Kabinett stärkt Klimaschutz mit THG-Quote-Novelle
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Ein Gastbeitrag von Niklas Gawehn
Die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) basiert auf dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), das die rechtliche Basis in Deutschland zur Minderung von THG-Emissionen im Kraftstoffsektor bildet und erneuerbare Energien im Verkehrssektor fördert. Damit werden in Deutschland die Vorgaben der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II) umgesetzt.
Inverkehrbringer von fossilem Otto- und Dieselkraftstoff sind verpflichtet, die Kohlenstoffintensität in den Produkten schrittweise zu senken. Die Minderung erfolgt als prozentuale Verringerung der THG-Emissionen gegenüber einem festgelegten Referenzwert. Als Klimaschutzinstrument soll es dazu beitragen, dass die Inverkehrbringer der Kraftstoffe eine stetig steigende THG-Quote erfüllen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der CO₂-Ausstoß kontinuierlich sinkt.
Zur Erfüllung der THG-Quote haben Inverkehrbringer mehrere Möglichkeiten:
Das Beimischen von erneuerbaren Kraftstoffen, z. B. Biokraftstoffen oder HVO
Der Einsatz alternativer Kraftstoffe, z. B. Biomethan oder Bio-LNG an CNG-/LNG-Tankstellen
Strombasierte Kraftstoffe auf Basis von grünem Wasserstoff
Der direkte Einsatz von Strom in Elektroautos
Der Handel und Kauf von THG-Bescheinigungen von Unternehmen, die ihre Reduktionsziele übertroffen haben
Der Zweck der THG-Quote besteht darin, durch die finanziellen Mittel aus dem Quotenhandel Anreize für den Einsatz klimafreundlicher Energieträger im Straßenverkehr zu fördern. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) erklärt dazu:
„So ist es im Rahmen des sogenannten Quotenhandels möglich, dass quotenverpflichtete Kraftstoffanbieter diese Minderungen dadurch erfüllen, dass sie einen Dritten vertraglich beauftragen, die Verpflichtung für sie zu erbringen und die geleistete Minderung nachzuweisen. Im Fall von Biokraftstoffen können das die Produzenten dieser nachhaltigen Kraftstoffe sein. Im Fall der Elektromobilität sind das Betreiber von Ladepunkten. Da durch die nachweisliche Bereitstellung von Strom im Verkehr weniger fossile Kraftstoffe genutzt werden, wird so der CO2-Austoß im Verkehr gemindert.“
Quelle: Carbonify, § 37a Abs. 4 Satz 2 BImSchG, § 11 der 36. BImSchV
Aktuelle Gesetzeslage – Bundeskabinett beschließt Novelle der 38. BImSchV
Am 13.11.2024 veröffentlichte das Bundeskabinett ohne weitere Aussprache den Beschluss, dass der vom BMUV am 11.10.2024 vorgeschlagene Referentenentwurf, der insbesondere die Möglichkeit zur Übertragung der THG-Quote für die Jahre 2025 und 2026 aussetzt, verabschiedet wurde. Nach Beschluss des Bundeskabinetts kann die Regierungsverordnung unverzüglich in Kraft treten. Bundestag oder Bundesrat müssen der Verordnung nicht zustimmen. Bisher regelte das Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Flexibilisierung bei der Erfüllung der THG-Quote:
Treibhausgasminderungen, die die erforderliche Quote in einem Verpflichtungsjahr überschreiten (Übererfüllungen), können von den Verpflichteten auf das darauffolgende Verpflichtungsjahr übertragen werden.
Die Aussetzung der Übertragbarkeit von THG-Quoten soll in den Jahren 2025 und 2026 die Nachfrage nach Quotenerfüllungsoptionen sowie den Preis für THG-Quoten erhöhen. Erst ab 2027 wird eine erneute Anrechnung möglich sein. Bundesministerin Lemke hält hierzu fest:
„Die Bundesregierung sendet heute ein starkes Marktsignal an die Branche für erneuerbare Energien im Verkehr. Mit der Sofortmaßnahme sichern wir den Zielpfad für CO2-Minderungen im Kraftstoffbereich ab und verbessern die wirtschaftliche Situation von Herstellern von fortschrittlichen Biokraftstoffen und grünem Wasserstoff sowie Betreibern von Ladesäulen. Wenn die Nachfrage nach klimaneutralen Alternativen zu fossilen Kraftstoffen steigt, dann stärkt dies auch auf lange Sicht den Klimaschutz im Verkehr.“
Historische Übererfüllung der THG-Quote
Die Sofortmaßnahme der Bundesregierung wurde eingeleitet, da Kraftstoffanbieter die THG-Quote in der Vergangenheit häufig übererfüllt haben und diese Übererfüllungen dem grundlegenden Gedanken der EU-Vorgaben widersprechen, jährlich ansteigende Ziele zu erfüllen. Diese Woche wurde vom Zoll die vorläufige Bilanz zur THG-Quote 2023 veröffentlicht. Nachdem im Verpflichtungsjahr 2022 die Menge an Übererfüllungen rund 3,4 Millionen Tonnen CO2 betrug und die Minderungsverpflichtung um rund 24 Prozent überstieg, wurde bekannt, dass der THG-Quotenübertrag aus 2023 nach 2024 8,1 Millionen Tonnen CO₂ beträgt. Für das THG-Quotenjahr 2024 ist von einer weiteren Steigerung des THG-Quotenüberschusses auszugehen.
