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Faktencheck: HVO100 bringt keine zusätzliche CO2-Einsparung

Faktencheck: HVO100 bringt keine zusätzliche CO2-Einsparung

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Der seit Ende Mai für den Verkauf an Tankstellen zugelassene rein biologische Dieselkraftstoff HVO100 bringt im Vergleich zur HVO-Beimischung aktuell keine zusätzlichen CO2-Einsparungen für den Verkehrssektor. Das Einsparpotenzial wird auch in Zukunft begrenzt bleiben, weil sich der Nachschub an Rohstoffen wie Altspeiseöle aus der Gastronomie, zum Beispiel gebrauchtes Frittierfett, oder tierische Abfälle aus der Lebensmittelindustrie kaum ausbauen lässt. Die Rohstoffe werden außerdem dringender im Luftverkehr gebraucht, vorübergehend wäre auch ein Geschäftsmodell im Güterverkehr denkbar. Das geht aus einem aktuellen Faktencheck des Thinktanks Agora Verkehrswende hervor.

HVO basiert auf Ölen und Fetten, die in Verbindung mit Wasserstoff zu Kraftstoffen verarbeitet werden. Mineralölunternehmen können damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Verringerung von Treibhausgasemissionen nachkommen. Vor der Zulassung von HVO100, das zu 100 Prozent aus HVO besteht, wurde der Biokraftstoff bereits herkömmlichem Diesel beigemischt.

Im Jahr 2022 betrug die HVO-Beimischung in Deutschland etwa zwei Prozent am verkauften Diesel, obwohl bis zu 26 Prozent erlaubt waren. Mehr ist laut Agora Verkehrswende mit den verfügbaren Rohstoffen auch kaum zu erwarten. Daher mache es für die CO2-Bilanz im Verkehrssektor keinen Unterscheid, ob HVO beigemischt oder in Reinform genutzt wird. Mit HVO100 würden die Rohstoffe zwar anders genutzt, aber es würde in Summe nicht mehr fossiler Diesel ersetzt und deshalb auch nicht mehr CO2 eingespart.

Umweltrisiken durch falsch deklarierte Rohstoffe

HVO steht für „hydrierte Pflanzenöle“ (Englisch: Hydrotreated Vegetable Oils). In der Praxis können auch Rohstoffe tierischen Ursprungs verwendet werden. Kommen nur Rest- und Abfallstoffe zum Einsatz, sind im Vergleich zum fossilen Diesel unter optimalen Bedingungen CO2-Einsparungen von bis zu 90 Prozent möglich. Bei der Verarbeitung von Ölen aus Lebens- und Futtermitteln oder aus Pflanzen, die extra für die Energiegewinnung angebaut werden, fallen die Einsparungen jedoch deutlich geringer aus.

Manche HVO-Importe stehen zudem im Verdacht, falsch deklariert zu werden. Palmöl soll in Asien im großen Maßstab als Palmölmühlabwasser ausgegeben, zu HVO verarbeitet und als vermeintlich besonders klimaschonender „fortschrittlicher Biokraftstoff“ unter anderem nach Europa exportiert worden sein. Die Ermittlungen dazu laufen. Wegen der Schäden an Natur und Umwelt durch den industriellen Palmölanbau gilt HVO aus Palmöl in der Europäischen Union nicht als Beitrag zum Klimaschutz.

Langfristig hohe Nachfrage im Luftverkehr

Anders als im Pkw-Verkehr zeichnet sich nach Einschätzung von Agora Verkehrswende eher im Güterverkehr ein vorübergehendes Geschäftsmodell für das im Vergleich zum Diesel bislang teurere HVO100 ab. Logistikunternehmen könnten mit der biologischen Dieselalternative nahezu CO2-neutrale Dienstleistungen anbieten und dies in ihren Nachhaltigkeitsberichten anführen. Je weiter die Umstellung auf Elektro-Lkw voranschreitet, desto mehr werde diese Nachfrage jedoch zurückgehen.

