Wie Lindner und Scholz das Beharren auf E-Fuels erklären
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Wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands in der Zeitenwende, mehr Tempo bei der Energiewende, Datenpolitik und Künstliche Intelligenz: Das Bundeskabinett hat sich zu einer zweitägigen Klausurtagung getroffen, um Themen zu besprechen, die über den Tag hinausreichen. „Wir haben in diesem ersten Amtsjahr viel erreicht, um unser Land heil durch die Krise zu steuern, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine entstanden ist“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach den Beratungen in Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung in Brandenburg.
Deutschland unterstütze die Ukraine politisch, humanitär, finanziell und auch mit Waffen. Zugleich habe sich Deutschland unabhängig gemacht von russischen Energielieferungen und immense Summen aufgebracht, um die hohen Energiepreise abzudämpfen und eine Wirtschaftskrise abzuwenden.
„Das ist gelungen und daraus ist ein Schwung entstanden für unser Land“, so Kanzler Scholz. Diesen Schwung des ersten Jahres wolle die Bundesregierung mitnehmen zu der Aufgabe, die sie nun vordringlich beschäftigen wird – die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und auch zur Digitalisierung. Diese werde wirtschaftlichen Aufschwung bringen. Deutschland soll auch in den nächsten Jahrzehnten eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft mit guten Arbeitsplätzen bleiben und die Herausforderung bewältigen, CO2-neutral zu wirtschaften. In den Gesprächen in Meseberg sei deutlich geworden, dass dies gelingen werde – und dass Zuversicht geboten sei.
Zugleich dürfe die Aufgabe nicht unterschätzt werden, so der Kanzler. In 22 Jahren will Deutschland komplett klimaneutral wirtschaften. Bis 2030 müssten Tag für Tag vier bis fünf neue Windräder gebaut und pro Tag umgerechnet mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen gebaut werden. Deutschland müsse das Netz ertüchtigen, in die Wasserstoffwirtschaft investieren und bei der Elektromobilität vorankommen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte zum Abschluss der Klausurtagung: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, was die Transformation angeht.“ Gerade mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien habe Deutschland alle Chancen, durch Skaleneffekte, technische Möglichkeiten und der Digitalisierung die großen Herausforderungen zu bestehen. Habeck verwies in dem Zusammenhang darauf, dass der Anteil erneuerbarer Energien noch im Jahr 2000 nur „0,1 Prozent betrug, also faktisch nicht existent war“, und alles, was erreicht wurde, in 23 Jahren aufgebaut wurde. Daher sollte „uns vor den nächsten 20 oder 25 Jahren nicht bange sein, sondern wir sollten sehen, dass wir mit den Skaleneffekten, die jetzt mit dem technischen Wissen und auch mit den digitalen Möglichkeiten möglich sind, alle Chancen haben, große Herausforderungen zu bestehen.“
„Es war eine gute Klausurtagung des Bundeskabinetts“, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Es sei in Meseberg deutlich geworden, sowohl mit Blick auf die Energiewende als auch mit Blick auf die künstliche Intelligenz, welcher enorme Kapitalbedarf in diesen Bereichen bestehe. „Es geht vor allen Dingen um privates Kapital, nicht nur um die notwendigen Mittel des Staates.“ Daher soll laut Lindner das Zukunftsfinanzierungsgesetz zügig abgeschlossen werden, um private Finanzierungsbedingungen zu verbessern.
Scholz erwartet Vorschlag, „wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden können“
Auch zu den umstrittenen E-Fuels äußerten sich die Politiker. Gegenwärtig gebe es, so Finanzminister Lindner, nach dem Entschluss des Europäischen Parlaments und der sich daran anknüpfenden Debatte „keine Rechtssicherheit, dass tatsächlich auch nach 2035 Fahrzeuge mit Otto- oder Dieselmotor zugelassen werden können, wenn sie mit Ökosprit betankt werden“. Der FDP-Politiker beharrt auf „diese rechtssichere, klare Verbindung der Entscheidung über die Flottengrenzwerte mit der Neuzulassungsmöglichkeit“. Erst wenn diese „hergestellt ist, geht das alles weiter seinen Gang.“
Rückendeckung erhielt Lindner von Kanzler Scholz: Die Bundesregierung sei sich „darin einig, dass wir davon ausgehen, dass die Europäische Kommission entsprechend dem, was in den Erwägungsgründen genannt ist, einen Vorschlag machen wird, der darauf gerichtet ist, wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden können“, betont der SPD-Politiker. Dies sei schon vor knapp einem Jahr, ebenfalls in Meseberg, „in enger Diskussion mit der Europäischen Kommission politisch wirksam gemacht“ worden, so Scholz. „Jetzt geht darum, dass klar ist, dass das auch tatsächlich kommt. Es geht also um nichts Neues“.
