Smart-Europa-CEO: Wie Smart die E-Auto-Welt umkrempelt
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Dirk Adelmann, CEO von Smart Europa, wird von seinen Kolleg:innen als „Personifizierte Verbindung zwischen Europa und China“ beschrieben – eine Rolle, die für die Weiterentwicklung der Marke essenziell ist. Im Gespräch mit Elektroauto-News-Herausgeber Sebastian Henßler gibt er Einblicke in die Neupositionierung von Smart, die Synergien zwischen den „zwei Müttern“ Mercedes und Geely sowie die Herausforderungen, die Elektromobilität in einem unsicheren Marktumfeld mit sich bringt.
Das Interview zeigt, wie Smart den Wandel von kultigen Stadtautos zu einer globalen Marke für nachhaltige Mobilität gestaltet. Am Ende des Artikels steht das Gespräch mit Adelmann, das wir an dieser Stelle als ausführliches Transkript veröffentlichen, auch zum Anhören als Podcast zur Verfügung.
Smart | Das „Kind zweier Mütter“ aus China und Europa
Smart als Kind zweier Mütter mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Mentalitäten und Führungsstilen
Sebastian Henßler: Hi Dirk, freut mich, dass du heute mit am Start bist hier in der Podcast-Folge. Ich hatte im Vorgespräch schon mit deinen Kolleg:innen gesprochen und mich ein Stück weit vorbereitet. Da ist dann auch eine interessante Beschreibung deiner Person gefallen, bei der ich gespannt bin, wie du dazu stehst. Du wurdest von den Kolleg:innen als „Personifizierte Verbindung zwischen Europa und China“ bezeichnet, was ja sicherlich von Vorteil ist als CEO von Smart Europe. Wie kommt man zu so einem Titel und was hältst du selbst davon?
Dirk Adelmann: Also, wenn das die Kolleg:innen sagen, dann ist da sicher was dran. Aus meiner Sicht, ich bin für die Aufgabe dahingehend geeignet, wenn ich es mal bescheiden formulieren darf, dass ich über 25 Jahre in der Automobilindustrie verbracht habe, mehrheitlich bei Mercedes und Smart. Das heißt, ich war auch relativ früh in meiner Laufbahn schon vier Jahre bei Smart in der Anfangszeit dabei und ich habe insgesamt acht Jahre in Asien verbracht. Das hilft sicherlich auch bei so einem deutsch-europäisch-chinesischen Joint Venture.
Am Anfang muss ich doch zugeben, war es für mich auch eine sehr steile Lernkurve in der Zusammenarbeit, und zwar als Kind zweier Mütter sozusagen, als Kind zweier Eltern, da die jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Mentalitäten, Führungsstile unter einen Hut zu bekommen und das dann auch jeder Mannschaft zu vermitteln. Anfang 2019 war das schon auch sehr, sehr spannend als Herausforderung.
Das glaube ich dir. Da kommen wir aber auch später noch darauf zu sprechen, weil gerade dieses Zitat „Kind zweier Mütter“ legt schon eine gute Grundlage für das spätere Gespräch. Ich würde gerne erst mal noch eine Ebene höher einsteigen, und zwar bei Smart an sich.
Smart war ursprünglich bekannt für kompakte Stadtautos mit Benzinmotor, die vor allem auch mit ihrem ikonischen Design und dem urbanen Lifestyle überzeugt haben. Heute allerdings steht die Marke für vollelektrische Mobilität und auch eine deutlich modernere Designsprache, um es auf diese sichtbaren Aspekte herunterzubrechen. Also kurzum: Smart hat sich radikal verändert. Wie würdest du Smart heute beschreiben? Wie ordnet ihr die Marke ein?
Die Positionierung sehen wir unterhalb unserer Schwestermarke Mercedes-Benz, mit der wir uns die Showrooms in Europa teilen. Während Mercedes-Benz im Luxussegment operiert, sind wir „Premium mit einem Augenzwinkern“, so nennen wir das bei Smart. Wir sind von der Markenhaltung immer grundsätzlich etwas optimistischer, was die Zukunft betrifft, als andere.
Und wir sind in Sachen Elektromobilität Vorreiter, aber nicht nur da. Wenn wir jetzt mal einen Zeitsprung machen in die Vor-Smart-Zeit, also in die ersten Überlegungen zu Smart, das war 1969/70. Da wurde unter anderem von Prof. Tomforde ein Zweisitzer – sehr kompakt – für die Stadt konzipiert, mit vier Radnabenmotoren. Also ein klassisches Elektrofahrzeug, seiner Zeit weit voraus und kostenseitig auch nicht darstellbar zu der Zeit.
Smart | Professor Tomforde blickt auf Designskizzen
Als wir dann 1998 Smart gelauncht haben, mit einem Fortwo, waren es klassische Verbrennermotoren. Wir haben uns dann über die Jahre herangetastet an dieses Thema Elektromobilität, haben aber in der Zwischenzeit auch immer über Mikrohybride, Mildhybride versucht, diese nachhaltige Mobilität, urban und suburban, ein Stück weit zu realisieren. 2019 war für uns dann das entscheidende Jahr, als wir auf reine Elektroautos umgeswitcht haben. Das ist einhergegangen mit einer gewissen Volumenreduktion, weil auch hier der Markt noch nicht so weit war, vor allem der europäische.
Ich glaube, wir sind jetzt endlich mit dem Produktportfolio so aufgestellt, dass wir dem Market Claim gerechter werden, also mit nachhaltiger urbaner Mobilität – und zwar in jeglicher möglichen Ausprägung und Form – jedes Segment bedienen zu können. Da hilft natürlich – was wir vorhin schon angesprochen hatten –, dass wir von zwei Seiten das Beste ziehen können.
Jetzt hast du es eben schon so schön angerissen hier: „Nachhaltige urbane Mobilität in jedem Segment“. Ist das auch das, wie du die Marke Smart heute erklären würdest?