Eine langfristig hohe Nachfrage nach HVO-Kraftstoffen biete der Luftverkehr, weil dort batterieelektrische Antriebe kaum eine Alternative sind und ansonsten nur strombasierte synthetische Kraftstoffe für die Reduzierung der klimarelevanten Emissionen infrage kommen. Der Einsatz von HVO sei aber aus Nachhaltigkeitssicht nur dann vertretbar, wenn für die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette nachgewiesen werden kann, dass soziale und ökologische Standards eingehalten wurden.

Warum ist das Thema wichtig?

Der Biokraftstoff HVO ist aktuell vermehrt Thema der medialen Berichterstattung und politischen Debatte. Nach der Freigabe für den Verkauf in Reinform, sogenanntes HVO100, als Dieselalternative an Tankstellen Ende Mai hat die Diskussion weiter Fahrt aufgenommen. Die Einschätzungen fallen dabei sehr unterschiedlich aus.

Einerseits nähren verschiedene Faktoren Zweifel und Kritik an den Werbeversprechen eines „sehr hochwertigen und klimafreundlichen Hochleistungskraftstoffs“ für Dieselmotoren: Unter anderem finden sich widersprüchliche Aussagen über die Schadstoffemissionen und die tatsächliche Klimaschutzwirkung oder auch Berichte über falsch deklarierte Rohstoffe.

Andererseits gehört HVO – wenn es aus Rest- und Abfallstoffen gewonnen wird anstatt aus Stoffen, die als Lebens- oder Futtermittel dienen –, zu den sogenannten fortschrittlichen Biokraftstoffen. Damit ist es ein explizierter Bestandteil der Bemühungen der EU und Deutschlands, den Anteil fossiler Energien im Verkehr zu verringern. Fortschrittliche Biokraftstoffe zahlen zum Beispiel auf die Ziele der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) ein und werden auch im Rahmen der deutschen Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) durch Mindestquoten und Mehrfachanrechnungen besonders gefördert.

Der Faktencheck von Agora Verkehrswende fasst den Stand der Technik zusammen und bewertet den möglichen Beitrag von HVO100 für den Klimaschutz im Verkehr, um eine sachliche Debatte zu ermöglichen.

Was ist HVO?

Dieselersatz aus hydrierter Biomasse: HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oils“, also hydrierte Pflanzenöle, in der Praxis können aber auch Rohstoffe tierischen Ursprungs dafür verwendet werden. Bei der Hydrierung wird der Biomasse Wasserstoff zugeführt, um die chemischen Eigenschaften der Öle oder Fette an die von Dieselkraftstoff anzugleichen. Im Vergleich zu Biodiesel, für den Pflanzenöle durch die sogenannte Umesterung unter Zugabe von Methanol chemisch aufbereitet werden, besteht HVO nur aus Kohlenwasserstoffketten und enthält keinen Sauerstoff. Eine weitere Anbindung von Wasserstoff ist nicht möglich. Deshalb zählt HVO zu den gesättigten Kohlenwasserstoffen beziehungsweise paraffinischen Dieselkraftstoffen. Im Unterschied etwa zu Biodiesel, der nach wie vor ungesättigte Verbindungen enthält und in vielen Motoren nur zu herkömmlichem Diesel beigemischt werden kann, können HVO-Kraftstoffe fossilen Diesel 1:1 substituieren.

Hergestellt aus Pflanzenölen, Rest- oder Abfallstoffen: HVO wird aus sogenannten Lipiden hergestellt, also Fetten und Ölen. Dazu eigenen sich herkömmliche Pflanzenöle wie Raps- oder Palmöl, aber auch Rest- und Abfallstoffe wie gebrauchtes Speiseöl (umgangssprachlich: Frittenfett, englisch: Used Cooking Oil, UCO) oder Abfälle aus der Lebensmittelindustrie (tierische Fette, Fischfette, etc.). Ein weiterer häufig eingesetzter Rohstoff ist POME (Palmölmühlabwasser, englisch: Palm Oil Mill Effluent), ein Nebenprodukt, das bei der Palmölraffination anfällt und häufig als Reststoff deklariert wird. Theoretisch können auch weitere Rohstoffe wie zum Beispiel Algen oder Algenöle genutzt werden, diese haben aus unterschiedlichen Gründen aber bisher noch keine größere Relevanz.

