Opel-Chef Huettl im Interview: Wie es für die Traditionsmarke weitergeht
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Die Stellantis-Marke Opel hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2028 nur noch vollelektrische Fahrzeuge verkaufen zu wollen – allerdings nicht mehr über das klassische Händlerkonzept, sondern via Direktvertrieb. Darüber und über vieles Weiteres spricht der CEO Florian Huettl im Interview mit der Automobilwoche. Wir haben das Gespräch zusammengefasst.
Die deutsche Traditionsmarke Opel baut aktuell nicht nur das Portfolio an elektrifizierten Modellen aus, sondern setzt ab 2028 komplett auf Elektrofahrzeuge. Dabei verzichtet der Mutterkonzern Stellantis künftig auf das klassische Händlerkonzept: So bauen alle Konzern-Marken in Europa aktuell auf das Direktvertriebsmodell um, erklärt der Opel-CEO Florian Huettl eingangs des Interviews: „Wir sind jetzt auf der Zielgeraden, um die ersten Märkte vorzubereiten, in denen wir das Agenturmodell einführen werden – Belgien, Österreich und die Niederlande. Das wird noch in diesem Jahr geschehen. Wir haben vor einigen Wochen eine gute Einigung mit den europäischen Händlervertretern erzielt. Das ist ein sehr spannendes Projekt, denn es ist ein neuer Ansatz für das gesamte Kundenerlebnis. Es bedeutet, dass der Händler mehr ein direkter Vertreter der Marke wird als ein unabhängiger Händler“. Die Vorteile eines solchen Vertriebsmodells sieht der CEO in einem „nahtlosen Kundenerlebnis„. Das Agenturmodell sei eine Voraussetzung dafür, denn man könne ein einzigartiges Erlebnis in Bezug auf Preise und Angebote garantieren und „eine Online- und Offline-Reise schaffen, die besser passt als heute„.
Lieber Kostenreduktion als Reichweiten-Maximierung: Opel-CEO Florian Huettl hält Reichweiten von 400 Kilometern für ausreichend – denn größere Batterie kosten auch mehr Geld | Bild: Stellantis/Opel
Fokussiertes Ziel: Elektroautos müssen erschwinglich sein
Aus Sicht des Herstellers hätte das Agenturmodell auch in einer Phase mit geringerer Nachfrage viele Vorteile. Man sei näher am Markt, was in turbulenten Zeiten hilfreich sei. „Natürlich werden die Preise kontrolliert, besprochen und an das angepasst, was wir auf dem Markt sehen. Der Vorteil des Agenturmodells ist, dass man direkt reagieren kann“, so Huettl weiter. Der Opel-Chef weiß, wovon er redet. Denn auch hinter der Traditionsmarke liegen schwierige Zeiten. Der Auftragseingang sei in den letzten Monaten in ganz Europa zurückgegangen, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Als Gründe werden Inflation, höheren Autopreise und viel makroökonomische Unsicherheit genannt. „Wir haben festgestellt, dass die Privatkunden in den letzten Monaten etwas langsamer bestellt haben, aber trotzdem muss man immer noch zwischen vier Monaten auf ein klassisches Auto mit Verbrennungsmotor oder einen Plug-in-Hybrid und bis zu neun Monaten auf ein batterieelektrisches Fahrzeug warten.“ Die Nachfrage übersteige allerdings nach wie vor Opels Lieferfähigkeit, insbesondere bei Elektroautos. Man sei noch dabei, bestehende Aufträge abzuarbeiten.
Florian Huettl gibt zu, dass die Wartezeiten für Elektroautos immer noch zu lang sind, weil die Kunden normalerweise eine Wartezeit von drei bis vier Monaten erwarten würden. Wartezeiten von teilweise einem Jahr seien definitiv zu lang. Doch man arbeite daran, dass sie kürzer werden. Stellantis habe es immerhin geschafft, die Produktionskapazitäten zu verbessern. Auch hätten sich die Preiserhöhungen verlangsamt und der Auftragseingang sei auf einem guten Niveau, erläutert der CEO im Gespräch mit der Automobilwoche weiter. „Was zählt, ist, dem Kunden ein relevantes Angebot auf rentable Weise zu machen und ihn mit dem Produkt zufriedenzustellen.“ Huettl blickt jedenfalls zuversichtlich auf das Jahr 2023 und die kommenden Monate. Der Markt sei momentan sehr dynamisch. Er geht davon aus, dass Opel nicht nur in Europa ein Umsatzwachstum erzielen werde.
