CO2-Vorgaben der EU: Das Gebaren des ACEA ist nur noch peinlich
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Ein Kommentar von Michael Neißendorfer
Der europäische Automobilherstellerverband ACEA (für Association des Constructeurs Européens d’Automobiles) wird nicht müde, auf eine Lockerung der Klimaschutzregeln für Neuwagen in der Europäischen Union (EU) hinzuwirken. War es im vergangenen Jahr noch Renault-Chef Luca de Meo in seiner Funktion als Präsident des Lobbyverbands, der Horrorszenarien vom Untergang der europäischen Automobilindustrie an die Wand malte, sollte die EU an den seit Jahresbeginn geltenden, strengeren CO2-Grenzwerten festhalten, ist es nun sein Nachfolger als ACEA-Präsident, der CEO von Mercedes-Benz Ola Källenius, der gebetsmühlenartig die selben Sprüche wiederholt. Und ganz ehrlich: Wir können es nicht mehr hören.
„Wir brauchen einen realistischen Pfad zur Dekarbonisierung der europäischen Autoindustrie – einen, der marktgetrieben ist und nicht von Strafen“, fordert Källenius in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an die Europäische Kommission. Die Branche halte am Ziel einer emissionsfreien Mobilität fest, gibt er sich immerhin einsichtig, dass Klimaschutz wichtig ist. Doch das Tempo des Umschwungs hänge vom Kunden ab, und das gehe zu langsam, behauptet er. Doch damit schiebt er Verantwortung nur ab, statt sie zu übernehmen.
Dabei gibt es diesen „realistischen Pfad“, auf den Källenius pocht, bereits seit 2009, nunmehr also 16 Jahren, als die EU erstmals festgelegt hat, dass Autos klimafreundlicher werden müssen. Wesentlich geändert wurde die EU-Vorgabe seitdem nicht mehr, 2019 wurde final bestätigt, wie viel CO2 Neuwagen ab 2025 noch ausstoßen dürfen. Wer es als Autohersteller versäumt hat, sich darauf einzustellen, hat in dieser Hinsicht schlicht und einfach und auf ganzer Linie versagt.
Es hätte viele Wege gegeben, Flotten und Portfolios so umzubauen, dass sie für 2025 auf Kurs kommen. Das müssten auch nicht nur Elektroautos sein, wie Källenius es suggeriert, wenn er auf den in Europa stagnierenden Absatz der in der Bilanz klimafreundlichsten Modelle hinweist – als doch recht billige Ausrede, die CO2-Vorgaben nicht einhalten zu können. Denn es gäbe aber auch viele andere Wege: auch Plug-in-Hybride, sparsamere Mildhybride und vor allem kleinere und leichtere Autos mit kleineren und sparsameren Motoren kämen in Frage. Ein ausgewogener Mix davon und der Käse wäre gegessen. Doch auch hier haben viele Hersteller geschlafen – statt kleiner, leichter und sparsamer wurden Autos in den vergangenen Jahrzehnten immer größer, schwerer und leistungsstärker.
Dass es auch anders geht, zeigt der Neuwagenmarkt in China eindrucksvoll. Es ist der mit Abstand größte Automarkt der Welt, 40 Prozent aller Neuwagen werden dort zugelassen. Über die CO2-Vorgaben in Europa dürften Chinesen nur müde lächeln. In der EU müssen Hersteller grob überschlagen etwa 20 Prozent E-Autos und 10 Prozent Plug-in-Hybride an die Frau und den Mann bringen, um ihr Klimaziel einhalten zu können. Das wurde in China schon im Vorjahr erreicht, mehr als 50 Prozent aller Neuzulassungen dort haben Batterie und Stecker verbaut.
Was uns besonders sauer aufstößt, ist die unlautere Argumentation des ACEA. 15 Milliarden Euro an Strafzahlungen sollen den Herstellern drohen, wenn sie ihre CO2-Ziele verfehlen. Diese Behauptung hat zuletzt die NGO Transport & Environment zerpflückt und kam zu dem Schluss, dass es am Ende nicht mehr als eine Milliarde Euro sein dürfte. Und selbst wenn es 15 Milliarden wären: Für die satte und allzu oft recht selbstgefällige Autoindustrie, die sich gern wichtiger nimmt, als sie ist, wäre das zu verschmerzen.
Für wen spricht der ACEA überhaupt?
Wir fragen uns sogar, für wen der ACEA diese Forderungen überhaupt einbringt. Die ACEA-Mitglieder BMW, Hyundai und Volkswagen haben in den vergangenen Tagen und Wochen bereits verlauten lassen, dass sie davon ausgehen, die CO2-Ziele für 2025 aus eigener Kraft oder mittels Pooling einhalten zu können. Selbst Mercedes, das unter Källenius’ Verantwortung liegt, kann dies dank seinem Verbund mit dem chinesischen Geely-Konzern mit in der E-Mobilität überdurchschnittlich starken Marken wie Smart und Volvo schaffen. Der 14-Marken-Konzern Stellantis, der nicht Mitglied beim ACEA ist, ist ebenfalls zuversichtlich, die CO2-Vorgaben erfüllen zu können.
Damit wären wir auch an einem Punkt, den EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra als Argument aufgeführt hat, warum ein Aufweichen der Flottengrenzwerte nicht in Frage kommt. Neben der langen Vorlaufzeit von nunmehr 16 Jahren verweist er darauf, dass „mehrere große europäische Hersteller ihre Zuversicht zum Ausdruck gebracht haben, dass sie ihre Ziele erreichen werden, und sich entschieden gegen Änderungen des Rahmens für 2025 ausgesprochen“ hätten.
Die Kommission sei sich zwar bewusst, dass einige Autohersteller nun Bedenken hinsichtlich ihrer Fähigkeit geäußert hätten, „ihr Emissionsziel für 2025 vor dem Hintergrund eines verstärkten globalen Wettbewerbs und eines schrumpfenden Fahrzeugmarktes zu erreichen“. Allerdings würde eine kurzfristige Änderung der Regeln „die Wettbewerbsbedingungen verzerren“ und jene Hersteller, die ihre CO2-Ziele einhalten können, „in einen Wettbewerbsnachteil bringen“.
Und damit trifft es Hoekstra ziemlich genau: Wer in den vergangenen Jahren nicht fähig war, Verantwortung zu übernehmen, um für eine klimafreundlichere Neuwagenflotte zu sorgen, ist selbst schuld. Und sollte dann aber auch das Rückgrat haben, die Konsequenzen zu akzeptieren – anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen.
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