Rein technisch sind also verschiedene und durchaus umfangreiche Rohstoffquellen für HVO denkbar; in der Praxis kommt es jedoch darauf an, wo diese Rohstoffe ebenfalls gebraucht werden und wie nachhaltig und klimaschonend ihre Verwendung ist. Auf Grund negativer Klima- und Umweltauswirkungen ist zum Beispiel HVO, das aus Palmöl hergestellt wurde, in Deutschland seit Anfang 2023 nicht mehr auf die THG-Quote anrechenbar.

HVO100 steht für Kraftstoffe aus 100 Prozent HVO: Vergleichbar ist diese Bezeichnung zum Beispiel mit B7, also Diesel mit bis zu 7 Prozent beigemischtem Biodiesel oder E10, Benzin mit bis zu 10 Prozent beigemischtem Bioethanol. Am Markt wird HVO100 unter verschiedenen Bezeichnungen wie „Klimadiesel“, „C.A.R.E Diesel“ oder „Erneuerbarer Diesel“ vertrieben. Langfristig dürfte sich jedoch eine einheitliche Bezeichnung durchsetzen. Mit Inkrafttreten der novellierten Fassung der Zehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (kurz 10. BImSchV) dürfen paraffinische Dieselkraftstoffe (Kurzbezeichnung XTL) wie HVO100 seit dem 29.05.2024 offiziell an Tankstellen in Verkehr gebracht werden.

HVO und ihre Rolle für die THG-Quote

Um den Einsatz erneuerbarer Energien im Verkehr kontinuierlich zu steigern, wurden auf EU-Ebene verschiedene Verordnungen verabschiedet, die anschließend in nationales Recht der Mitgliedsstaaten übertragen wurden. Eines der Hauptinstrumente ist die Erneuerbare-Energien-Richtline (RED, Englisch: Renewable Energy Directive), die in Deutschland durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz § 37 a-h (BImSchG) sowie nachgeordneten Verordnungen (36., 37. und 38. BImSchV) umgesetzt wird. Zentrales Instrument ist dabei die Treibhausgasminderungsquote (häufig kurz als THG-Quote bezeichnet). Im Rahmen der THG-Quote werden die Kraftstoffinverkehrbringer (im Wesentlichen Mineralölunternehmen) dazu verpflichtet, bei den von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffen eine bestimmte THG-Minderung umzusetzen.

Um dies zu erreichen, stehen ihnen unterschiedliche Optionen (sogenannten Erfüllungsoptionen) zur Verfügung: Biokraftstoffe (Biomethan, Bioethanol, Biodiesel, HVO), strombasierte Kraftstoffe (Wasserstoff, E-Fuels) sowie Ladestrom für Elektroautos. Für Biokraftstoffe gibt es explizite Obergrenzen und Unterquoten: konventionelle Biokraftstoffe (so wie HVO aus Pflanzenölen) sind auf eine Beimischung von 4,4 Prozent gedeckelt, wobei Palmöl seit 2023 nicht mehr anrechnungsfähig ist. Außerdem ist die Anrechnung von Biokraftstoffen aus Abfall- und Reststoffen nach RED II Anhang IX Teil B (unter anderem HVO aus UCO) auf 1,9 Prozent begrenzt. Für fortschrittliche Biokraftstoffe nach RED II Anhang IX Teil A (unter anderem HVO aus POME) gibt es hingegen eine Unterquote von aktuell 0,4 Prozent, die kontinuierlich auf 2,6 Prozent im Jahr 2030 ansteigen soll.