Wenn Quotenverpflichtete nun im kommenden Jahr die ungewöhnlich große Menge an Übererfüllungen aus den Vorjahren nutzen, würden nachhaltige Biokraftstoffe oder Strom zur Zielerreichung deutlich weniger eingesetzt. Mit der Beschlussfassung darf die Mineralölindustrie in den kommenden zwei Jahren somit nur noch CO₂-Einsparungen aus erneuerbaren Kraftstoffen und Strom anrechnen, die im selben Jahr erzielt wurden. Das bedeutet, dass die übererfüllten THG-Minderungen aus diesen Jahren erst ab 2027 angerechnet werden können.
Marktteilnehmer wie der auf die THG-Quote im Bereich Elektromobilität spezialisierte Anbieter Carbonify begrüßen diese Maßnahme. Geschäftsführer Niklas Gawehn warnt jedoch, dass „es zwar eine wichtige Maßnahme gegen die erheblichen Überschussmengen im Markt ist und der Beschluss zunächst zu einer erhöhten Nachfrage für THG-Quoten aus allen Erfüllungsoptionen in den Jahren 2025 und 2026 führt. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, jedoch muss der Gesetzgeber unbedingt beachten, dass sich das Problem nicht lediglich verschiebt, sondern das auch das Ausmaß des Überschusses im Rahmen der anstehenden RED III-Umsetzung berücksichtigt wird. Spannend wird zu beobachten sein, ob die Sofortmaßnahme der Regierung die Preise der Stromquoten aus Elektromobilität nachhaltig positiv beeinflusst. Den Elektromobilisten und Betreibern von öffentlichen Ladepunkten wäre es zu wünschen!“
Preisentwicklung für THG-Prämie 2025 aus Elektromobilität
Als erste Reaktion am THG-Markt nach Beschlussfassung wurden erste kleinere Handelsgeschäfte bei ca. 130 Euro pro Tonne CO₂ für THG-Quoten 2025 beobachtet. Dies war ein Anstieg von ca. 10 bis 15 Prozent zum Vortag. Die Nachhaltigkeit dieses Preisanstiegs ist aber noch völlig unklar.
Niklas Gawehn erklärt, dass es wichtig sei, weitere Maßnahmen zu ergreifen. Denn „gemäß der veröffentlichten Zoll-Statistik zur Übererfüllung aus 2023 wurde auch deutlich, dass erhebliche Mengen an ‘fortschrittlichem’ Biodiesel vorhanden sind. Eine Steigerung auf 1,1 Millionen Tonnen Kraftstoff von 0,2 Millionen Tonnen im Vorjahr dürfte größtenteils auf vermutlich vorsätzlich falsch als abfallbasiert deklarierten Biodiesel aus China zurückgehen. Umfassende und wirksame Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen müssen im Rahmen der RED III-Umsetzung in 2025 umgesetzt werden, um zukünftigen Betrug mit Biokraftstoffen zu verhindern.“
Dies würde sich einer Reihe an Maßnahmen der Europäischen Union und des nationalen Gesetzgebers in Deutschland anschließen. Die Europäische Union hat etwa Anti-Dumping-Zölle für chinesische Importware beschlossen. Allerdings ist auch hier eine Nachschärfung erforderlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige Unternehmen den Umweg über Drittländer nutzen, um die Herkunft des Biodiesels zu verschleiern und dadurch Zölle zu umgehen. Dabei wird der Biodiesel zunächst in ein Land ohne EU-Zölle exportiert, dort umetikettiert und anschließend in die EU importiert.
Deutschland hat zudem nach Betrugsvorwürfen bei sogenannten UER-Projekten (Upstream Emission Reduction) für den vermeintlichen Klimaschutz, den Wegfall dieser Erfüllungsoption zur THG-Quote beschlossen. Mit der jetzigen Änderung der 38. BImSchV wird die Nachfrage nach THG-Quoten ab 2025 deutlich steigen. Dies könnte dazu führen, dass die Nachfrage nach THG-Quoten aus Elektrofahrzeugen und öffentlichem Ladestrom steigt, sodass höhere THG-Prämien seit langer Zeit wieder als möglich erscheinen.
Weitere Einflussfaktoren für die THG-Prämie 2025
Gesetzliche Quotenanpassung 2025
Die gesetzliche Steigerung der THG-Quote 2025 ist ein wesentlicher Faktor, der den Markt im nächsten Jahr beeinflussen und den Druck auf quotenverpflichtete Unternehmen erhöhen wird. Die aktuelle THG-Quote liegt bei 9,35 Prozent, für das Jahr 2025 ist jedoch bereits eine Anhebung auf 10,6 Prozent festgelegt. Es könnte sogar auf 10,7 Prozent erhöht werden. Dies würde Unternehmen dazu zwingen, ihre Bemühungen zur Emissionsreduktion weiter zu intensivieren.
