Cherys Europastrategie: Warum ‚Slow is Fast‘ zählt
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Omoda, Jaecoo und Exlantix sollen als drei eigenständige Marken die Europaoffensive des in Wuhu ansässige Unternehmen Chery Automobile einläuten. Die Fahrzeuge, sowohl Verbrenner, Plug-in-Hybride und reine Elektroautos, sollen ab 2024 nach Deutschland kommen. Details über deren Europaoffensive konnten wir mit Charlie Zhang, Executive Vice President von Chery Automobile International, sowie Jochen Tüting, Managing Director – Chery Europe GmbH, besprechen.
Omoda, Jaecoo und Exlantix im Jahr 2024 schon 7 Jahre zu spät am Start?
Nach dem Empfinden einiger Beobachter des chinesischen Pkw-Marktes und dem direkten Vergleich zu Unternehmen wie BYD, Nio und Xpeng komme Chery zu spät nach Europa. Dabei war man 2017 bereits früh am Start, als angekündigt wurde, dass man in Europa durchstarten wolle. Doch dahinter steckt Kalkül, wie Zhang im Gespräch zu verstehen gibt.
Man habe für sich entschieden, dass es nicht bedeutet, dass man Erster auf einem neuen Markt sein muss, um zwangsläufig der Beste zu werden. Stattdessen sei es wichtig, Fehler zu vermeiden, insbesondere solche, die schwerwiegende Folgen haben könnten. „Sometimes fast is slow. Slow is fast. We want to make sure that we’re going to handle the things well“, so Zhang gegenüber Elektroauto-News.net. Das Unternehmen legt großen Wert auf Produkttests und -validierungen, um sicherzustellen, dass die Qualität ihrer Autos erstklassig ist. Sie streben nicht nach kurzfristigen Erfolgen, sondern möchten langfristig auf dem Markt präsent sein, denn „We are going to be there for a long time. This is very, very important“. Daher könne man sich mit der Einführung auch ein wenig mehr Zeit lassen.
Ferner führt der Executive Vice President von Chery Automobile International aus, dass die genannten Marktbegleiter eher in Nischen agieren, als sich dem Gesamtmarkt zu nähren, wie es Chery mit seinen Marken Omoda, Jaecoo und Exlantix vor hat. Nio beispielsweise konzentriere sich mit seinen Fahrzeugen nicht nur auf das Premium-Segment, sondern gar auf das rein elektrische Premium-Segment. Quasi, die doppelte Herausforderung, der man sich stellen muss. Li Auto, als weiter chinesischer Player am europäischen Markt, schlägt einen ähnlichen Weg ein.
Chery will mit Technologieoffenheit Europa für sich gewinnen
BYD seinerseits mache es besser, in dem man auch auf vergleichsweise günstigere Fahrzeuge setzt, aber eben auch „nur“ auf rein batterieelektrische Fahrzeuge. Hier verfolge Chery mit seinen drei Marken den Ansatz der Technologieoffenheit. „Wir werden sowohl Modelle mit Verbrennungsmotor als auch rein batterieelektrische im Portfolio haben, da es für beide Antriebsarten eine große Nachfrage in Deutschland gibt“. Das erste Fahrzeug, das unter der Marke Omoda in Deutschland erhältlich sein wird, ist der Omoda 5, der ab Frühjahr 2024 mit einem Benzinmotor ausgestattet sein wird.
Dabei spiele laut Zhang auch die Tatsache eine Rolle, dass der europäische Markt eben nicht nur aus Deutschland bestehe. Auch, wenn diesem Markt eine wichtige Rolle in Europa zuteilwird. In Ländern wie den Niederlanden und Norwegen sind die Strafen für Verbrenner (ICE) sehr hoch. Daher stellt sich Chery die Frage: „How are you going to sell ICEs? No way. Impossible.“ In diesen Ländern ist der Verkauf von Elektroautos die einzige Option.
In Deutschland hingegen könnte es eine Kombination aus Verbrennungsmotoren und reinen Elektrofahrzeugen (BEVs) geben. Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge (PHEV) sind in Europa umstritten. Viele betrachten sie als Übergangsprodukte, wie es heißt: „No, PHEV is transitional products.“ Aber auch hier versucht Chery mit Jaecoo seine Stärken von China nach Europa zu transportieren.