Kein synthetischer Kraftstoff: Streng genommen ist HVO kein synthetischer Kraftstoff, da er nicht durch ein Syntheseverfahren wie zum Beispiel die Fischer-Tropsch-Synthese hergestellt wird. Die in den Rohstoffen enthaltenen Moleküle werden lediglich auseinandergebrochen und die so entstandenen offenen Bindungen durch Anlagerung von Wasserstoff abgesättigt. Bei dieser sogenannten Hydrierung werden außerdem unerwünschte Elemente wie Schwefel und Sauerstoff abgetrennt. Synthetische Kraftstoffe werden hingegen üblicherweise von Grund auf aus kleineren Molekülen aufgebaut, also synthetisiert. Ein Beispiel für synthetische Kraftstoffe sind sogenannte E-Fuels: Kraftstoffe, die aus Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffdioxid (CO2) synthetisiert werden.

Was bringt HV100 für den Klima- und Umweltschutz?

Die Klimawirkung von HVO hängt von den Rohstoffen ab. HVO100 wird häufig mit einer Treibhausgaseinsparung von „bis zu 90 Prozent“ im Vergleich zu fossilem Diesel beworben. Dabei sollte die Betonung auf dem Zusatz „bis zu“ liegen, denn diese Einsparung ergibt sich nur im optimalen Fall – und wird bei weitem nicht erreicht. Werden Rest- und Abfallstoffe für die Produktion genutzt, entsteht keine zusätzliche Klimawirkung; denn die Emissionen werden vollständig dem ursprünglichen Hauptprodukt zugerechnet.

So werden zum Beispiel bei POME die gesamten Emissionen aus Anbau und Herstellung dem Palmöl zugeschrieben, bei UCO dem eingesetzten Pflanzenöl beziehungsweise dem darin frittierten Produkt. Es fallen dann nur vergleichsweise geringe Emissionen bei der Bereitstellung der Rohstoffe, der Kraftstoffproduktion und der Kraftstofflogistik an – also die 10 Prozent, die zu einer 100-prozentigen Einsparung fehlen. Werden jedoch Pflanzenöle eingesetzt, für die extra Pflanzen angebaut werden (häufig als Energiepflanzen bezeichnet) und die deshalb mit einem eigenen Emissionsrucksack belastet sind, fällt die Treibhausgaseinsparung deutlich geringer aus.

Aktuell keine zusätzliche CO2-Einsparung

Vor der Zulassung als Reinstoff (HVO100) durfte HVO im Rahmen der bestehenden Normen theoretisch bereits zu großen Mengen (bis zu 26 Prozent) zu herkömmlichem Diesel (B7) beigemischt und vertrieben werden. Im Jahr 2022 wurden fossilem Diesel jedoch im Rahmen der THG-Quote nur etwa 2 Prozent HVO beigemischt. Damit wurden die am Markt verfügbaren HVO-Mengen bereits vollständig zur Erfüllung der nationalen THG-Quote eingesetzt.

Werden diese Mengen nun teilweise als HVO100 vertrieben, also in Reinform, fehlen sie für die Beimischung zum herkömmlichen Diesel. Ein zusätzlicher Klimaschutzeffekt ist nicht vorhanden, solange unterm Strich nach wie vor gleiche Menge fossilen Diesels ersetzt wird. Unabhängig von der Zulassung von HVO100 dürfte sich eine zusätzliche Nachfrage perspektivisch durch die ab 2025 steigende THG-Quote und die Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe ergeben, denn dazu gehören zum Beispiel HVO auf Basis von Rest- und Abfallstoffen. Es dürfte allerdings Jahre dauern, bis Kraftstoffhersteller und Rohstofflieferanten auf die steigende Nachfrage reagieren und ihre Kapazitäten ausbauen.