Mehr THG-Prämie 2025 durch höhere Anrechnung bei verändertem Strommix
Die kürzlich veröffentlichte durchschnittliche Treibhausgasemissionen (THG) pro Energieeinheit des Stroms in Deutschland für das kommende Jahr THG-Quotenjahr 2025 liegt bei 124 kg CO₂-Äquivalent pro Gigajoule, während er im aktuellen Jahr 2024 noch bei 138 kg CO₂-Äquivalent pro Gigajoule betrug. Somit ist der Strommix in Deutschland sauberer geworden und verbessert die Umweltbilanz. Dadurch erhält der Elektromobilist und öffentliche Ladepunktbetreiber ca. 15 Prozent mehr CO₂ angerechnet und profitiert von höheren Prämien.
US-Wahl: Abkehr von Renewable Targets?
Mit der Präsidentschaft von Donald Trump könnten weniger Biofuel Feedstocks aus Asien aufgrund von u.a. Zöllen auf den amerikanischen Markt gelangen. Diese bräuchten ein neues Zuhause, Europa würde möglicherweise mehr Mengen angeboten bekommen. Zudem strebt der zukünftige US-Präsident einen erhöhten Fokus auf die Produktionsleistungen im Binnenmarkt, sodass niedrige Energiepreise erzielt werden können. Ein Exportüberschuss und damit größere THG-Mengen in Europa lassen vermuten, dass die US-Politik tendenziell einen eher negativen Einfluss auf die Preisentwicklung haben könnte
Ambitionierte Umsetzung der RED III in nationales Recht
Diverse Branchenverbände fordern eine ambitionierte Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie „RED III“ in nationales Recht. Dies könnte weiteren Aufwind geben. Insbesondere sollte zum Erreichen der Klimaschutzziele im Verkehrssektor bereits 2030 eine THG-Minderung von real 30 Prozent erzielt werden. Unter Berücksichtigung der Mehrfachanrechnung ist im Gesetz eine THG-Minderung von 35 Prozent festzulegen. Eine höhere THG-Quote in Kombination mit einem langfristigem Zielpfad bis 2045 und weitere flankierende Maßnahmen würde den Elektromobilisten höhere THG-Prämien in Aussicht stellen.
Wegfall fälschlicher UER-Zertifikate (Upstream Emission Reduction)
Zusätzlich zu den herkömmlichen THG-Zertifikaten, die durch den Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge generiert werden, gab es bisher auch UER-Zertifikate (Upstream Emission Reduction). Diese Zertifikate stammen aus Projekten zur Emissionsreduktion in der Lieferkette fossiler Brennstoffe, wie etwa durch die Vermeidung von Gasabfackelung oder den Einsatz erneuerbarer Energien bei der Rohölförderung.
Diese UER-Zertifikate sind in zahlreiche Skandale verwickelt und boten verpflichteten Unternehmen eine zusätzliche Möglichkeit, die Anforderungen der THG-Quote zu erfüllen und senkten somit den Preis für THG-Zertifikate aus Strom. Da diese Zertifikate künftig nicht mehr verfügbar sein werden, könnte sich der Preis für die THG-Quote 2025 stabilisieren und für E-Mobilisten sowie Fuhrparkbetreiber attraktiver gestalten.
Fazit zu Maßnahmen zur Stärkung der THG-Quote – Bundeskabinett beschließt Novelle der 38. BImSchV
Das Bundeskabinett hat mit der Novelle der 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung eine wichtige Maßnahme zur Stärkung der THG-Quote beschlossen. Durch die Aussetzung der Übertragbarkeit von THG-Quoten für 2025 und 2026 möchte die Regierung sicherstellen, dass die jährlichen Reduktionsziele mit aktuellen Maßnahmen erreicht werden und nicht durch Übererfüllungen aus der Vergangenheit gedeckt sind. Diese Entscheidung hat das Potenzial, den Markt für erneuerbare Kraftstoffe zu beleben und Investitionsanreize für die Elektromobilität und erneuerbare Energien zu setzen. Dies ist ein Schritt zur Einhaltung der wachsenden EU-Vorgaben und unterstützt Deutschland dabei, seine Klimaziele im Kraftstoffsektor zu erreichen. Die Sofortmaßnahme macht Hoffnung, dass langfristig der Ausbau erneuerbarer Energien im Verkehrssektor weiter gefördert wird, sie stärkt die wirtschaftliche Lage von Anbietern im THG-Markt und unterstützt den Weg zur angestrebten 25-prozentigen THG-Quote im Jahr 2030.
Über den Autor: Niklas Gawehn, Co-Geschäftsführer der Carbonify GmbH
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