Auf die Frage, ob sich die Diskussion über E-Fuels auf die E-Auto-Verkäufe ausgewirkt haben, geht Huettl nur bedingt ein. Opel hätte im März gute Bestellzahlen für elektrische Fahrzeuge verzeichnet. Doch räumt Huettl ein, dass jene Diskussion dazu geführt hat, dass die Menschen mehr über die Zukunft der Mobilität nachdenken würden. Synthetische Kraftstoffe seien seiner Meinung nach interessant und böten einige Vorteile, um den CO2-Ausstoß zu verringern. „Aber wir glauben, dass die Elektromobilität unser strategischer Kompass ist und wir stecken unsere ganze Energie in den Übergang zu einer bezahlbaren Elektromobilität bis 2028“, gibt er zu verstehen.
Dabei sieht er die Erschwinglichkeit eines Elektroautos als eine der wichtigsten Aufgaben an, die es zu erfüllen gilt. Aktuell ist ein Elektroauto in der Herstellung noch deutlich teurer als ein herkömmliches Auto mit Verbrennungsmotor. „Wir arbeiten sehr hart daran, die Preisgestaltung in den Griff zu bekommen“, verspricht der Opel-Boss. Das fange bei den Kosten der Fahrzeuge an – Batterie und der gesamte elektrische Antriebsstrang machen einen großen Teil der Kosten aus. Deshalb würde man nicht mehr auf die Maximierung der Reichweite, folglich größere Batterien, setzen, weil dies mit höheren Kosten verbunden wäre. Huettl meint, Reichweiten von 350 bis 400 Kilometer seien ausreichend. Zudem hätten die Kunden gelernt, mit der Reichweiten- und Ladethematik umzugehen. Darüber hinaus werde festgestellt, dass immer weniger Menschen ein Elektroauto direkt kaufen würden. Sie würden laut Huettl dazu übergehen, Mobilität über Leasing- oder Abo-Modelle zu erwerben. Dies bedeute weniger Verpflichtungen und mehr Freiheit.
Opel arbeitet daran, dass die Lieferzeiten kürzer werden. Stellantis habe es bereits geschafft, die Produktionskapazitäten zu verbessern | Bild: Stellantis/Opel
„Wir brauchen Regierungen, die stabile Fördersysteme bereitstellen“
Huettl spricht zudem von kommenden Herausforderungen. Eine werde die nahende Euro-7-Norm sein, die noch schärfere Schadstoff- und Emissionsnormen vorschlägt. Der CEO kritisiert diese jedoch als „nicht besonders hilfreich“ für die Industrie: „Wir halten sie für eine große Belastung in Bezug auf technische Ressourcen und Kosten in einer Zeit, in der wir unsere Energie voll in den Übergang zur Elektromobilität investieren wollen.“ Und weiter: „Wir werden analysieren, was wir investieren müssen, um die Motoren konform zu machen, und wir werden entscheiden, ob es sich lohnt, zu investieren – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir bis 2028 ohnehin nur noch elektrisch fahren werden. Jene Verbrennermotoren, die am ehesten verschwinden werden, seien kleine Motoren in Kleinwagen sowie Dieselmotoren. Für den Übergang habe sich Opel bei manchen Modellen für eine Multi-Energie-Plattform entschieden, wie sich am Beispiel Astra gut erkennen lässt. Das Kompaktmodell gibt es mit Diesel-, Benzin-, Plug-in-Hybrid- und (bald) vollelektrischen Antrieben. Der Astra Electric soll laut Webseite „ab Frühjahr dieses Jahres“ erhältlich sein.
Die Umstellung auf Elektromobilität könne allerdings nicht ganz allein vorangetrieben werden, mahnt Huettl. Es bräuchte Regierungen, die stabile Fördersysteme bereitstellen, und das zu einer Zeit, in der E-Fahrzeuge noch sehr teuer sind. Zudem auch regionale Regierungen und Städte, die Platz für öffentliche Ladestationen zur Verfügung stellen. Bei den öffentlichen Ladesystemen sei man noch nicht so weit, wie man sein müsste. Schließlich bedarf es auch Stromanbieter, die das Netz installieren. „Ich komme gerade aus der Türkei zurück, wo Elektrofahrzeuge vor einem Jahr noch überhaupt kein Thema waren; jetzt gibt es staatliche Unterstützung, Anreize durch das Steuersystem, Projekte zur Schaffung öffentlicher Infrastruktur – und plötzlich kommt die Elektromobilität in Schwung“, erzählt er im Interview weiter.
Es gibt also noch viel zu tun. Opel befindet sich inmitten einer großen Elektrifizierungsoffensive: Bereits heute bietet die Marke viele elektrifizierte Modelle an. Bis zum Jahr 2028 möchte Stellantis das Produktportfolio komplett auf E-Autos umstellen.
Quellen: Automobilwoche – „Es wird ein gutes Jahr werden“ / Stellantis/Opel – Pressemitteilung vom 9.07.2021
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