Auf eine konkrete Nachfrage an Christian Lindner, warum es ihm so wichtig ist, dass es eine Zukunft für E-Fuels geben soll – also für Verbrennungsmotoren, die mit synthetischer Energie betrieben werden –, obwohl der Kraftstoff energetisch gesehen umstritten und auch von der Industrie bis auf einige Ausnahmen gar nicht unbedingt erwünscht ist, sagte der Finanzminister: „Was die Einschätzungen der Industrie angeht, ist das einen vertieften Blick wert“; es gebe unterschiedliche Stellungnahmen. „Aber was uns jedenfalls treibt, ist das, was Robert Habeck ebenfalls zum Ausdruck gebracht hat. Er hat mit dem Blick 20 Jahre zurück zum Ausdruck gebracht, wo wir bei den erneuerbaren Energien damals standen und was sich innerhalb von zwei Jahrzehnten verändert hat. Solche Technologiesprünge und große Veränderungen auch etwa in der Wirtschaftlichkeitsfrage müssen offen bleiben. Deshalb darf kein Technologiepfad verschlossen werden“.
Und dies ändere auch nichts daran, ergänzte Scholz, dass bis zum Jahr 2030 15 Millionen batterieelektrische Fahrzeuge in Betrieb sein sollen. „Das ist eine gemeinsame Zielsetzung dieser Koalition“, so der Kanzler.
„Wir schützen überhaupt nicht das Klima, sondern die Menschen“
Die Bundesregierung befasste sich in Meseberg auch mit weiteren Themen, bei denen Gäste einen Input für die Arbeit gaben, etwa dem Technologiethema Künstliche Intelligenz (KI). Mit KI seien enorme Chancen für den Energiebereich, die Mobilität, die Medizinforschung verbunden, so der Kanzler. „Die Tage hier in Meseberg haben noch einmal deutlich gemacht, worum es jetzt geht: Wir müssen und wir wollen mehr Fortschritt wagen. Wir brauchen mehr Tempo und wir brauchen Zuversicht.“
Auf die Studie seines Ministeriums angesprochen, dass es möglicherweise im Worst-Case-Szenario 900 Milliarden Euro kosten könnte, die Folgen des Klimawandels aufzuwiegen, erklärte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck: „Wir sagen immer Klimaschutz, aber trivialerweise schützen wir überhaupt nicht das Klima, sondern die Menschen – die Menschen auf der Erde, die Menschen in unserem Land –, und zwar nicht nur vor Katastrophen wie im Ahrtal, wo durch Naturkatastrophen und unkontrollierte Wetterphänomene Tod und Zerstörung gebracht wurden“. Dort seien „natürlich auch hohe Kosten entstanden“, die in der Studie mit gut 40 Milliarden Euro beziffert wurden. Diese seien allerdings „vielleicht erst einmal zweitrangig, denn viele Menschen haben damals ihr Leben und ihre Heimat, ihr Zuhause, verloren“.
Essenziell sei nun, die „strukturellen Anpassungskosten“, etwa für Küstenschutz und die Landwirtschaft, möglichst gering zu halten. Und die ökonomischen Vorteile der Transformation ganzer Wirtschaftszweige hin zu nachhaltigem Handeln „zu nutzen und als starke Industrienation auch die nächste Phase der industriellen Entwicklung, nämlich eine klimaneutrale Produktion, hier in unserem Land zu entwickeln“. Es gehe also darum, „die Gewinne zu halten und die Kosten zu vermeiden.“
Kanzler Scholz ergänzte, „großer wirtschaftlicher Aufschwung und Wachstum kann verbunden sein mit der wirtschaftlichen Veränderung, die notwendig ist, damit unsere Industrie klimaneutral wirtschaften kann“. Der Umbau der Energienetze, die überwiegend privatwirtschaftlich betrieben werden, sowie der Erzeugungsanlagen in Deutschland bedeute „milliardenschwere privatwirtschaftliche Investitionen, die gleichzeitig viele Arbeitsplätze schaffen, viele gute Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und dafür sorgen, dass es neue wettbewerbsfähige Technologien aus Deutschland in aller Welt zu kaufen gibt“.
Quelle: Bundesregierung – Pressemitteilungen vom 06.03.2023
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