Ja und nein. Smart als Marke ist mittlerweile ein Stück weit erklärungsbedürftiger als früher. Wir hatten früher einen Fortwo, das war das Brand-Icon, wie man so schön neudeutsch sagt. Heute, wenn wir uns über Smart unterhalten, denkt jeder immer noch sofort: okay, Fortwo.
Die Marke aber hat sich deutlich weiterentwickelt, auch in der Designsprache von Gordon Wagener, ich würde jetzt sagen: „von cute zu sexy“. Wir sind ein Stück weit erwachsener geworden, aber immer noch nicht so, dass du sagst: Das ist jetzt eine Luxusmarke. Das heißt, wir haben ein, zwei Schritte in die richtige Richtung gemacht. Wo wir noch besser werden müssen, ist, unsere Kundinnen und Kunden auf dieser Reise mitzunehmen. Und ich glaube, die Marke, wie sie heute aufgestellt ist, ist immer noch ein Stück weit erklärungsbedürftig und da kommen auch deine Rückfragen her, nehme ich an.
Mit dem #5 will Smart das D-Segment erschließen und seinen Marktanteil deutlich ausweiten
Was mich natürlich auch noch interessiert: Ihr habt euch neu positioniert. Aber wer oder was war der Auslöser für die Weiterentwicklung der Marke? Kam das vom Kunden, also war das vom Markt eher gefordert und getrieben oder kam das aus euch selbst heraus, weil ihr gesagt habt: Okay, wir müssen jetzt auch in andere Felder rein, um den Umsatz auszuweiten, um eine relevantere Zielgruppe für uns zu erschließen?
Sowohl als auch, würde ich sagen, also sowohl von Kunden als auch von uns aus dem Unternehmen heraus. Wir haben mit dem Fortwo und später auch Forfour das A-Segment bedient. Das ist in Europa ein relativ kleines, überschaubares Segment von damals 200.000, 250.000 Fahrzeugen gewesen. Und wir haben mit dem Fortwo dieses Segment mehr oder weniger definiert oder dominiert, was uns im Wachstum aber immer eingeschränkt hat.
Wir waren zu meiner ersten Smart-Zeit Ende 2005/06 schon dran, einen kleinen, kompakten SUV zu realisieren. Damals unter dem Namen Fourmore, die Älteren werden sich sicher noch erinnern. Wir haben dieses Fahrzeug rein elektrisch realisiert 2019, entwicklungs- und designseitig, und auf die Straße gebracht in Europa in 2023. Das heißt, wir haben aus meiner Sicht den Kreis geschlossen, den wir 2005/06 unterbrochen haben.
Smart | Designskizze des Smart #3
Wir sind jetzt im B-Segment, im C-Segment und mit dem #5 dann auch im D-Segment unterwegs, in Segmenten, die in Europa deutlich, sehr deutlich größer sind als das A-Segment, und in Segmenten, die in Europa von der SUV-Form dominiert werden. Also weniger Limousine, weniger Kombi, sondern wirklich SUV-Form. Deswegen auch unsere ersten drei Fahrzeuge in der Neuausrichtung in diesen Segmenten und mit diesem Body Type.
Dazu passend: Ihr habt euch auch ein Stück weit gewandelt von der Designsprache, von der Ausrichtung, im Interieur, Exterieur, von der Wahrnehmung her. Du hast gesagt, ihr seid „Premium mit einem Augenzwinkern“. Der Begriff Premium wird aus meiner Sicht – wenn ich auch die Pressemitteilungen von euren Marktbegleitern lese – sehr inflationär verwendet. Insofern würde mich interessieren: Wie definierst du „Premium mit einem Augenzwinkern“ für Smart?
Wir sind Partnerschaften eingegangen. Ich glaube, da kann man es am ehesten beschreiben. Smart als Marke steht immer für etwas: für Optimismus, für Toleranz, für einen offenen Umgang miteinander. Wir sind in Stuttgart mit circa 200 Leuten vertreten, in ganz Europa mit 300. Wir haben alleine in Stuttgart 46 Nationalitäten.
Also das ist ein Stück weit ein sehr, sehr internationaler Mix, den wir mit Smart ein Stück weit auch transportieren möchten. Wir suchen uns Partner aus, die diese Werte teilen. Ein Beispiel ist Viva con Aqua, ein anderes der FC St. Pauli. Partner, die offen für Toleranz werben, Partner, die auch für Demokratie einstehen.
Wir haben damals gemeinsam mit vielen anderen zur Europawahl aufgerufen. Uns geht es nicht darum, eine bestimmte Richtung in der Politik zu propagieren. Uns geht es darum, die Leute zu ermuntern, am Dialog teilzunehmen, für das Beste zu kämpfen. Dafür steht die Marke Smart aus meiner Sicht mehr denn je. Und mit den durchaus eingeschränkten Ressourcen, die wir zur Verfügung haben, sind wir auch massiv angewiesen auf solche Partnerschaften, um unsere Botschaft mit der Marke auch zu transportieren.
Wie hilft das schlussendlich, also diese Botschaft zu transportieren, um dann Fahrzeuge zu verkaufen? Weil am Ende vom Tag seid ihr keine Fraktion, Partei oder ein Verein, der Unterstützung sucht – ihr wollt und müsst Fahrzeuge verkaufen. Wie verknüpft ihr das?
Wir tun das auch, Gott sei Dank. Wir sind ja kein gemeinnütziger Verein in der Hinsicht. Wir haben angefangen 2023 mit zehn Märkten, sind jetzt in Europa in 17 Märkten aktiv, haben zwei Fahrzeuge gelauncht. Der Dritte, der #5, kommt dann nächstes Jahr im Mai in Deutschland in die Showrooms. Wir haben unseren Absatz gegenüber dem letzten Jahr verdoppelt, jetzt mit allen Märkten im Launch, im Hochlauf.