In China unterscheidet sich die Situation deutlich von Europa. Während in Europa Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge als Übergangslösung betrachtet werden, wächst deren Absatz in China schneller als der reiner Elektrofahrzeuge. Ein Grund dafür könnte die größere Reichweite von PHEVs in China sein, die oft zwischen 100 und 200 Kilometern liegt, im Gegensatz zu den in Europa angebotenen 50 Kilometern. In chinesischen Städten fühlt es sich mit den vorhandenen Ladestationen so an, als würde man ein Elektroauto fahren. Aber in Hinblick auf längere Strecken muss man sich keine Sorgen machen (Stichwort Reichweitenangst), so Zhang: „But if you want to go out of towns 700 kilometres away from your home, you have a big fuel tank. You don’t need to worry about where you’re going to charge your car. It’s why you’re selling it.“
Fraglich ist nur, ob diese nach Auslauf der Förderung für PHEV sowie Veränderung bei der Besteuerung dieser als Dienstwagen doch wieder Fuß fassen können. Hier darf man durchaus skeptisch sein. Wobei die Tatsache von an die 200 km rein elektrisch, gekoppelt mit DC-Schnellladefähigkeit, durchaus den ein oder anderen Zweifler an der E-Mobilität überzeugen könnte.
Chery setzt bewusst auf Verbrenner, PHEV und E-Autos für europäischen Markt
Für Deutschland sehe Zhang derzeit eben nicht nur rein batterieelektrische Fahrzeuge aus China gesetzt. Denn es gibt laut ihm drei entscheidende Faktoren: „affordability, the range trough the batteries, and charging infrastructure“. Ohne ausreichende Ladestationen ist eine vollständige Elektrifizierung kaum vorstellbar, diese sieht er bisher nicht gegeben. Was sich bei seinen zahlreichen Besuchen in Deutschland und Europa bestätigt hat, denn dort musste man beobachten, dass die E-Mobilität langsamer Fahrt aufnimmt, als man zunächst dachte. „No, it is not the way, the speed as we thought“, so Zhang. Aus der Überlegung kommend ebenfalls nur auf Elektroautos in Europa zu setzen, hat man sich nun dafür entschieden, auf Technologieoffenheit zu setzen.
Ob der Vertrieb der Verbrenner, beginnend mit dem Omoda 5, gelingen kann, dass gilt es zu beweisen. Hier verweist Zhang auf den Erfolg des Vertriebs, des Verbrenners in Mexiko. Einem sehr offenen Markt. Bereits kurz nach Start habe man über 4500 Fahrzeuge absetzen können. Dabei sei es nicht nur ein Argument des richtigen Preises. Stattdessen habe man sich die Frage gestellt: „But why do people buy?“, so Zhang. Die Antwort hat er direkt mitgeliefert: „because they know it’s a good car. They believe it’s good car, after the Chance of a Test drive. Double screens, ADAS, all safety features needed. We offer the products, eventually they can compare and they can make decisions.“
Er ist sich aber auch im Klaren, dass es gerade in Deutschland nicht einfach für Verbrenner wird: „Obviously, for the ICE, it’s more challenging, but not impossible.“ So kommt es beim Vertrieb der Modelle aber nicht nur auf den Antrieb, sondern das Gesamtpaket an. Wozu er auch entsprechenden Service zählt. Für diesen und den Verkauf der Fahrzeuge – gleich welches Antriebs – befindet man sich derzeit noch auf der Suche nach entsprechenden Partnern in Europa.
Dabei werden Händler bewusst als Partner im eigenen Vertriebsmodell gesehen, nur gemeinsam könne man den Markt prägen. Dennoch denke auch Chery Zukunftsgewand in Richtung aktueller Entwicklungen wie Abo-Modelle. Diese werden derzeit außerhalb europäischer Märkte geprüft und werden wohl auch ihren Weg nach Europa finden.
