Refactory: Renault-Projekt für Ressourcen und Recycling
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Der französische Automobilhersteller Renault hat eine lange und große Tradition. Und über Jahrzehnte war es wie immer. Man pries die neuen Modelle und schwelgte in Erinnerungen an die älteren. Sinnbild ist das L’Atelier Renault. Ausstellungsraum und Museum gleichermaßen. Paris, Champs-Élysées. Nobler geht kaum. Die ganzvolle Seite der Mobilität.
Eine knappe Autostunde nordwestlich in Flins beschäftigt sich Renault derweil mit der Zukunft. Natürlich der eigenen, aber auch mit der unseres Planeten. Die Erkenntnis: Es muss sich grundlegend etwas ändern. So wie sich auch für das riesige alte Werk dort etwas ändern musste, in dem einst Dauphine, R4 und R5 vom Band rollten. Aktuell rund 350 Renault Zoe und Nissan Micra pro Tag sind nicht wenig, reichen aber nicht für eine ordentliche Auslastung.
Seit rund einem Jahr wächst dort „Refactory“ – das erste europäische Zentrum für Kreislaufwirtschaft in der Autobranche. Auf mehr als 230 Hektar mit 65 Gebäuden dreht sich alles um erneuerbare Energien, Wiederaufbereitung, Recycling und den schonenden Umgang mit Ressourcen. Die nur auf den ersten Blick weniger glanzvolle Seite der Mobilität. Und die für die Menschheit deutlich bedeutungsvollere.
Größter Bereich ist die Factory VO. Mit einer Fläche von 11.000 Quadratmetern die größte Anlage Europas für die Aufbereitung von Gebrauchtwagen im industriellen Maßstab. Aktuell bekommen dort 180 Leasing-Rückläufer pro Tag technische Prüfung und optischen Schliff. Klassische Verbrenner genauso wie moderne E-Autos. Rund 45.000 Fahrzeuge pro Jahr. Ab 2023 soll sich die Anzahl verdoppeln.
Noch sind es in der Hauptsache Schönheitsreparaturen. Auf vier verschiedenen Levels, die der Händler vorher wählen kann. Kosten im Schnitt 600 bis 900 Euro, im Einzelfall aber auch mal deutlich mehr. Das Ganze dauert aber nun nicht mehr 21 Tage wie im Landesdurchschnitt, sondern nur mehr sechs. Von der Erfassung des Wagens bis zur Endkontrolle inklusive vollautomatischem 360-Grad-Fotoshooting mit 196 Bildern, Batterie-Check und einem Scan der Reifenprofiltiefe. Einer der Vorteile: Allein durch „Smart Repair“ im großen Stil lassen sich etwa 12.000 Liter Lack im Jahr sparen.
Mittelfristig soll das Angebot auch größere Karosseriereparaturen umfassen. Für günstige Flottenfahrzeuge auf Wunsch sogar mit Gebrauchtteilen. Ein ungeheures Potenzial, um Rohstoffe zu sparen Ebenfalls geplant ist ein Umrüst-Projekt von Motoren mit Kolben auf solche mit Wicklung. Vorrangig bei kleineren Nutzfahrzeugen. Schafft Jobs und nützt gleichzeitig dem Klima. Vor allem aber soll sich die Zentrale-Aufbereitungs-Idee ausbreiten. Bislang kommen nur Händler-Autos aus Paris und maximal 200 Kilometer in Frage. Weiter entfernt wäre die Logistik zu teuer.
Ein paar Hallen weiter beschäftigt sich „Mobilize“ mit in die Jahre gekommenen Akkus von Zoe, Kangoo und Co. Solchen, die eben nicht mehr 50 kWh aufweisen wie original, sondern nur mehr 30 oder 35. Recyceln direkt nach dem Einsatz im E-Auto wäre dennoch zu früh, sagen Fachleute – und so schenkt ihnen die Renault-Tochter zusammen mit dem Berliner Start-up „betteries“ erst einmal ein zweites Leben.
Zu diesem Zweck landen gebrauchte Zellen in der Refactory – und verlassen sie in stapelbaren Akku-Packs, die auf eine Art Sackkarre montiert werden, in der sich Wechselrichter und Ladegerät befinden. Je nach Anzahl (maximal vier) dieser „betterPacks“ bietet das System bei 230 Volt eine Leistung von zwei bis fünf kW und eine Kapazität von 2,3 bis 9,2 kWh. Die rollende Powerbank ersetzt damit übliche Stromaggregate – hat aber den entscheidenden Vorteil, dass sie keine Abgase ausstößt und darum auch in geschlossenen Räumen verwendet werden kann.
Die Anwendungen reichen vom Einsatz auf Baustellen und bei Dreharbeiten über mobile Küchen bis zu Elektro-Booten. Und da ein „betterPack“ nur gut 30 Kilo wiegt, kann er zumindest von kräftiger Hand einfach getauscht werden. Seit Mitte Mai sind die Modelle offiziell zertifiziert. Kolportierter Preis: rund 1000 Euro für den Ladewagen und je 800 pro Akku-Pack. Um die zehn Jahre, so aktuelle Schätzungen, könnten Second-Hand-Akkus auf diese Weise noch Dienst tun, ihren CO2-Abdruck um bis zu 20 Prozent senken – und nebenbei ein kleines bisschen die Welt verbessern.
Nicht weit entfernt arbeitet Hyvia an dem Ziel, bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent am Wasserstoff-Markt für leichte Nutzfahrzeuge in Europa zu erobern. Vorzeige-Modell ist ein Renault Master Van mit zwölf Kubikmetern Stauraum und einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Zusätzlich zu einer 33-kWh-Batterie verfügt der Transporter über eine 30-kW-Brennstoffzelle. Die vier Tanks – montiert auf dem Dach über der Fahrerkabine – fassen jeweils 1,5 Kilo Wasserstoff.
Ebenfalls im Angebot: ein Kasten-Lkw mit 20 Kubikmetern und 250 Kilometer Radius sowie ein Citybus mit 15 Plätzen, der es auf 300 Kilometer bringt. Umgebaut werden die Fahrzeuge zunächst am Renault-Standort Batilly, die Montage der Brennstoffzellen erfolgt dann in der Refactory. Die Wasserstoff-Tankstelle samt Elektrolyseur liefert Hyvia auf Wunsch gleich mit. Zum Kauf, zum Leasing oder zur Miete.
Wichtig: Nicht nur die Flächen in Flins reichen weit. Auch die Pläne. Getriebe und Turbolader sollen – frisch renoviert – ein zweites und vielleicht sogar drittes Leben führen, ausgelaugte Akkus und marode Katalysatoren ihre wertvollen Metalle spenden. Und das soll alles erst der Anfang sein. Zum Nutzen der Umwelt, der eigenen finanziellen Bilanz angesichts explodierender Rohstoffpreise – und der Menschen rund um das Werk. Rund 700 arbeiten aktuell in der Refactory – bald schon sollen es 3000 sein.
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