Das heißt, ja, natürlich wollen wir auch Fahrzeuge verkaufen. Ohne wirtschaftlichen Erfolg wirst du auch nicht nachhaltig Botschaften platzieren können, weil es dich dann irgendwann nicht mehr gibt. Das ist für mich ein Hygienefaktor, der ist natürlich definitiv zu berücksichtigen. Aber da sind wir nicht schlecht unterwegs.
Smart | Eigentlich flüsterleise ruft dieser Smart #1 zur Teilnahme an der Europawahl auf
Das ist schon mal erfreulich, dass ihr nicht schlecht unterwegs seid und das freut uns dann auch, dass wir euch dann hoffentlich noch lange am Markt sehen. Allerdings ist es ja auch so, dass ihr im Rahmen dieser Neupositionierung, in dieser Weiterentwicklung der Marke, bestimmt auch Learnings mitnehmen durftet, die jetzt in die Zukunft der Marke einfließen. Was würdet ihr heute anders, besser machen vielleicht, bei einer Entwicklung der Marke? Und worauf könnte man verzichten?
Wir haben aus meiner Sicht zu lange gebraucht, um wieder zu uns selbst zu finden. Wir haben dieses Jahr den Claim „Open your mind“ quasi reaktiviert, den gab es früher schon mal. Der passt zur Marke, der strahlt die Markenwerte am besten aus, er transportiert die Markenwerte am besten.
Das war was, wo wir uns wahrscheinlich drei Jahre zu sehr beschäftigt haben mit uns selbst: Für was wollen wir stehen? Und: Was ist die Neuausrichtung? Letztendlich haben wir zu uns selbst zurückgefunden und das hat sehr viel Zeit gebraucht.
Wenn wir die Produkte ansprechen: Hardwareseitig sind unsere Produkte in dem Segment einzigartig aus meiner Sicht. Softwareseitig hatten wir am Anfang durchaus auch noch ein paar Baustellen, die wir über die Zeit immer im Drei-, Vier-Monats-Rhythmus mit entsprechenden Over-the-Air-Updates (OTA-Updates), aber sehr, sehr gut und nachhaltig behoben haben, immer eben in Zusammenarbeit mit unserer Community.
Das heißt, wir sind auf unsere Kunden eingegangen, wir sind auf unsere Kollegen von der Presse eingegangen, du warst auch mit dabei bei den entsprechenden Pressefahrvorstellungen. Wir haben das Feedback sehr, sehr ernst genommen und dann entsprechend die Software im Auto weiterentwickelt. Wir haben seit Launch, also in circa eineinhalb Jahren, sechs Over-the-Air-Updates (OTA) gemacht. Vor fünf Jahren, in dem Zeitraum, wäre das Science-Fiction gewesen. Das heißt, wir sind wirklich massiv auf die Kundenwünsche eingegangen.
Mein absoluter Favorit: Wir haben mit OTA 6 vor wenigen Wochen einen frei programmierbaren One-Touch-Button eingeführt, der quasi sämtliche Funktionen im Fahrzeug, die mir als Kunde auf die Nerven gehen könnten, aber regulatorisch vorgeschrieben sind, also das ganze Gepiepe im Auto, mit einem Knopfdruck stumm beziehungsweise visuell schalten kann. Das heißt, ich habe sieben verschiedene Themen von Lane Keeping bis Attention Assist und wir verlängern die Liste, wir bauen das aus mit den nächsten Over-the-Air-Updates, sodass ich regulatorisch konform mein Auto für mich nach dem Start mit einem Knopfdruck auf mich persönlich einstellen kann.
Und das war was, was uns die Kunden und Kundinnen rückgemeldet haben über die Zeit, und zwar sehr deutlich rückgemeldet haben: „Mir geht das auf die Nerven. Wieso muss das so laut sein? Warum ist das so aufdringlich? Ich brauche keinen Lehrer oder Polizisten bei mir im Fahrzeug. Nichts gegen Lehrer oder Polizisten, aber bitte nicht als Beifahrer„.
Und das haben wir dann umgesetzt über die Zeit, und das ist mein Highlight im letzten Over-the-Air-Update. Da gab es auch sehr, sehr viel positives Feedback von der Community. Also von daher, wenn du mich fragst: Was hätten wir besser machen können? Wir hätten das Thema Software viel früher angehen müssen aus meiner Sicht und viel schneller nachbessern müssen. Aber wir sind jetzt in der Geschwindigkeit, die ich so in der Industrie noch nicht erlebt habe.
Smart | Auch der #5 wird künftig von Over-the-Air-Updates profitieren
Trotz schwierigem Marktumfeld war das Jahr 2024 für Smart „Gold wert“
Gerade dieser One-Touch-Button, der wird bestimmt unter den Kolleg:innen bei Testfahrten auch sehr gerne gesehen sein, weil das immer das ist, wonach gefragt wird. Für mich war es letztes Jahr, glaube ich, im November, Dezember, wo ihr ein OTA-Update gefahren habt, hier kam die Lenkradheizung mit dazu – für sämtliche Smart-Kunden. Was ich auch einen schönen Vorteil fand, das man sagt, man nimmt nicht nur die neuen Kund:innen mit rein, die das Fahrzeug neu erwerben, sondern man bringt das auch rückwirkend mit ein.
Du hattest eben auch das Thema Absatz erwähnt. Ihr habt euch verdoppelt in diesem Jahr bisher, als wir über die Partner geredet haben. Seid ihr insgesamt im Plan? Wir wissen ja, der Markt dieses Jahr hat gelitten, eigentlich aber hauptsächlich in Deutschland als größter europäischer Markt. Europa an sich, China und die USA wachsen weiter, aber in der Mediendarstellung heißt es immer: Der E-Automarkt ist eingebrochen. Euch betrifft es ja zu 100 Prozent. Ihr seid reiner E-Autohersteller. Wie geht die Marke Smart damit um?
