Mercedes-Maybach EQS SUV: Stern-Bild Großer Wagen
- Kommentare deaktiviert für Mercedes-Maybach EQS SUV: Stern-Bild Großer Wagen
- Allgemein
Der Wind, so lernt man, ist gerne Trittbrettfahrer. Jedenfalls dann, wenn er bei hohem Tempo ein E-Auto umströmt. Sagt man in Ingenieurskreisen zwar nicht so, erschließt sich aber aus Vorträgen über verkleidete Unterböden. Und Unterboden hat’s reichlich beim Mercedes Maybach EQS SUV. An die zehn Quadratmeter, grob gerechnet. Hohes Tempo übrigens auch. Das kommt heraus, wenn man Entwickler am Rand der Elektro-Plattform suchen lässt.
Aber sie wollten in Stuttgart ja auch nicht kleckern. Das zeigt schon der aufrechte Stern über der geschlossenen Black-Panel-Front. Und den nehmen sie in Stuttgart-Untertürkheim nur allzu gerne wörtlich. Jedenfalls dann, wenn es um Strahlkraft geht und darum, anderen den Weg zu weisen. „Der Mercedes-Maybach EQS SUV verkörpert nicht weniger als die Neudefinition von automobiler Extraklasse im Zeitalter der Elektromobilität“, sagt Marken-Chef Daniel Lescow. Es klingt, als schwinge noch ein „Punkt!“ mit.
Und so ist der Wagen ein Statement. Das, was sich die Traditionsschmiede unter E-Mobilität im Top-End-Segment eben so vorstellt. Gute fünf mal zwei Meter Edelmetall, knapp drei Tonnen schwer. Eine stählerne Sänfte. Schutz gegen all das Hektische da draußen. Der Fond eine eigene kleine Welt mit Opulenz ab Werk. Alles vom Allerfeinsten. Holz, Klavierlack, bestes Leder. Ein klein wenig erlesener noch als bei Mercedes ohnehin üblich. Auf Wunsch mit einem aus Holz modellierten „Wasserfall“, der sich von den Rücksitzen bis zum Cockpit durch den Wagen wellt.
Ein Auto, das Beifall ernten wird ob der Ingenieurskunst – und Buhrufe wegen Abmessungen und Gewicht. Denn trotz allen gestalterischen Feinschliffs ist der veredelte EQS SUV das, was man ein Dickschiff nennen muss. Allein zwischen seine 3,21 Meter Achsabstand passt locker ein guter alter Smart. Kollateralnutzen der üppigen Dimensionen: Platz in Fülle. Golfbag hinter voller Bestuhlung inklusive. Eine in der Luxusklasse nach wie vor höchst wichtige Maßeinheit.
Apropos Luxus: Kümmert man sich bei profanen Gefährten vorrangig um den Fahrer, gilt das Augenmerk hier zuallererst dem Raum hinter der B-Säule. Denn üblicherweise sitzen Vertreter der ersten Reihe standesgemäß in der zweiten. Bevorzugt in einer geräumigen, weshalb sich auf Knopfdruck – und gegen Aufpreis – die üblichen Dimensionen verschieben. Zugunsten einer ledernen Lümmellandschaft für den rechten Hintersassen. „Da legst di nieder“, wird der Münchner Nachbar sagen. Mit viel Bewunderung – und einem Hauch von Neid.
So schwebt man dahin. Rundum klimatisiert, das Kühlfach in Griffweite, und sogar mit Massage an Schultern, Nacken und Waden. Zum üppigen Zierrat gibt es selbstredend Schmeicheleien für alle Sinne. Zwei 11,6-Zoll-Displays an den Rücklehnen der Frontsitze, ein speziell kreierter Sound namens „Aerial Grace“, der interaktiv auf den Fahrstil reagiert – und für die Nase „No. 12 Mood Ebony“. Ein exklusiver Maybach-Duft aus Sandelholz mit Gewürznoten. „Zielt nicht auf Gefälligkeit, sondern auf Verführung“, heißt es offiziell. So muss man sich Wohl-Fahrt vorstellen. Wen da das Gewissen plagt – das Leder stammt immerhin aus nachhaltiger Verarbeitung. Gegerbt mit einem Extrakt aus Kaffeebohnenschalen, pflanzlich gefettet und obendrein salzfrei. Ein kleines bisschen Nachhaltigkeit möchte schon sein.
Schnöde Alltagsgeräusche würden in dieser „Cocooning“ genannten heilen Welt bloß stören. Deshalb ist das Glas besonders dick, der elektrische Antriebsstrang ruht – vorne und hinten gekapselt – in dicken Gummilagern, und spezielle Rampen in der Unterbodenverkleidung sorgen dafür, dass man aufgewirbelten Splitt in den Radkästen nicht hört. Falls die 22-Zöller doch mal über eine bekieste Landhaus-Auffahrt rollen sollten.
