Ukraine-Krise: Kehrtwende für Energieversorgung und Mobilität?
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Verkehrsminister Volker Wissing von der FDP hat im Gespräch mit Welt am Sonntag erklärt, wie sich die Mobilität in Europa zukünftig ändern wird. Dabei spielt auch der Ukraine-Krieg eine entscheidende Rolle. Wir haben das Gespräch zusammengefasst und über den Tellerrand geschaut.
Es sind schwere Tage wie diese, die zum Umdenken zwingen – und zwar schnell. Eine Energiewende scheint längst überflüssig, vor allem seit Russland die Ukraine überfallen hat. Das Problem: Europa ist aufgrund der Rohstoff-Exporte Russlands, insbesondere von Gas durch die Pipeline Nordstream 1, nicht wirklich unabhängig. Der Krieg muss aufhören – keine Frage. Auf der einen Seite liefert die NATO Waffen an die Ukraine, auf der anderen Seite bezieht die EU Öl und Gas aus Russland und finanziert so den Krieg mit. Das ist die traurige Wahrheit.
Ein erster Schritt: Jüngst hat die USA einen sofortigen Importstopp von russischem Öl bekanntgegeben, wie die Tagesschau berichtet. FDP-Verkehrsminister Volker Wissing erklärt gegenüber der Welt am Sonntag: „Der Überfall auf ein anderes Land innerhalb Europas zwingt uns, viele Dinge grundlegend neu zu denken“. Damit meint er auch die Mobilität (der Zukunft), die eben auch von russischen Rohstoffen abhängt. Und dies merken wir bereits am eigenen Geldbeutel: Nicht nur die Spritpreise sind auf ein Rekordniveau gestiegen; Diesel ist mancherorts sogar teurer als Benzin.
FDP-Verkehrsminister Volker Wissing (FDP.de / Laurence Chaperon)
Was die Energieversorgung angeht, schlagen bereits erste Unternehmen und Branchen Alarm, wie das Handelsblatt berichtet. Niemand wüsste, wie sich die Lage im Falle eines möglichen Gas-Lieferstopps aus Russland noch zuspitzen wird. Experten gehen davon aus, dass ein Embargo auf russische Energie verkraftbar wäre. Doch mit welchen Bedingungen wäre dies verbunden? Noch teueren Strom-, Gas- und Ölpreisen? Bundeskanzler Olaf Scholz hält dies für einen Irrglauben: Deutschland will laut Bericht der Tagesschau vom 7. März 2022 deshalb vorerst weiter auf Energieimporte aus Russland setzen: „Die Versorgung Europas mit Energie für die Wärmeerzeugung, für die Mobilität, die Stromversorgung und für die Industrie kann im Moment nicht anders gesichert werden.“
Nach Tagesschau-Angaben des Wirtschaftsministeriums liege der Anteil russischer Importe an den fossilen Gasimporten nach Deutschland bei rund 55 Prozent, bei Kohle bei rund 50 Prozent und bei Rohöleinfuhren bei rund 35 Prozent. In der EU kommen 40 Prozent des importierten Gases aus Russland. Daher habe Europa Energielieferungen bei den Sanktionen bewusst ausgenommen. Man arbeite jedoch mit Hochdruck an daran, Alternativen zur russischen Energie zu entwickeln. Gemeint sind Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind und Wasser.
BMW
Unabhängigkeit der Energieversorgung wird an Bedeutung gewinnen
Denken wir weiter, stellt sich die Frage: Macht uns die Elektromobilität noch abhängiger von russischen Gaslieferungen? Wissing erklärt: „Wir verfolgen mit neuen Antrieben und Veränderungen im Mobilitätssektor Klimaschutzziele und keine geostrategischen Ziele. Klar ist aber auch, dass wir uns nicht in eine vertiefte Abhängigkeit von einem Land begeben können, von dem eine derartige Aggression ausgeht.“ Ziel sei es, eine stärkere Abhängigkeit durch die Elektromobilität zu vermeiden, die innerländische Energieversorgung möglichst selbst klimaneutral sicherzustellen. „Dieser Transformationsprozess ist eingeleitet, wir werden ihn jetzt deutlich beschleunigen. Die Unabhängigkeit der Energieversorgung wird an Bedeutung zunehmen“, sagt der FDP-Politiker voraus.