Nummer eins: Ich würde sagen, uns geht es den Umständen entsprechend gut. Nummer zwei: Wir haben wahnsinnig viel dazugelernt und wir haben als Organisation wunderbar an unserer Resilienz arbeiten können. Also von daher, das Jahr für uns war Gold wert als junge Firma.
Wir hätten nicht gedacht, dass wir so viel Gegenwind bekommen. Das hat angefangen im Dezember 2023 mit dem Umweltbonus der Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), mit dem Umweltbonus-Ende über Nacht, wobei über Nacht ist unfair. Ich glaube, es wurde freitags angekündigt und jeder, der es geschafft hat, Samstag sein Auto zuzulassen, hat Glück gehabt. Das ist in Deutschland nicht ganz so einfach. Das hat uns wehgetan. Hier sind wir dann eingesprungen, wie andere Hersteller auch und haben den Umweltbonus vollumfänglich für unsere Kund:innen übernommen. Das machen wir bis Ende des Jahres heute immer noch. Das heißt, das war für uns ein wahnsinnig hoher finanzieller Aufwand, den wir hier betrieben haben.
Dann kam in Frankreich – mehr oder weniger auch ohne große Ankündigung – der Ausschluss von nicht in Europa hergestellten Fahrzeugen von der lokalen Unterstützung. Und dann gab es die leidige Zolldiskussion für Elektroautos, die in China produziert werden. Das hat uns alles nicht geholfen. Das hat aber vor allem den Kunden dramatisch verunsichert.
Wenn ich mir die Kundenbrille aufsetze und wir machen Car Clinics alle drei Jahre grob, um auch zu verstehen: Wo sind die Trends, wo geht es gerade hin? Vor sechs Jahren war der Prozentsatz der Kunden, die sich vorstellen könnten, als nächstes Fahrzeug ein Elektroauto zu nehmen, deutlich höher als heute. Das sagt eigentlich alles aus.
Und ich rede hier nicht über China, ich rede hier über Europa. Die Car Clinic war in Deutschland und Italien, also Düsseldorf und Mailand. Von daher, das tut weh. Das heißt, der Kunde ist dramatisch verunsichert durch das Hü und Hott, durch dieses Auf und Ab, durch dieses Ändern der Regeln. Das ist für die Restwerte auch Gift. Es ist auch für die Leasingrate Gift. Das heißt, die Elektromobilität ist dieses Jahr, 2024, massiv gebeutelt worden. Uns geht es den Umständen entsprechend aber gut. Wir haben unseren Absatz verdoppelt und wir sind in Spur, absolut.
„Das heißt, der Staat kann, wenn er das nachhaltig macht, sehr wohl regelnd eingreifen in den Markt.“
Du hast es eben gerade schon gesagt, ihr seid mit der BAFA Förderung – jetzt auch als greifbares Beispiel hier für uns in Deutschland – in Vorleistung gegangen, jetzt auch noch bis Ende des Jahres. Das war mir auch gar nicht bewusst, dass ihr das so lange durchgezogen habt. Das heißt ja im Umkehrschluss, ihr macht wahrscheinlich relativ gute Marge an euren E-Autos.
Aber die ganze Thematik geht im kommenden Jahr verstärkt weiter. Du hast es selbst angerissen: die Strafzölle. Und das Thema müssen wir streifen, weil Europa-China, eure Verbindung, die greift hier direkt. Ist das überhaupt förderlich, dass der Markt von der Politik heraus geregelt wird? Und wer leidet am Ende am meisten?
Wenn ich darf, würde ich es gerne zweigeteilt beantworten. Der erste Teil geht auf: Sollte der Staat regeln? Da gibt es ein ganz, ganz tolles Beispiel, nördlich von uns, Norwegen, wo der Staat seit über 20 Jahren regelt, und zwar nachhaltig regelt in eine Richtung. Und zwar Richtung Elektromobilität.
Das hat klein angefangen mit Steuervergünstigungen, dann kamen Zulassungsvergünstigungen, dann kam freies Parken in der Innenstadt, dann kam freies Laden am Wochenende und hat sich dann bis hin zu „Wir machen keine Mehrwertsteuer für Elektroautos, wir machen keinen Importzoll auf Elektroautos“ so entwickelt, dass nächstes Jahr die Verbrenner so gut wie weg sind in Norwegen.
Das heißt, es geht, und es hat den Staat auch nicht wirklich massiv Geld gekostet, weil sie es auf der anderen Seite gegenfinanziert haben. Das heißt, der Staat kann, wenn er das nachhaltig macht, sehr wohl regelnd eingreifen in den Markt. Sollte er aus meiner Sicht auch und er sollte sich immer die Rückendeckung des Volkes holen.
Und das hat Norwegen über 20 Jahre hervorragend gemacht. Der komplette Weg zur Elektromobilität wird vom norwegischen Volk getragen, und zwar regierungsunabhängig. Da gab es auch Regierungswechsel. Also das finde ich einen sehr nachhaltigen Weg, den man gehen kann. Ja, der Staat sollte regeln, wenn er es denn hinbekommt nachhaltig.
Was wir nicht hinbekommen haben in Deutschland, ist genau dieses Nachhaltige, auch nicht in Europa. Mal rein, mal raus, das betrifft nicht nur die Anschaffungssubventionen, also BAFA und Co., es betrifft auch das ganze Thema Ladeinfrastruktur, das viel zu langsam vorangeht. Es betrifft das Thema Stromkosten aus meiner Sicht. Wir haben die vergangenen Wochen eine Explosion in den Stromkosten erlebt. Das macht es nicht unbedingt attraktiver, sich ein Elektroauto anzuschaffen. Diese ganze Unsicherheit führt dazu, dass der Elektromarkt in Deutschland beispielsweise um über 25 Prozent eingebrochen ist dieses Jahr. Und da muss man gegensteuern.