Kaum Verbesserung bei lokalen Emissionen

Durch die bereits deutlich homogeneren Rohstoffe zur HVO-Produktion und die zusätzliche Behandlung mit Wasserstoff enthält HVO – wie auch andere paraffinische Dieselkraftstoffe – im Vergleich zu herkömmlichem Diesel deutlich weniger Schadstoffe und Verunreinigungen. Damit dürften mit HVO100 insbesondere bei älteren Fahrzeugen, die jedoch in der Regel keine Hersteller-Freigabe für HVO100 besitzen, weniger Luftschadstoffe wie Partikeln oder Stickoxide emittiert werden. Bei neuen Fahrzeugen werden diese Emissionen durch moderne Abgasreinigungssysteme wie zum Beispiel Partikelfilter und Katalysatoren bereits stark reduziert.

Um dies zu überprüfen, haben unter anderem die Deutsche Umwelthilfe und der ADAC-Emissionsmessungen an Bestandsfahrzeugen durchgeführt. Dabei ergaben sich für unterschiedlich alte Fahrzeug sehr unterschiedliche Ergebnisse: Für Bestandsfahrzeuge, die unter die Abgasnorm EURO 6b und 6d fallen, konnte der ADAC eine Verringerung der lokalen Emissionen nachweisen – ausgehend von einem bereits niedrigen Emissions-Niveau, bei einem EURO-5-Fahrzeug hat die Deutsche Umwelthilfe hingegen sogar einen Anstieg der lokalen Emissionen nachgewiesen. In Summe sind durch HVO100 sehr wahrscheinlich nur geringe Verbesserungen zu erwarten.

Palmöl im Tank: Umweltrisiken durch falsch deklarierte Rohstoffe

Schon vor der Freigabe des HVO100-Verkaufs an deutschen Tankstellen gab es über die THG-Quote einen großen Anreiz, HVO als Erfüllungsoption im Rahmen der nationalen THG-Quote einzusetzen. Dies wurde durch die Mehrfachanrechnung für fortschrittliche Biokraftstoffe und die zeitweise hohen THG-Quotenpreise zusätzlich begünstigt. Deshalb werden bereits seit 2022 große Mengen erneuerbaren Diesels – also HVO-Diesel – importiert, unter anderem aus China. Der Verdacht, dass diese Mengen nicht oder nur teilweise aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, hat sich in den vergangenen Monaten erhärtet.

Demnach sollen teilweise frische Pflanzenöle – insbesondere Palmöl aus Indonesien und Malaysia – in China zu Abfällen (POME) umdeklariert und dann für die HVO-Produktion genutzt worden sein. Diese Vorwürfe werden aktuell von den zuständigen Behörden und der Staatsanwaltschaft untersucht, die Nachverfolgung in China ist ohne entsprechende Amtshilfe jedoch kaum möglich.

Agora Verkehrswende

Damit ist es wahrscheinlich, dass weiterhin unter anderem aus Palmöl hergestellte Biokraftstoffe in deutschen Fahrzeugen eingesetzt werden und teilweise sogar als fortschrittliche Biokraftstoffe deklariert auf die THG-Minderungsziele im Verkehr angerechnet werden. Um dies zu verhindern, sind strenge Zertifizierungssysteme mit unabhängigen Audits direkt in den Produzentenländern notwendig.

Welche Marktperspektiven hat HVO100 im Straßenverkehr?

Die Rohstoffe für HVO sind auf absehbare Zeit kaum verfügbar: Die für HVO geeigneten Rest- und Abfallstoffe sind zwar aus Klimaschutzperspektive grundsätzlich als Rohstoffe zur Defossilisierung des Verkehrs sinnvoll, aber per Definition nur begrenzt verfügbar. Bereits jetzt werden sie auch für andere Zwecke genutzt. Gleichzeitig ist eine Zunahme der verfügbaren Mengen nur bedingt möglich, da Abfälle nicht extra erzeugt werden können.

