 210 kW (286 PS) an der Hinterachse gesellt sich eine ASM-Maschine mit 80 kW (109 PS) an der Vorderachse, die nur bei Bedarf zugeschaltet wird. Tatsächlich geht der GTX wie nix, auch über 100 km/h. Der Schub nimmt bis zur Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h aber aus Effizienzgründen merklich ab.
Ein großes Lob verdient das Fahrverhalten. Die serienmäßige Progressivlenkung fühlt sich perfekt an, präzise und dennoch komfortabel. Auch glänzt der ID.7 GTX Tourer in VWs Paradedisziplin, dem Fahrwerk. Mit einer Fünflenkerachse und stärkeren Stabilisatoren ausgestattet, gesellt sich optional die adaptive Fahrwerksregelung DCC hinzu. Der Fahrdynamikmanager steuert in Verbindung mit dem Allradregler, der elektronischen Differenzialsperre XDS+ und dem ESC-Sportmodus das Zusammenspiel aller Systeme. Ergebnis ist ein sehr dynamisches Fahrverhalten, das in Kombination mit dem ruhigen Elektroantrieb fasziniert. Die Härte der Dämpfung lässt sich vielfach zwischen Komfort und Sport verstellen, Unterschiede spüren nicht nur Feingeister.
Der cW-Wert des Tourers ist kaum schlechter als von der Limousine: 0,24. | Bild: Volkswagen
Laden mit bis zu 200 kW
Inzwischen ist die im Kombiinstrument angezeigte Reichweite ein wenig gesunken, der Kurzzeitverbrauch liegt bei knapp über 20 kWh. Kein aussagekräftiger Wert, zu kurz ist die Testzeit und zu experimentierfreudig waren wir beim Fahren. Doch scheint das in Anbetracht der Werksangabe von rund 18 kWh nicht unrealistisch. Ein späterer Test wird Licht ins Dunkel bringen. Deshalb muss auch nicht geladen werden, doch verspricht Volkswagen eine kurzzeitig maximale Ladeleistung von 200 kW. Unter Idealbedingungen könne die Batterie somit in weniger als einer halben Stunde von zehn auf 80 Prozent geladen werden. Es empfiehlt sich, die priorisierte Ladesäule mithilfe des Navis und einer aktiven Routenführung anzusteuern, da dann die Batterie vorkonditioniert wird. Sowieso nehmen Software und dazugehörige Spielereien im Auto längst eine übergeordnete Rolle ein.
So haben die Wolfsburger die integrierte Gaming-Plattform AirConsole um neue Spiele erweitert, damit es beim Laden nicht allzu langweilig wird. Für eine Erfrischung, Entspannung oder Pause (bei stehendem Auto) sorgen soll hingegen die Wellness-In-Car-App, die verschiedene Fahrzeugfunktionen kombiniert, darunter die Klimaanalage, das Ambientelicht und die Massagefunktion der Sitze. Bereits ab Werk ist der nicht ganz günstige ID.7 GTX Tourer gut ausgestattet, das gilt auch für die Assistenzsysteme. Spurhalte- und Spurwechselassistent, Ausstiegswarner, Abbiege- und Ausweichunterstützung, automatische Distanzregelung, Verkehrszeichenerkennung, Rückfahrkamera und Einparkhilfe sind bereits an Bord, weitere Sicherheitssysteme wie der teilautonome und verbesserte Travel Assist können dazu bestellt werden. Jener wurde noch stärker mit Onlinedaten vernetzt und trägt ab sofort den Zusatz Connected.
Bietet tendenziell mehr Reichweite: Der schwächere Pro S (210 kW) setzt auf die Batterie des GTX, hat aber nur eine E-Maschine an der Hinterachse und somit Heckantrieb | Bild: Volkswagen
Wir sind zufrieden. Der ID.7 GTX Tourer ist ein gelungener VW-Kombi der neuen Generation und sicherlich auch für kilometerfressende Außendienstler geeignet. Er funktioniert gut, fühlt sich wertig an, fährt sich klasse, nervt allenfalls mit seinem Tempolimit-Warner. Dafür kann Volkswagen aber nur bedingt etwas. Wenn sich die angegebene Reichweite von über 580 Kilometer auch in der Praxis bestätigt, gibt es kaum etwas zum Meckern. Der schwächere Pro S mit gleicher Batterie soll 100 Kilometer weiter kommen. Ein fahrdynamischer Unterschied zum GTX lässt sich im Alltag kaum spüren, zumal er gefühlt nicht weniger marschiert. Ob der Aufpreis von 4000 Euro für das Topmodell gut angelegtes Geld ist, muss der Kunde schließlich selbst entscheiden.
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