Smart | Blick auf das aktuelle Modellportfolio der Marke Smart
Da würde ich kurz einhaken, ansonsten vermischen wir es zu sehr. Du hast es schön ausgeführt. Norwegen hat das schon durchdacht gemacht, vom Staat getrieben, die Unterstützung der Menschen. Das ist für Norwegen augenscheinlich aber auch ein Stück weit einfacher, weil man eben nicht diese breite Automobilherstellerlandschaft hat, wie wir das hier in Deutschland haben. Ich meine, wir haben hier VW, wir haben Mercedes, wir haben BMW. Das ist nicht so ganz einfach. Da schwingt auch so eine gewisse Geschichte mit, diese Verbundenheit dazu. Wäre das überhaupt möglich gewesen, das bei uns in diesem Ausmaß umzusetzen?
Sebastian, wenn du mit den Kollegen Blume, Zipse und Källenius sprichst, dann wirst du wahrscheinlich das Gleiche hören wie von mir. Alles ist besser als das, was wir gerade machen. Die Kollegen werden das selbe fordern von der Politik: Gebt uns stabile, gleichbleibende Rahmenbedingungen. Die drei Beispiele sind gut, weil sich alle drei massiv auf die Elektromobilitätswende eingestellt haben, mit ihren Investitionen, mit allem. Jeder war bereit. Da schreit auch keiner Hurra, dass es jetzt eine Rolle rückwärts zu geben scheint. Ich glaube, das wäre in Deutschland durchaus machbar gewesen, wenn man die Unternehmen rechtzeitig eingebunden hätte und wenn man es gemeinsam gemacht hätte.
EU-Strafzölle treiben Hersteller 2025 zu Preiserhöhungen und Umschwung auf Plug-in-Hybride
Das ist genau das Thema, dass es gar nicht um die eine oder die andere Technologie geht, sondern um die Leitplanken, die du erwähnt hast. Lange und planbare Leitplanken, schließlich werden Investments getätigt. Da können wir nicht nur von zwei, drei Jahren Sicherheit reden, sondern wir müssen die nächsten 10, 15, 20 Jahre wissen, damit man entsprechend aktiv werden kann. Jetzt wird in den Markt eingegriffen, indem man Strafsteuern bzw. Strafzölle erhebt auf E-Autos, die in China gefertigt werden. Das betrifft euch natürlich stark, aber auch andere deutsche Hersteller, die in China für Europa und für den Weltmarkt fertigen. Wie ist da die Einschätzung, um jetzt den dritten Teil deiner Antwort aufzugreifen?
Zu den Strafzöllen: Wir sind davon seit 1. November betroffen. Das heißt, faktisch werden sämtliche Fahrzeuge, die wir seit 1. November 2024 importieren, mit zusätzlichen 18,8 Prozent Strafzoll oder Zusatzzoll belegt. Das tut weh. Wir werden im Januar die Preise entsprechend anheben müssen, so viel zu deiner Suggestivfrage „Dann müssten wir ja dick und fett Margenüberhang haben.“ Haben wir nicht. Das heißt, wir sind gezwungen, Preise anzuheben. Und ich gehe davon aus, dass das andere Hersteller, die ebenfalls in China produzieren, auch zeitnah machen werden. So, Thema eins.
Das heißt, es wird deutlich teurer, im B- oder C-Segment ein Elektroauto zu beziehen, meine Vermutung für nächstes Jahr. Wenn dem so ist, werden sich Hersteller, die sich nicht rein elektrisch verstehen, umschwenken auf Plug-in-Hybride oder Verbrenner. Das haben gewisse Konkurrenten bereits angekündigt. Die werden auch nicht in Europa gefertigt in dem Segment. Das heißt, auch die kommen dann aus China, aus Korea oder Japan.
Das heißt, dieses Schwert, das die EU hier schwingt mit den Strafzöllen, ist ein relativ kurzes Schwert und ein relativ stumpfes Schwert aus meiner Sicht, weil diese Strafzölle zu umgehen mit anderen Produkten, ist ein Leichtes für viele dieser Hersteller. Es wird aus meiner Sicht eher dazu führen, dass die Elektromobilität noch ein Stück weit eingebremst wird in Europa und wir das Klimaziel noch eher aus den Augen verlieren werden.
Man möchte zwar den Markt regulieren, aber man bestraft ihn eher, weil wir wissen: Nächstes Jahr steigen die CO₂-Flottenwerte, an denen die Hersteller gemessen werden. Jetzt erheben wir aber zusätzliche Strafzölle auf Fahrzeuge, die diese CO₂-Flottenwerte senken würden. Das kann auch nicht im Sinne des Erfinders sein. Was oder wie könnte man das besser machen? Sind wir da wieder bei dem Thema Norwegen, das Ganze ganzheitlicher zu denken?
Ja, ganzheitlicher beziehungsweise kooperativer. Wir sind bei Smart, wie ich eingangs erwähnt habe, durchaus optimistisch, was die Zukunft angeht, auch optimistisch, was die nahe Zukunft bezüglich dieser Zölle angeht. Die Verhandlungen laufen noch. Das heißt, MOFCOM, Ministry of Commerce in China, und die EU-Kommission und das Case-Team, verhandeln nach wie vor, um zu einer besseren Lösung zu kommen. Eine bessere Lösung könnte zum Beispiel ein Minimum-Importpreis, also eine Selbstbeschränkung der Importeure sein, könnte eine Quotenregelung sein. Da gibt es diverse Spielarten, die alle besser sind, auch für den Kunden, als Strafzölle.
Smart | Ein Smart Plug-In-Hybrid (PHEV) für Europa ist keine Option
Smart: Chinesische oder deutsche Marke?