Es ist nicht davon auszugehen und auch nicht wünschenswert, dass auf einmal deutlich mehr Frittierfett genutzt oder deutlich mehr Tiere geschlachtet werden. Außerdem fallen die benötigten Rohstoffe wie Altspeiseöle aus der Gastronomie häufig dezentral an und müssen aufwendig eingesammelt werden. 2023 wurde in Europa zum Beispiel bereits achtmal so viel Altspeiseöl verarbeitet wie innerhalb Europas selbst eingesammelt wurde. Das heißt, dass die notwendigen Rohstoffe oder der HVO-Kraftstoff selbst bereits heute zu großen Teilen nach Europa und Deutschland importiert werden. Die Importe stammen dabei überwiegend aus Asien, zum großen Teil aus China, Malaysia und Indonesien.

Zusätzlich werden insbesondere tierische Abfallfette aktuell schon vielfach eingesetzt, zum Beispiel als Brennstoff für die Strom- und Wärmeproduktion, als Rohstoff in der chemischen Industrie oder als Bestandteil von Tierfutter. Für eine zusätzliche Produktion von HVO100 wird es deshalb auf absehbare Zeit kaum zusätzliche nachhaltige Rohstoffe geben.

Produktionskapazitäten für HVO sind sehr begrenzt

Neben der Rohstoffverfügbarkeit stellt auch die globale Raffineriekapazität einen Flaschenhals für einen schnellen und großflächigen Markthochlauf dar. Selbst wenn kurzfristig zusätzliche Rohstoffmengen verfügbar gemacht werden könnten, fehlen trotzdem die notwendigen Anlagen, um diese in HVO-Kraftstoff umzuwandeln. In der EU waren 2024 neben einer Raffineriekapazität von etwa 5 Millionen Tonnen pro Jahr lediglich weitere Anlagen mit etwa 1 Millionen Tonnen Produktionskapazität pro Jahr im Bau. Zusätzlich wurden Anlagen mit einer Kapazität von etwa 3 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2030 angekündigt.

Zum Vergleich: In der EU lag die Dieselnachfrage 2023 bei etwa 252 Millionen Tonnen. Dem stehen jedoch aktuelle Nachrichten von großen Mineralölunternehmen gegenüber, die HVO-Raffinerieprojekte ganz eingestellt oder zeitweilig gestoppt haben.

Konkurrenz durch Nachfrage im Luftverkehr

HVO-ähnliche Kraftstoffe werden zukünftig in immer größeren Mengen im Luftverkehr benötigt. Dieses sogenannte Sustainable Aviation Fuel (SAF) auf Basis von Ester und Fettsäuren (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids, HEFA) wird aus denselben Rohstoffen und, nach möglicherweise geringen Modifikationen, in denselben Raffinerien hergestellt. Aktuell wird nahezu das gesamte verfügbare SAF über diesen Weg produziert.

In den kommenden Jahren werden in Europa und anderen Regionen Quotenverpflichtungen im Luftverkehr in Kraft treten, die die Nachfrage weiter steigen lassen. Wenn die Nachfrage noch zusätzlich durch HVO100 im Straßenverkehr steigt, wird es eine harte Konkurrenz um die wenigen verfügbaren nachhaltigen Rohstoffe und Produktionskapazitäten geben. Dabei sind die Umstände in den beiden Anwendungen sehr unterschiedlich: Der Luftverkehr ist auf SAF angewiesen, um fossile Kraftstoffe zu ersetzen; im Straßenverkehr ist mit dem Batterieantrieb eine energieeffizientere Alternative bereits auf dem Markt.

Höhere Kosten für Pkw ohne zusätzlichen Nutzen

An deutschen Zapfsäulen ist HVO100 aktuell etwa 5 bis 10 Eurocent pro Liter teurer als konventioneller Diesel. Da bisher nur etwa 2 Prozent aller Tankstellen in Deutschland den neuen Kraftstoff anbieten, ist die zukünftige Preisbildung schwer vorherzusagen. Allgemein gibt es mehrere Einflussfaktoren auf den HVO100-Preis. Die Herstellungskosten liegen im Vergleich zu fossilem Dieselkraftstoff deutlich höher, allerdings entfallen Preisbestandteile wie zum Beispiel der CO2-Preis des nationalen Brennstoffemissionshandels-Gesetzes (BEHG). Auf europäischer Ebene wird aktuell auch eine Reform der Energiesteuerrichtlinie diskutiert, nach der Kraftstoffe stärker nach ihrer CO2-Bilanz besteuert werden sollen. Dadurch könnten fossile Kraftstoffe potenziell teurer und biogene Kraftstoffe wie HVO100 günstiger werden.