„In Europa für Europa, von Europäern“ – so die Devise von Chery
Zhang erläutert ebenfalls, dass man sich starke Gedanken darüber gemacht habe, wie man die drei Marken Omoda, Jaecoo und Exlantix von Chery, für Europa richtig aufstelle. Hierfür habe man sich entschieden nach der Devise „in Europa für Europa, von Europäern“ zu handeln. Sprich, man benötige ein Forschungs- und Engineering-Center in Europa, welches Stand heute in Raunheim, nahe Frankfurt am Main angesiedelt ist. Aktuell sind dort etwa 50 Mitarbeiter tätig, doch diese Zahl soll in den kommenden Monaten auf rund 80 steigen. Dieses ergänze man um einen europäischen Vertrieb und weiteren entsprechenden Bemühungen.
Jochen Tüting, Managing Director – Chery Europe GmbH und damit Leiter des Forschungs- und Engineering-Center in Europa ordnete teils die Arbeit vor Ort ein. Man habe hierbei zwei Hauptaufgaben. So sei man zu einem ein Advanced Design Studio. „Das heißt, wir machen Vorschläge für: Wo geht Omoda in drei bis fünf Jahren hin? Was ist die Designsprache für Omoda? Was ist die Designsprache für Chery? Wo geht es hin?“, wie Tüting ausführt und damit abschließt „der zweite Teil ist, dass wir sagen, in einigen Fällen ist es so, dass wir hier in China zum Beispiel Farbkonzepte sehen, Materialien-Konzepte, wo wir sagen, das funktioniert in Europa nicht“.
Ein entsprechend präsentes Beispiel sei der Kühlergrill, welcher sich bei der Verbrenner-Variante des Omoda 5 zur rein elektrischen Variante Omoda E 5 sichtbar unterscheide. Hier könne man künftig eingreifen: „Dann würden wir spezifisch für Europa aus Europa zum Beispiel einen anderen Grill designen oder wir machen andere Räder für Europa zum Beispiel“, wie Tüting erläutert.
Eigene Produktion für Chery in Europa durchaus ein Thema
Von Chery konten wir zudem erfahren, dass gar eine eigene Fertigung in Europa vorstellbar sei. Bei einem Automatisierungsgrad von derzeit 95 Prozent sowie einer 100 Prozent Qualitätskontrolle, die ihrerseits zu über zwei Drittel durch KI gestützte Systeme erledigt wird, könne man diese auch in Europa betreiben. Man halte hier bereits Ausschau. Dabei steht nicht nur Deutschland, sondern beispielsweise auch Italien oder Spanien zur Diskussion. Wobei es derzeit noch zu früh sei, entsprechende Pläne in die Tat umzusetzen. Auch, wenn die Unterstützung einzelner Länder schon gesichert sei. Schließlich stärke Chery dann dort auch die Wirtschaft vor Ort und schafft Arbeitsplätze.
Dabei sei es auch nicht wichtig, ob man eine europäische Marke mit chinesischen Wurzeln werde oder ein chinesischer Hersteller in Europa. Man wolle lokal denken, agieren und den Markt bedienen. Dann sei die Frage auch nicht mehr „chinese or global or local“. Zhang bemüht hierbei Volkswagen als gutes Beispiel: „Volkswagen is global, but also Volkswagen is local. They have a lot of people in China. They develop cars also in China. This is not the most important thing that I believe. Eventually, you offer the excellent products experience through the offer, the service that really the people believe you are good company. I think the real brand makes a difference. It’s not really your identity. You are Chinese, you’re a Europeans, you’re global.“
Hoch gesteckte Ziele für Europa – Schweigen für deutsche Absatzziele
Chery Automobile plant bis 2030, weltweit jährlich 1,4 Millionen Fahrzeuge der Marken Omoda und Jaecoo zu verkaufen. Im ersten Quartal 2023 wurden bereits 13.000 Einheiten des Omoda 5 verkauft. Bis Juli 2023 stiegen die kumulierten Verkäufe auf 86.556 Fahrzeuge.