Wenn das jetzt so bleibt, wie es ist, führt das in Anführungsstrichen, in großen Anführungsstrichen, „nur“ zu erhöhten Preisen für die Smart-Kund:innen? Oder spielt ihr auch noch mal mit der Idee oder mit dem Gedanken, den Schwenk zu Plug-in-Hybriden zu machen?
Sehr gute Frage. Das ist bei uns aktuell für Europa nicht vorgesehen, nein.
Ihr seid ja auch eine Marke, die aus zwei Märkten stammt. In Europa haben wir Mercedes, in China haben wir Geely, die das Kind Smart als Mütter mit sich bringt. Was ist Smart, wenn wir noch mal auf die Marke zurückgehen? Ist Smart eine chinesische, eine deutsche Marke oder irgendwas dazwischen?
Wir verstehen uns als internationale, globale Marke mit europäischen Wurzeln. Wir haben zwei große Kontinente als Heimat, nämlich Greater China mit mittlerweile Hongkong, Macau und Co., Taiwan kommt demnächst, und Europa mit mittlerweile 17 Märkten. In Summe sind wir in über 30 Märkten aktiv. Vor kurzem Australien, Vereinigte Arabische Emirate, Thailand, Malaysia, Israel. Das heißt, wir sind nach wie vor global am Expandieren, aber wir können natürlich unsere Herkunft, unsere europäische Herkunft, nicht verleugnen.
Angefangen hat alles in Biel in der Schweiz. Dann sind wir nach Renningen, Böblingen gezogen und letztendlich mit der Fabrik in Hambach mit Contract Manufacturing, Auftragsfertigung in Novo Mesto und Born, mit vorher damals Kooperationspartner, Mitsubishi und Renault. Wir sind schon immer international gewesen mit starken europäischen Wurzeln und das wollen wir auch beibehalten.
Und davon ausgehend, kann man jetzt auch sagen, Europa ist für euch der relevanteste Markt, oder ist es China mittlerweile?
Das ist wie bei fast allen Herstellern aus Deutschland. China ist der mit Abstand wichtigste Markt für uns. Gleich dahinter kommt aber schon Deutschland. Also Europa, klar, Nummer zwei, aber innerhalb Europas Deutschland. Wir sind aktuell bei circa 45 Prozent vom Gesamtvolumen in Europa in Deutschland. Das heißt, trotz aller Knüppel, die uns zwischen die Beine geworfen wurden, sind wir in Deutschland durchaus erfolgreich unterwegs.
Wie nehmen euch die Kund:innen auf dem deutschen Markt vor allem wahr? Werdet ihr dort auch als internationale Marke mit europäischen Wurzeln angesehen? Geltet ihr als eine europäische Marke, eher deutsch zugewandt oder zählt ihr vielleicht sogar schon als chinesischer Elektroautohersteller?
Wir haben Ende letzten Jahres das Goldene Lenkrad gewonnen. Ich meine, für jeden, der in der Automobilindustrie tätig ist, ist das sicherlich ein Kindheitstraum, der da in Erfüllung gegangen ist. Und wir haben das gewonnen als deutsche Marke, also mit der deutschen Flagge hinter unserem #1. Das heißt, wir werden gerade in Deutschland nicht als europäische, sondern als deutsche Marke wahrgenommen, mit Europasitz-Zentrale in Stuttgart bzw. Leinfelden-Echterdingen.
Smart | 07.11.2023 Berlin; Verleihung Das Goldene Lenkrad 2023
Wir werden aber auch dadurch als deutsch wahrgenommen, weil wir sehr, sehr eng in Europa mit Mercedes zusammenarbeiten. Wir sind in den Showrooms integriert bei Mercedes mit einer Shop-in-Shop-Lösung in Deutschland in mehr als 90 Standorten. Wir haben ein After-Sales-Netz, das komplett von Mercedes autorisiert und auch gesteuert wird. Unsere komplette Teileversorgung läuft über Germersheim-Hatten, also in der Mercedes-Schiene. Das heißt, wir sind sehr, sehr nah dran an unserer deutschen Mutter sozusagen.
Und der Kunde nimmt das durchaus wohlwollend zur Kenntnis, weil er eventuell früher schon einen Smart gekauft hat bei genau seinem Ansprechpartner vor Ort. Und da ist ein sehr, sehr großes Vertrauensverhältnis entstanden über die letzten 26 Jahre. Oder er hat als Erstwagen heute noch einen Verbrenner Mercedes, vielleicht nächstes Jahr dann einen #5, aber die Kunden sind nicht nur verwurzelt mit der Marke, sondern auch mit ihrem Händler, mit ihrem Agenten, mit ihrem Ansprechpartner vor Ort. Und da werden wir nach wie vor als Smart wahrgenommen – und als deutsche Marke.
Zwar trägt die deutsche Mutter Mercedes dazu bei, dass ihr als deutsche Marke wahrgenommen werdet. Aber vor allem die chinesische Mutter Geely ist ja auch relevant für euch in der Neuausrichtung, vor allem was die Hardware und Software betrifft. Hardwareseitig seid ihr einzigartig unterwegs, bei der Software habt ihr viel dazugelernt. Inwiefern nutzt Smart diese Synergien der zwei Mütter, um für Kund:innen das nahezu perfekte Fahrzeug auf die Straße zu bringen?
Erst mal ein großes Lob dafür, dass du dir das „einzigartig“ eingeprägt hast, dann muss ich das nicht noch mal sagen. Das Beste aus zwei Welten hört sich jetzt wahnsinnig marktschreierisch an, ist aber in der Tat so. Wir beziehen unsere komplette Technik aus dem Baukasten von Geely.
