Sparprogramm bei VW: Harte Maßnahmen und offene Konflikte
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Bei Volkswagen hat sich die Lage zugespitzt. Nach der Ankündigung eines umfangreichen Sparprogramms für die Kernmarke Volkswagen kommt es nun zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Unternehmensführung und dem Betriebsrat, wie diverse Medien berichten. Auf der Betriebsversammlung am Mittwoch standen sich Finanzchef Arno Antlitz, Markenchef Thomas Schäfer und Betriebsratschefin Daniela Cavallo in einer hitzigen Debatte gegenüber. Vor mehr als 15.000 Mitarbeiter:innen machte Antlitz deutlich, wie ernst die Lage ist.
Der VW-Finanzchef erklärte in seiner Rede, dass das Unternehmen in Europa mit einem erheblichen Rückgang der Verkaufszahlen zu kämpfen habe. “Zurzeit werden in Europa zwei Millionen Autos weniger verkauft als vor der Pandemie,” erläuterte Antlitz. Vor COVID-19 seien in Europa rund 16 Millionen Autos jährlich verkauft worden. Diese Zahl sei während und nach der Pandemie auf etwa 12 Millionen gesunken, hauptsächlich wegen des Mangels an Halbleitern. Obwohl sich der Markt leicht erholt habe, erwarte man künftig nicht mehr als 14 Millionen verkaufte Autos pro Jahr. Volkswagen sei mit einem Marktanteil von etwa 25 Prozent der größte Autohersteller in Europa, betonte Antlitz. Doch selbst für den Branchenriesen fehlten nun 500.000 verkaufte Autos. Diese Einbußen entsprächen den Produktionskapazitäten von zwei Werken. Der Finanzchef warnte: “Das hat nichts mit der Qualität unserer Produkte zu tun, sondern mit einem Markt, der einfach nicht mehr vorhanden ist.”
VW spielt mit dem Gedanken, zwei deutsche Werke zu schließen
Bisher wurden immer wieder Spekulationen über die Schließung eines deutschen Standorts laut. Nun deutete Antlitz sogar an, dass zwei Werke überflüssig werden könnten – eine deutliche Verschärfung der Diskussion. Dabei geht es nicht nur um die Kernmarke Volkswagen, sondern um den gesamten Konzern. Insbesondere das Audi-Werk in Brüssel wird in diesem Zusammenhang genannt und könnte bald geschlossen werden. Der Autohersteller hat offiziell bestätigt, dass es zeitnah kein neues Modell für die Produktion in der belgischen Hauptstadt geben wird. Diese Entscheidung wurde am Dienstag während eines Treffens des Unternehmensrats bekannt gegeben. Audi erklärte, dass weder eine andere Marke des Volkswagen-Konzerns noch ein externes Modell die Produktion am Standort übernehmen wird. Für das Werk bleibt somit nur die Hoffnung auf einen externen Investor oder einen anderen Hersteller, der den Standort übernimmt. Sollte kein Käufer gefunden werden, wird die Produktion im Brüsseler Stadtteil Vorst enden.
Volkswagen | Vorstandsmitglied Arno Antlitz – Geschäftsbereich Finanzen und IT
Antlitz machte klar, dass Volkswagen unter massivem Zeitdruck steht: “Wir haben noch maximal zwei Jahre Zeit, um die Situation zu drehen.” Dazu müsse das Unternehmen die Komplexität seiner Abläufe reduzieren und die Synergien innerhalb des Konzerns besser nutzen. Nur so könnten die Kosten gesenkt und die Wettbewerbsfähigkeit wiederhergestellt werden. Die Mitarbeitenden rief er auf, sich an diesem Prozess aktiv zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen.
VW Betriebsratschefin Daniela Cavallo mit klaren Worten an den Vorstand
Währenddessen hielt Betriebsratschefin Daniela Cavallo eine leidenschaftliche Rede gegen die Pläne der Unternehmensführung. Sie machte klar, dass sie keine Werksschließungen in Deutschland hinnehmen werde. „Mit mir wird es hierzulande keine Werksschließungen geben“, verkündete sie unter dem Applaus der Belegschaft. Cavallo kritisierte das Management scharf und warf ihm vor, es habe bisher versagt und trage die Verantwortung für die aktuelle Lage.