Okay, auch der Chauffeur hat’s auskömmlich. Der serienmäßige Hyperscreen formt ein Cockpit im Cinemascope-Format, zu dem drei Bildschirme unter gemeinsamem Glas verschmelzen. Breitwandiger war selten ein Kommandostand. Hübscher Gag: Der Beifahrer kann auf seinem Teil bewegte Bilder schauen, während eine Kamera darüber wacht, dass der Fahrer nicht heimlich den Blick von der Straße wendet und nach drüben schielt. Tut er’s doch, wird rechts automatisch gedimmt. Pech gehabt.
Exklusiv geht’s auch im Kombi-Instrument zu. Die Zeiger ähneln einem Seidenschal, der sich je nach Tempo und Fahrstil elegant im Wind bewegt. Das dreidimensionale Display hinter dem Lenkrad projiziert schwirrende Richtungspfeile virtuell vors Auto. Das ist im Wortsinn ganz großes Kino. Nicht mal mehr lenken und bremsen müsste man, weil der Top-Benz rundum Obacht gibt, automatisch in der Spur bleibt, auf das richtige Tempo achtet, gebührend Abstand hält, in tote Winkel späht und – wenn sonst nichts mehr hilft – den Anker wirft.
Zum erhabenen Gefühl gehört selbstverständlich auch erhabener Vortrieb. Satte 484 kW und 950 Nm Drehmoment schiebt der Mercedes-Maybach klug verteilt an beide Achsen. Braucht’s keine Volllast, schalten sich Frontmotor und -getriebe weg. Die Reichweite liegt bei offiziellen 600 Kilometern, der Verbrauch bei 24,4 kWh pro 100 Kilometer. Allerdings nur, wenn man dem Maximaltempo von 210 nicht allzu nahe kommt. Ob derlei Werte tatsächlich etwas mit nachhaltiger Mobilität zu tun haben, muss jeder mit sich selbst abmachen. Die meisten Mercedes-Maybach EQS SUV werden aber ohnehin in den USA und China unterwegs sein. Da sieht man das mit dem Weltklima traditionell etwas entspannter.
Wo auch immer auf der Welt, irgendwann ist der Saft alle. Am Schnelllader zapft der Maybach bis zu 200 kW und kommt in rund einer halben Stunde von 10 auf 80 Prozent. Dass es weniger als die im Fahrbetrieb mögliche Rekuperation von 290 kW sind, liegt an der Physik deutscher Ladestationen. 400 Volt mal erlaubte 500 Ampere gibt eben 200 kW Maximum. So ein Benz kann halt mehr. Wer an der Wallbox lädt: mit 22 kW dauert’s dort gute sechs Stunden.
Das Fahrverhalten des Stern-Bilds Großer Wagen lässt sich bislang nur vermuten. Eine Hinterachslenkung mit 4,5 Grad ist jedenfalls Serie – bei dem Radstand ein Muss, will man irgendwie in ein Parkhaus kommen oder durch radial ähnlich beschränkte Regionen. Schon mit dieser Hilfe ist man bei 11,90 Metern Wendekreis, für elf Meter muss man das zehn-Grad-Update ordern. Gefedert wird selbstverständlich mit Luft. Verstellbar von sänftig über sehr sänftig bis supersänftig. Heißt dann „Maybach-Mode“ und eliminiert nahezu jede Schwingung aus dem Fond. Weil man aber ja nie weiß, halten vorsichtshalber drei kleine Klammern die versilberten Champagnerkelche am Fuß umfasst.
Damit man nicht vergisst, woher all dieser Luxus stammt, zieren mehr als 80 Maybach-Logos den Wagen. Rund 40 allein in der Lichtinszenierung, der Rest findet sich an den Edelstahl-Pedalen, den Kissen der Kopfstützen, den vorderen Sitzlehnen, zwischen den Fondsitzen und auf den beleuchteten Trittbrettern. Das alles hat seinen Preis. Um die 200.000 Euro dürfte die Basisversion des Mercedes-Maybach EQS SUV kosten. Die meisten Exemplare rangieren erfahrungsgemäß deutlich darüber. Umgeben vom Zeichen des Doppel-M finden sich Sparfüchse und Krämerseelen üblicherweise selten.
Wer übrigens glaubt, er könne beim Mercedes-Maybach EQS SUV noch unter die mächtige Haube schauen: von wegen. Ölstand gibt’s nicht mehr zu prüfen – und der Rest der Technik ist zu kompliziert und damit Sache des Werkstattmeisters. Einzig Wischwasser belässt Mercedes noch in externer Verantwortung. Nachgekippt wird über einen ausklappbaren Stutzen im linken Kotflügel. Aber wo derlei Modelle bewegt werden, hat es in aller Regel Personal.
Immerhin: Einen extra Führerschein braucht der Chauffeur nicht. Man werde unter 3,5 Tonnen Gesamtgewicht bleiben, verspricht man bei Maybach-Mercedes. Und trotz aller Masse komme man sogar in 4,4 Sekunden von Null auf Hundert. Aber einen Maybach treten? Niemals! Wer nicht die Größe hat, in Würde zu akzelerieren, sollte besser woanders einsteigen.
Der Beitrag Mercedes-Maybach EQS SUV: Stern-Bild Großer Wagen erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.