Und der Baukasten von Geely gibt unter anderem beim #5 800-Volt-Technologie her, was in dem Segment auch nicht Usus ist und auch über Jahre hinaus ein Alleinstellungsmerkmal sein wird in dem Segment, wo wir mit dem #5 jetzt reingehen. Wir haben eine riesen Entwicklungs-Engineering-Power in China bei Smart aufgebaut, aber immer in Kooperation mit Geely.
Das Design kommt aus der Feder von Gordon Wagener und Kai Sieber. Kai Sieber hat auch schon die letzte Generation Fortwo und Forfour designt. Das heißt, da ist eine natürliche Evolution im Design gegeben, dadurch, dass es die gleichen weitermachen bei Mercedes-Benz, wie früher auch schon. Und vertriebsseitig werden wir in Europa von Mercedes unterstützt, vertriebsseitig werden wir in China, auch systemseitig in China, von Geely unterstützt und deren Submarken. Das heißt, wir können uns als Smart eine sehr, sehr schlanke Struktur erlauben, weil wir aus dem Baukasten und der Expertise von beiden Müttern ziehen können. Und so war dieses Joint Venture auch angedacht.
Smart | Perfekte Symbiose aus China und Europa?
Smart: Technik aus China, Design aus Europa – die perfekte Symbiose?
Du hast vorhin in einem Atemzug auch Deutschland-China genannt. China ist der wichtigste, der am meisten wachsende Markt. Ist es überhaupt möglich, ein Fahrzeug in Deutschland zu designen, also das Exterieur und Interieur, und damit auf dem chinesischen Markt zu bestehen?
Wir haben es ja bewiesen. Ja, ist es. Alle unsere drei Fahrzeuge, #1, #3, #5 haben einen Design-Wettbewerb durchlaufen. Mercedes ist ja auch nicht nur Sindelfingen im Design. Mercedes-Benz hat in Palo Alto, in Sindelfingen und in Shanghai drei große Design-Center, die jeweils ihren Vorschlag für das Design für den neuen Smart eingebracht haben.
Und dann wurde mal der eine, mal der andere ausgewählt. Also es kann durchaus passieren, dass der #3 eben aus Shanghai, Design-Center Mercedes-Benz, kommt und der Hashtag #1 aus Sindelfingen beispielsweise. Die komplette Head-Unit, also unser Human-Machine-Interface, wurde designt von Mercedes-Benz. Auch der Avatar, der Fuchs, jetzt der Gepard. Auch das kommt aus dem Hause Mercedes-Benz. Die Technik dahinter, die kommt von Smart respektive Geely-Kollegen in China.
Gehen wir noch eine Stufe tiefer und blicken auf euer Portfolio. In jüngster Vergangenheit heißt es bei Smart: jedes Jahr ein neues Modell. Es gibt den #1, es gibt den #3, nächstes Jahr den #5. Kommt nicht irgendwann der Punkt, wo man sich auch ein Stück weit übernimmt und dann sagt: Okay, ist es vielleicht auch zu viel, zu schnell, das alles auf die Straße zu bringen? Oder ist es für euch auf Grundlage der Synergien von Mercedes und Geely ein Leichtes, diese hohe Schlagzahl auf hohem Niveau beizubehalten?
Nummer eins: Ich glaube nicht, dass wir uns damit übernommen haben. Nummer zwei: Ich habe so was allerdings auch noch nie erlebt, dass ein sehr junges Unternehmen wirklich in den ersten drei Jahren drei Fahrzeuge auf den Markt bringt oder auf die Märkte bringt, parallel dazu eine Firma gründen, in Europa mit jetzt mittlerweile zehn Tochterfirmen in ganz Europa verteilt, ein komplettes Wholesale-Netz aufbauen darf. Das ist auch ein großes Privileg, das hat man auch nicht so oft in seiner Karriere. Und nebenbei das Vertriebssystem umstellt auf Direktvertrieb und das Händlernetz komplett neu aufstellt.
Also es waren nicht nur die drei Produkte, die uns die letzten drei Jahre wahnsinnig beschäftigt haben, sondern der gesamte Relaunch der Marke mit allen seinen Facetten. Und das Produktthema ist Gott sei Dank keines, was uns umwirft, weil eben die Hardware von Anfang an überragend gut war. Ich kann es nicht anders sagen: überragend gut. Wir haben für ein Start-up wenig Probleme mit unseren Fahrzeugen bekommen. Software haben wir schnell nachgelegt. Das heißt, es wirft uns nicht aus der Bahn und ich glaube, der #5 wird dem Ganzen noch mal so ein Stück weit die Krone aufsetzen, was das Thema Technologie angeht.
Smart | Dirk Adelmann vor dem Smart #5 Concept – dem E-Auto, auf das er gewartet hat
Smart #5: Der vollelektrische Erstwagen für Smart-Fahrer:innen
Und das glaube ich auch, rein, was man bei den technischen Daten und Fakten schon sieht oder auch bei ersten Eindrücken wahrnehmen durfte, wird der gut aufgenommen. Aber der Smart #5 ist nicht der typische Smart, das ist schon was ganz anderes. Du hattest Smart auch definiert als Marke für nachhaltige, urbane Mobilität in allen Segmenten. Für urbane Mobilität hätte ich jetzt eher eine kleinere Fahrzeugklasse genommen. Nachhaltig ist ja auch immer eine Frage von Ressourcen. Klar, nachhaltig im Antrieb, in der Antriebstechnologie, aber von den Ressourcen, die zum Einsatz kommen, würde ich einen #5 aufgrund seiner Größe nicht unbedingt als nachhaltig bezeichnen. Von daher würde mich interessieren: Wer ist eure Zielgruppe für dieses Fahrzeug und wer hat auf diesen E-SUV gewartet?
Ich persönlich habe sehr drauf gewartet. Wir sind momentan, also seit fünf Jahren schon, ein rein elektrischer Haushalt. Mann, Frau, zwei Kinder, also eher klassisch langweilig. Wir sind momentan unterwegs mit einem #1 und einem #3, das geht hervorragend. Der #3 hat 455 Kilometer Reichweite nach WLTP, wunderbar. Ich freue mich auf den #5.
