Standortnachteil Europa: Produktionskosten explodieren
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Die hohen Energiekosten halten ganz Europa in einem ehernen Griff. Vor allem die Autobauer leiden unter den extremen Energiekosten, die deutlich höher sind als in den USA und China. Dieser Trend wird sich so schnell nicht ändern.
In Europa Autos zu bauen, war schon immer etwas teurer als anderswo. Dafür hatten die Arbeiter ein soziales Netz, waren deshalb motivierter und wenn es gut lief, klebte an dem Auto virtuell das begehrte Siegel „Made in Germany“. Das machte den finanziellen Standortnachteil zwar nicht wett, war aber vielen Käufern einen extra tiefen Griff ins Portemonnaie wert. Im Zuge der Globalisierung und der weltweiten Produktions- und Zuliefererketten weichten diese fest gefügten lokalen Unterschiede immer mehr auf. Die Autoproduktion glich zunehmend einem Wanderzirkus, der dem größten Markt und den billigsten Produktionskosten folgte. Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass die profitable Vision von weltumspannenden Produktionsketten anfällig ist.
Automobilindustrie & -hersteller kommen wieder nach Europa zurück
Im Zuge der politischen Krisen und Spannungen besinnen sich die Autobauer wieder auf ihren Ursprung und den stabilen Bedingungen. Doch jetzt drohen Volkswagen, Mercedes, BMW & Co. neues Ungemach und damit erneut ein Standortnachteil, der die Profite in den kommenden Jahren nachhaltig beeinflussen wird. Es geht um die Energiekosten, die in Europa explodieren und jedes Fahrzeug im Vergleich zu den USA und China deutlich teurer machen.
Laut den Analysen der Strategieberatung Berylls liegt der Energiekostenanteil pro Fahrzeug in Europa im Jahr 2022 bei etwa 800 Euro. Damit ist das Ende der Spirale noch längst nicht erreicht. Die Experten gehen davon aus, dass er im nächsten Jahr dieser nicht unwesentliche Faktor auf bis zu 1200 Euro steigen könnte. Der Vergleich mit dem Jahr 2021, als pro Fahrzeug im Durchschnitt nur 300 Euro anfielen, macht die finanzielle Belastung deutlich.
Damit fallen die europäischen und vor allem die deutschen Automobilhersteller im internationalen Vergleich zurück, da die Werte für die USA oder China stets weit darunter liegen. „Das Jahr 2022 markiert einen Zeitenwechsel im Bereich der Energiekosten für die Automobilindustrie“, erklärt Berylls-Energieexperte Dr. Alexander Timmer und unterfüttert seine These gleich mit einem Beispiel, dessen Zahlen wenig erfreulich sind: In Spitzenzeiten lag der Preisunterschied für eine Megawattstunde Strom zwischen den USA und Europa bei unglaublichen 800 Euro. Aktuell haben sich die Zahlen wieder angenähert, allerdings ist die MWh in den USA immer noch zwischen 200 und 300 Euro günstiger als in Europa.
Der nicht so schnell verschwinden wird. Die Berylls-Analysten haben die Angaben der Strompreisbörsen ausgewertet und gehen davon aus, dass die europäischen OEMs im kommenden Jahr im Vergleich zum Jahr 2021 bis zu 14 Milliarden Euro zusätzlich für Energie zahlen müssen. Dagegen sind es in den USA nur bis zwei Milliarden Euro. Sofern das Produktionsvolumen konstant bleibt. Steigt die Nachfrage, steigen auch diese Kosten. Der Blick über den Atlantik verheißt nichts Gutes. In den USA steigen die Energiekosten zwar auch, aber mit 130 bis 250 Euro pro Fahrzeug vergleichsweise moderat.
Staatliche Eingriffe mildern den Kosten-Schmerz nur gering
Auch staatliche Eingriffe mildern den Effekt nur bedingt ab. Auch hier lassen die Berylls-Berater Alexander Timmer und Stefan Schneeberger Zahlen sprechen. Preisgrenzen mit netto 130 Euro pro MWh, wie sie in Deutschland zwischen März 2023 und April 2024 angewendet werden soll, sind letztendlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da die Energiepreise unterm Strich voraussichtlich etwa doppelt so hoch sind, wie in den USA (dort sind es 2023 rund 70 Euro netto pro MWh für 2023) und China. Aufgrund der hohen finanziellen Belastung ist nicht abzusehen, wie lange die Bundesregierung diesen Kostendeckel aufrechterhalten kann. Fällt der weg, wird die Diskrepanz zwischen alter und neuer Welt noch größer.
Mit einer Entspannung ist nicht so schnell zu rechnen. Die Berylls-Experten nutzen die Daten der Strompreisbörse, um einen Blick bis in das Jahr 2028 zu wagen. Demnach können dann pro Fahrzeug über 200 Euro an zusätzlichen Kosten für Elektrizität in Europa im Vergleich zu den USA beziehungsweise China anfallen. Unterm Strich sind es nach den Berylls-Prognosen für die europäischen OEM-Standorte bis 2028 hinein bis zu 30 Milliarden Euro.
Diese trüben Aussichten treffen die deutschen Autobauer und Zulieferer zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Schließlich gilt es aktuell weitreichende strategische Entscheidungen zu treffen. Der zu erwartende Standortnachteil zeigt bereits konkrete Auswirkungen. Die Diskussionen über den Standort des Northvolt-Batteriewerks, das entweder bei Heide in Schleswig-Holstein oder in den USA erstehen soll, sind ein deutlicher Beleg für diese Entwicklung.
Über den Autor: Wolfgang Gomoll; press-inform
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