Nachfrage eher im Güterverkehr absehbar

Im Güterverkehr gibt es eine zunehmende Nachfrage nach klimafreundlicheren Transportdienstleistungen. Insbesondere große Unternehmen müssen im Rahmen ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Nachhaltigkeitsberichterstattung und selbst gesteckten Nachhaltigkeitsziele auch die Klimawirkung von externen Dienstleistern nachweisen und nach Möglichkeit verringern (sogenannte Scope3-Emissionen).

Solange die Umstellung auf Elektro-Lkw, insbesondere im Schwerlastverkehr, noch mit Hürden beispielsweise hinsichtlich der verfügbaren Ladeinfrastruktur verbunden ist, hätten Spediteure und Transportunternehmen mit HVO100 die Möglichkeit, auf dem Papier nahezu CO2-neutrale Dienstleistungen anzubieten. Durch eine entsprechende Nachfrage am Markt kann sich so der Einsatz von HVO100 trotz der höheren Kraftstoffpreise in der Logistikbranche wirtschaftlich lohnen. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass aufgrund fehlender zusätzlicher Rohstoffe und Produktionskapazitäten unterm Strich der Klimaschutzeffekt derzeit gering sein wird, da das als Reinkraftstoff genutzte HVO für die Beimischung beim Dieselkraftstoff fehlt.

Andere Länder sind kaum weiter

Häufig heißt es, andere Länder seien beim Einsatz von erneuerbarem Diesel bereits deutlich weiter als Deutschland – zum Beispiel Schweden und Kalifornien, wo 2022 etwa 30 beziehungsweise 40 Prozent des verkauften Diesels erneuerbar waren. In Deutschland lag der Anteil von Biodiesel und HVO am Dieselabsatz im Jahr 2022 deutlich unter 1 Prozent. Der Blick auf die relativen Anteile ist jedoch irreführend. Deutschland hat durch die große Anzahl an Diesel-Pkw historisch einen vergleichsweise hohen Dieselverbrauch. In anderen Ländern wird Diesel häufig nur in Lkw und schweren Nutzfahrzeugen genutzt, was zu einem geringeren Gesamtverbrauch führt.

In Deutschland lag der Dieselverbrauch 2022 zum Beispiel bei etwa 35 Millionen Tonnen, in Schweden hingegen nur bei etwa 6,1 und in Kalifornien bei 10,5 Millionen Tonnen. Anders, als es die prozentualen Anteile vermuten ließen, liegen deshalb die absoluten Mengen an erneuerbarem Diesel deutlich näher beisammen: in Deutschland etwa 0,5 Millionen Tonnen gegenüber 1,3 in Schweden und 4,2 in Kalifornien. Außerdem: In Schweden ist der HVO-Absatz nach einer Reduktion der Klimaschutzvorgaben im Verkehr mittlerweile auf geringe einstellige Prozentbereiche eingebrochen. In Kalifornien ist der HVO-Absatz 2023 deutlich gestiegen (5,9 Millionen Tonnen) und hat den Absatz an fossilem Diesel (4,4 Millionen Tonnen) bei etwa gleicher Gesamtnachfrage überholt.

Die hohen Anteile in Kalifornien ergeben sich zudem, wie bis vor Kurzem in Schweden, aus sehr ambitionierten Beimischungsvorgaben und flankierenden finanziellen Anreizen. Das führt allerdings dazu, dass in den USA nahezu die gesamte in den USA produzierte Menge an erneuerbarem Diesel in Kalifornien verbraucht wird, so dass für andere Bundesstaaten nur geringe Mengen im Markt verbleiben.