Volkswagen | Daniela Cavallo – Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Volkswagen AG
Am frühen Morgen teilte sie auf LinkedIn bereits mit: “Der Vorstand schlägt einen völlig falschen Weg ein. Anstatt jetzt in die Offensive zu gehen und den Versäumnissen der Vergangenheit einen Plan für die Zukunft entgegenzusetzen, bricht das Spardiktat aus. Dabei müssen wir an unseren Defiziten arbeiten! In Kurzform: Produkt, Komplexität, Prozessabläufe und nicht zuletzt: Synergien über den gesamten Konzern hinweg.” Darauf aufbauend stellte Cavallo einen Fünf-Punkte-Plan vor, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Dieser Plan umfasse technologische Führerschaft, Vertrauen in Entscheidungen, eine klare Führung und Governance, die Verbesserung der finanziellen Lage sowie die Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen. “Es gibt aktuell kein gemeinsames Verständnis, wie der Weg aus der Krise aussehen soll,” so Cavallo weiter. Sie forderte Mut, auch in schwierigen Zeiten in Innovationen zu investieren. Oder um es mit ihren Worten zu sagen: “Unsere Prozesse müssen endlich mutiger und schneller werden, unsere Komplexität muss runter. Das alles ist Führungsaufgabe!”
Die Betriebsratschefin stellte auch klare Forderungen auf. So brauche man etwa neue Modelle im Volumensegment und müsse die Kapazitäten der Werke optimal ausnutzen, um Fixkosten zu senken. Nur so könne man gestärkt und langfristig erfolgreich aus der Krise hervorgehen. Andernfalls betreibe man lediglich kurzfristiges Sparen von Quartal zu Quartal, was nicht nachhaltig ist und die Abwärtsspirale nur weiter antreibt.
Markenchef Thomas Schäfer drängt zur drastischen Kostenreduzierung
Thomas Schäfer, der als Markenchef das Sparprogramm initiiert hatte, schlug in dieselbe Kerbe wie Antlitz. In seiner Rede betonte er, dass die Kosten drastisch reduziert werden müssten, um weiter wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können. Gleichzeitig müsse Volkswagen in neue Modelle investieren, um auf dem Markt erfolgreich zu bleiben. “Wir haben großartige Produkte in der Pipeline und wollen sie erfolgreich am Markt positionieren,” so Schäfer. Dabei appeliert er auch an die VW-Mitarbeiter:innen: “Ich bin hier angetreten, um Volkswagen mit Euch zusammen wieder an die Spitze zu bringen. Dafür brauchen wir jetzt Geld, um kräftig zu investieren.“
VW nannte weiterhin keine konkreten Standorte, die von möglichen Schließungen betroffen sein könnten. Der Konzern hatte zuvor betont, dass Werksschließungen nur als letzte Option in Betracht gezogen würden, falls es nicht gelinge, mit schnellen Maßnahmen gegenzusteuern. Derzeit betreibt VW Autowerke in Wolfsburg, Emden, Osnabrück, Hannover, Zwickau und Dresden sowie Komponentenwerke in Kassel, Salzgitter, Braunschweig und Chemnitz.
Einschnitte bei sogenannten Tarif-Plus-Verträgen sowie Auszubildenden
Henning Krogh, vom Business-Insider, berichtet exklusiv im Kontext der Entwicklungen bei VW, dass man den Rotstift an den sogenannten Tarif Plus anlege, die die höchsten Entgeltstufen regeln. Sowie bei den Auszubildende. Diese sollen künftig nur noch bedarfsgerecht eingestellt werden – bisher sind jährlich 1400 Azubis vertraglich fixiert. Der Reihe nach. Ein zentrales Thema der Verhandlungen wird die Neuregelung der höchsten Gehaltsstufen sein, die in enger Zusammenarbeit mit den Beschäftigten erarbeitet werden soll. Für Mitarbeiter, die bereits in die Tarifgruppe Plus fallen, soll ein Bestandsschutz gelten. Gleichzeitig muss das Unternehmen eine bedarfsorientierte Regelung für die Einstellung von Auszubildenden entwickeln, da auch Volkswagen vom allgemeinen Fachkräftemangel in Deutschland betroffen sein könnte.
Ein Insider aus Wolfsburg, der anonym bleiben möchte, wie Krogh berichtet, kommentierte die aktuelle Entwicklung mit den Worten: „Volkswagens jetziger Kurs zeigt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland ins Wanken geraten ist.“ Er fügte hinzu, dass der Konzern solche drastischen Maßnahmen nur in Betracht ziehen würde, wenn die Situation sowohl für das Unternehmen als auch für den Standort Deutschland wirklich kritisch sei. Hierbei nimmt dieser Bezug auf getroffene Aussagen zu Werksschließungen, betriebsbedingte Kündigungen, Anpassung Tarife sowie Umgang mit Auszubildenden.
Für den weiteren Verlauf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ist eine Aussprache von Vorstand und Betriebsrat mit den über 15.000 Mitarbeiter:innen vor Ort geplant. Das Ende der Betriebsversammlung wird erst für den Nachmittag erwartet.
Quelle: Automobilwoche – VWs Spar-Rechnung: “Zwei Werke zuviel” / Daniella Cavallo auf LinkedIn am 004.09.2024 / Manager-Magazin – „Der Markt ist schlicht nicht mehr da“ / Business-Insider – VW verschärft schon wieder die Sparziele: Auszubildende künftig nur noch nach Bedarf – und Kündigung des Vertragswerks „Tarif Plus“
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