Die Absatzziele für den deutschen Markt ließ man von Seiten Chery unkommentiert. Hier gab Zhang zu verstehen: „I think right now, this is not so relevant for me to say the targets. Because again, it is not for one shot. We will not be there just for one year. I want to make sure that we will take a solid step forward. Solid step.“ Begründet hierdurch wolle man zu Beginn nicht direkt überstürzt handeln und viele Fehler machen. Dies würde Chery nur selbst schaden. Deswegen werde man Schritt für Schritt vorgehen. „Again, the customer value is always something very important. I fundamentally believe in that“, so Zhang abschließend.
Preisvorteile für chinesische Marken in Europa nicht gezwungenermaßen gegeben
Dass Kund:innen einen gewissen Preisvorteil chinesischer Marken in Europa/ Deutschland sehen möchten, scheint gesetzt. Doch Tüting gibt zu verstehen, dass man die Fahrzeuge nicht analog der Preise in China auf den Markt bringen könne. So gebe es derzeit einen Unterschied von 6 Prozent beim Mehrwertsteuersatz China gegenüber Deutschland, es sind 10 Prozent Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten und dann gibt es da noch die Transportkosten auf dem Seeweg, welche derzeit nicht einfach zu kalkulieren seien. Händler und deren Marge seien bei dieser Betrachtung noch gar nicht berücksichtigt.
Ebenso die Tatsache, dass in den rein chinesischen Modellen einige Sicherheitssysteme fehlen, die für Europa nachgerüstet werden müssen. Dort einfach teilweise gesetzlich vorgeschrieben sind oder eben vom Markt erwartet werden. Dies wirkt sich ebenfalls auf den Preis aus. Tüting äußert sich zur Verbrenner-Variante ein wenig konkreter: „Ob es dann am Ende das Doppelte sein muss, lasse ich jetzt mal dahingestellt. Aber wir werden mit der Verbrenner-Variante deutlich unter 30.000 € starten und glauben, dass wir damit sehr, sehr competitive sind.“
Gerade bei entsprechenden Fahrassistenzsystemen sehe er noch Ansatzpunkte zum Sparen. Denn was in Europa Pflicht ist, scheint in China die Kür zu sein. „Für die Fahrerassistenzsysteme ist es aber so, dass in Europa zum Beispiel gesagt wird, okay, man braucht einen Spurhalter-Assistenten und einen Notfallspurhalter und einen Auto Emergency Braking und all diese Systeme müssen standardmäßig im Auto sein. In China ist die Regelung bei vielen dieser Dinge noch, das muss verfügbar sein, aber es reicht optional. Das heißt, der Kunde kann sich entscheiden, bestelle ich das, weil ich das haben möchte oder nicht“, so Tüting über die Unterschiede der jeweiligen Märkte.
Inwiefern es der Aussage „Die Regeln finde ich eigentlich sehr sinnvoll, weil derjenige, der sagt, ja, ich möchte diese ganzen Assistenzsysteme haben, kann sie haben. Damit zeigt der Hersteller, wir können das alles entwickeln. Aber für den Kunden, der das nicht will, weil er sich bevormundet fühlt oder der es sich vielleicht auch nicht leisten kann, der muss halt nicht“, von ihm zuzustimmen gilt, dass muss jeder für sich entscheiden. Insofern es sich nur um „Nice-to-Have“-Fahrassistenzsysteme handelt, sicherlich in Ordnung. Ansonsten ist es sicherlich sinnvoll, dass es Vorgaben gibt, was verbaut sein muss, was nicht. Den Endkund:innen würden sicherlich teils aus Unwissenheit eventuell an der falschen Stelle sparen. Dies sollte vermieden werden.
Einordnung: Europaoffensive und der Blick auf Chery und deren Russland-Geschäfte
Es sei erwähnt, dass Chery inzwischen in Russland groß im Geschäft ist, nachdem sich westlichen Marken aufgrund des Krieges gegen die Ukraine zurückgezogen haben. Chery hat einen Marktanteil von fast 20 Prozent, davor liegt nur die russische Marke Lada. Angesprochen darauf, was dies nun für die großangelegte Europaoffensive von Chery bedeute, gab Zhang lediglich zu verstehen: „Russia is a whole different story. It’s a different story, and I will not comment on the other part of the business.“ Sein Hauptaugenmerk liege derzeit auf den drei Marken Omoda, Jaecoo und Exlantix für Europa.
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