Dabei werden auch in den USA die benötigten Rohstoffe zu großen Teilen aus Asien importiert, da in den USA selbst kaum noch entsprechende Rohstoffe zur Verfügung stehen. Auch hier kommt es zu Verdachtsfällen über falsch deklarierte Rohstoffe wie UCO zum Erlangen von höheren staatlichen Zuschüssen. Die Fälle werden derzeit von der U.S. Environmental Protection Agency (EPA) geprüft. Wenn Länder, die schon jetzt auf HVO aus Rest- und Abfallstoffen setzen, ihren Bedarf nicht aus eigenen Kräften und verlässlichen Quellen decken können, ist es schwer vorstellbar, wie dies gelingen soll, wenn noch mehr Länder Quoten und Anreize für HVO oder HVO100 beschließen.

Fazit

HVO kann, sofern es aus nachhaltigen Rohstoffen hergestellt wird, zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und damit zum Klimaschutz im Verkehr beitragen, so Agora Verkehrswende abschließend. Da die bereits bestehende Beimischungsgrenze zu herkömmlichem Diesel von etwa 26 Prozent bisher nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft wurde – 2022 betrug die HVO-Beimischung in Deutschland etwa zwei Prozent am verkauften Diesel –, ist der zusätzliche Klimaschutzeffekt durch die Freigabe von HVO100 aktuell ungewiss.

Immerhin: Ein positiver Effekt ergibt sich aus Sicht der Logistikbranche beim Reporting. Hier kann durch den Einsatz von HVO100 eine auf dem Papier nahezu CO2-neutrale Dienstleistung angeboten und auch nachgewiesen werden.

Aber auch wenn HVO100 nach und nach an mehr Tankstellen angeboten wird, heißt das auf Grund der limitierten Rohstoff- und Anlagenverfügbarkeit nicht, dass sofort mehr HVO als bisher in den Markt gelangt. Das als Reinkraftstoff angebotene HVO fehlt daher bei der Beimischung zum Dieselkraftstoff, so dass in Summe der Klimaschutzbeitrag gleichbleibt.

Hinzu kommt, dass die begrenzten nachhaltigen Rohstoffe für die HVO-Produktion sowie die zusätzlich aufzubauende Raffineriekapazität dringender für den Luftverkehr benötigt werden. Denn dort ist HEFA SAF, ein HVO ähnlicher Biokraftstoff für die Luftfahrt, die einzige großtechnisch verfügbare Option zur Defossilisierung, solange strombasierte synthetische Kraftstoffe wie E-Kerosin noch in der Entwicklung sind.

Pkw und Lkw lassen sich dagegen über den Batterieantrieb direkt mit erneuerbarem Strom versorgen. Hinzu kommt mit Blick auf den Pkw-Bestand die häufig noch fehlende Typenfreigabe – insbesondere für ältere Fahrzeuge (Euro 5 und älter), die aber nach wie vor einen großen Teil des Fahrzeugbestandes ausmachen. Ein großflächiger Einsatz im Pkw-Bereich ist aus diesen Gründen sehr unwahrscheinlich.

Zentral beim Einsatz von HVO ist, wie auch bei allen anderen alternativen Kraftstoffoptionen, eine vollständig geschlossene und verlässliche Nachweisführung. Nur wenn der gesamte Herstellungsprozess, beginnend bei den eingesetzten Rohstoffen, zertifiziert und von unabhängigen Auditoren überprüft wurde, kann HVO einen Beitrag zum Klimaschutz im Verkehr leisten. Das heißt im Umkehrschluss: Ist dies nicht der Fall, sollte der HVO-Kraftstoff nicht in Verkehr gebracht werden – egal ob im Straßen-, Luft- oder Seeverkehr.

Quelle: Agora Verkehrswende – Pressemitteilung vom 10.12.2024

Der Beitrag Faktencheck: HVO100 bringt keine zusätzliche CO2-Einsparung erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

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