Der #5 wird voraussichtlich den #3 ersetzen und ein echtes Familienreisemobil sein. Durch das Schnellladen, durch den großen Akku mit über 100 Kilowattstunden, aber auch durch die Federung, durch die Ausmaße des Fahrzeugs im Innenraum. Wir haben zum allerersten Mal ein Auto von Smart, mit dem ich das Erstfahrzeug – idealerweise einen Verbrenner – ersetzen kann.
Und von daher wird es hoffentlich in der Zukunft mehr reine Smart-Haushalte geben. Das macht es auch deutlich leichter in der Steuerung der Fahrzeuge, in der Planung der Fahrzeuge. Wir haben mit unseren digitalen Schlüsseln die Möglichkeit, ohne physischen Schlüssel Autos zu teilen innerhalb der Familie. Meine älteste Tochter macht im Januar ihre praktische Prüfung, die darf dann da auch mal begleitet mit fahren.
Ich freue mich riesig drauf und ich denke, es wird noch mehr Leute geben, die dann ihren Fuhrpark umstellen, erst mal auf rein elektrisch, was uns riesig freut, und rein Smart idealerweise. Und das konnten wir bisher nicht jedem bieten.
Wer wären denn die Marktbegleiter, die Smart ablösen möchte, wenn ein Smart auch Erstwagen sein kann und nicht nur Zweit- und Drittwagen?
Dadurch, dass wir uns den Showroom teilen mit Mercedes-Benz, ist logischerweise der Schritt von Mercedes-Benz, in diesem Segment unterhalb der 50.000 Euro Platz zu machen. Für uns ist das ein Glücksfall. Das war allerdings auch so geplant, nicht von uns alleine, sondern auch von unserer deutschen Mutter.
Das heißt, wir erfüllen jetzt in diesem Konstrukt auch einen gewissen Auftrag, die Kunden im Showroom, im gleichen Handel, beim gleichen Partner nicht zu verlieren. Und aus meiner Sicht bieten wir eine echte Alternative auch für die größeren Fahrzeuge, dann deutlich teureren Fahrzeuge von Mercedes-Benz, vielleicht hoffentlich aus meiner Sicht auch für Hybride und Verbrenner von Mercedes-Benz.
Also da schielen wir natürlich schon rüber im Showroom. Wir haben aber auch die ganzen klassischen Konkurrenten hier, ja, beispielhaft VW zu erwähnen, wo wir – wieder aus meiner sehr subjektiven Sicht – das deutlich attraktivere Paket bieten, nicht nur mit dem #5, sondern auch mit den ersten beiden.
Smart | Smart #5 als künftiger Absatztreiber der Marke
Smart #5 soll bis zu 50 Prozent des Absatzes auf sich vereinen
Was erwartet ihr beim Absatz? Was wird der Verkaufsschlager sein und welche Rolle nimmt der #5 im Portfolio eurer drei Fahrzeuge ein?
2025 wird für uns ein Stück weit die berühmte Kristallkugel. Ich habe Preiserhöhungen in dem Umfang, im gesamten Segment, so auch noch nie erlebt. Da sind wir sehr gespannt, wie sich das aufs Kund:innen-Verhalten auswirken wird. Wir planen aktuell mit einem Mix von circa 50 Prozent #1, dann noch mal circa 30 Prozent #3 und 20 Prozent #5, wobei der #5 erst zur zweiten Jahreshälfte so richtig anläuft. Das heißt, in einem Volljahr mit allen drei Produkten gehen wir davon aus, dass der #5 an die 50 Prozent machen wird, weil er schlicht und ergreifend in einem Segment unterwegs ist, in dem es so was noch nicht gibt. Das heißt, er wird sich definitiv nicht nur Freunde machen bei unserem Wettbewerb, aber das ist auch gewollt.
Zum Abschluss unseres Gesprächs, wenn du die Zukunft von Smart in einem, maximal zwei Sätzen beschreiben müsstest, blicken wir mal auf die nächsten zehn Jahre: Wie würde der Ausblick deinerseits lauten?
Die nächsten zehn Jahre? Das ist sehr weit geblickt in der aktuellen Umgebung. Smart hat sich in zehn Jahren, wenn wir mal zehn Jahre weiterspringen, etabliert als Multi-Produktunternehmen und hat sehr dazu beigetragen, das Thema nachhaltige Mobilität fest zu verankern in Europa. In China ist das Thema durch, da kommt das. In Europa haben wir noch wahnsinnig viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ich habe vor kurzem mal gesagt, dass wir als Unternehmen oder auch als Marke schwer kleinzukriegen sind. Und damit habe ich nicht gemeint, wieder zurück zum Fortwo, sondern damit habe ich gemeint, dass wir als Unternehmung schwer kleinzukriegen sind. Wir haben dieses Jahr wahnsinnig dazugelernt. Wir haben an Resilienz gewonnen nicht nur in Europa, auch in China, wo es noch mal deutlich anspruchsvoller ist, im Markt zu bestehen.
In zehn Jahren würde ich gerne zurückblicken und sagen: Wir haben unseren bescheidenen Teil dazu beigetragen, das Klimaziel zu erreichen und urbane, nachhaltige Mobilität zu fördern. Dann haben wir schon sehr viel erreicht.
Dann drücken wir die Daumen, dass das auch so eintritt, und dass Smart diesen Teil für uns alle beitragen kann und wir alle in zehn Jahren besser dastehen, als es heute der Fall ist in puncto Klima. Vielen Dank für deine Zeit, Dirk, und die Einblicke.
Danke dir.
Der Beitrag Smart-Europa-CEO: Wie Smart die E-Auto-Welt umkrempelt erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.