Der Krieg wird noch weitere Auswirkungen auf Energiepreise haben, manche Experten sprechen gar bereits von Benzinpreise über drei Euro. Der Gipfel des Berges sei also noch nicht erreicht. Und auch der Strompreis wird weiter steigen, so dass auch die Elektromobilität teurer werden wird. Wissing betont, man werde alles tun, um gut durch die Krise zu kommen. Hierfür wurde ein ganzes Entlastungspaket beschlossen, zum Beispiel eine höhere Pendlerpauschale. Doch reicht das? Der Politiker zeigt sich im Interview mit der Zeitung besorgt: „Ich mache mir große Sorgen um die arbeitende Mitte, die pendelt und hohe Mehrbelastungen beim Kraftstoff erlebt. Diese Menschen dürfen nicht die Verlierer des gegenwärtigen Transformationsprozesses werden, denn wenn wir sie verlieren, dann verlieren wir den Teil der Gesellschaft, der unseren Wohlstand und Sozialstaat finanziert.“ Anmerkung der Redaktion: Außerdem kann sich nicht jeder ein neues Elektroauto leisten, sofern es überhaupt Sinn macht. Stichwort: Lade-Infrastruktur.
Die erhöhte Pendlerpauschale wäre laut Wissing ein wichtiges Signal, dass diese gesellschaftliche Mitte nicht alleine gelassen wird. Investitionen im Verkehrssektor seien Zukunftsinvestitionen, die nicht zu kürzen seien, weil dann auch die Zukunft gekürzt würde. So sieht der Verkehrsminister vor allem Bedarf bei der Infrastruktur und spricht als Beispiel von maroden Brücken. Und auch die Subventionen etwa in Form von einer niedrigeren Besteuerung von Dieselkraftstoff ginge mit Nebenwirkungen für den Bundeshaushalt und der wirtschaftlichen Entwicklung einher. Wissing spricht hier von „süßem Gift“.
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Strom wird mittelfristig teurer, Elektromobilität ebenfalls
Und weiter erklärt er der Welt am Sonntag: „Die Mobilität der Menschen wird sich komplett wandeln, und es ist meine Aufgabe als Verkehrsminister, dass dieser Wandel von den Menschen als Fortschritt wahrgenommen wird. Manche glauben, dass man den Menschen zu einem anderen Verhalten zwingen muss. Ich glaube, dass man mehr erreicht, wenn man Probleme oder Hindernisse aus dem Weg räumt und damit Chancen eröffnet.“ Damit meint der Politiker etwa die Steigerung der Attraktivität von Bahn-Verbindungen. Doch dies funktioniere nicht mit zwangahften Maßnahmen, weil es zur Spaltung der Gesellschaft führe. Frei übersetzt: Ein „Muss“ ist immer schlechter als ein „Können, weil es Vorteile bietet“.
Jedoch würden nicht nur die Bürger über die hohen Energiepreise protestieren. „Auch die Bahn-Unternehmen fordern als Entlastung eine dauerhafte Reduzierung oder einen Erlass der Trassenpreise, die sie für die Benutzung des Schienennetzes an die staatseigene DB Netz AG zahlen müssen„, entgegnet die Welt am Sonntag. Allerdings könne man nicht mit öffentlichen Mitteln jeden Anstieg der Energiepreise ausgleichen. Es braucht auch auf der Schiene ein System des Wettbewerbs, der Anreize und der Vielfalt, das sich marktwirtschaftlich selbst finanziert und nicht darauf angewiesen ist, dass der Staat als Dauersubventionierer eingreift“, weiß Wissing.
Unterm Strich muss nun erst einmal beobachtet werden, in wiefern sich die Lage in der Ukraine und insbesondere die Beziehung zu Russland weiter zuspitzt. Russland zeigt sich indes weiter entschlossen und hält am „Befreiungskrieg“, wie sie es selbst nennen, fest. Und auch die enge Beziehung zu den Chinesen könnte entscheidend sein. Jene haben allerdings viel zu verlieren und „Deutschland hat doppelt so viel Handelsvolumen als Russland mit China – allein Deutschland ist eigentlich wichtiger“, kommentiert die ARD-China-Korrespondentin Astrid Freyeisen auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks. Am Ende könnte also sogar das Land der aufgehenden Sonne eine „konstruktive Rolle für den Frieden“ einnehmen, heißt es weiter. Und vielleicht sinken dann auch bald die Energiepreise wieder – so zumindest die Hoffnung. Und die stirbt ja bekanntlich zuletzt…
Quellen: Welt am Sonntag, Handelsblatt, ARD, Bayerischer Rundfunk, Tagesschau
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