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Bidirektionales Laden von E-Autos: Ein Gamechanger für die Stromnetze

Bidirektionales Laden von E-Autos: Ein Gamechanger für die Stromnetze

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Durch die Fähigkeit, die Fahrzeugbatterie nicht nur zu laden, sondern auch zu entladen, können bidirektionale Elektroautos ein immenses dezentrales Speicherpotenzial für das Energiesystem bereitstellen. Schon heute mit mehr als einer Million E-Autos rollen Batterien mit einer Kapazität höher als die Summe aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen über die deutschen Straßen.

Da häufig nur wenig Batteriekapazität für die tatsächliche Fahrleistung benötigt wird – der Durchschnitts-Deutsche fährt nur 40 km am Tag –, könnte ein Großteil für energiewirtschaftliche Anwendungsfälle genutzt werden und für die Fahrzeughalter:innen neue Erlösquellen erschließen, während das Fahrzeug steht, was im Schnitt mehr als 23 Stunden am Tag ausmacht. Diese Anwendungsfälle wurden u.a. in den Projekten Bidirektionales Lademanagement – BDL und unIT-e² – Reallabor für verNETZte E-Mobilität entwickelt und vorangetrieben. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) hat die bislang wichtigsten Erkenntnisse zum bidirektionalen Laden in einer aktuellen Mitteilung zusammengefasst.

Im Rahmen der Projekte sei eine Vielzahl an bidirektionalen Anwendungsfällen identifiziert, definiert und bewertet worden. Allgemein seien die Erlöspotenziale der Anwendungen dabei stark abhängig von Fahrzeug- und Wallbox-Parametern, der Last der Liegenschaft, den Marktpreisen für Strom und dem Verhalten der Nutzer:innen. Für die Ausnutzung zeitlicher Arbitragen am Intraday-Markt seien pro Fahrzeug und Jahr beispielsweise Einsparungen von 150 bis 690 Euro möglich, so die FfE. Da die Kosten des bidirektionalen Ladens insbesondere durch eine Preissenkung bei Wallboxen in Zukunft stark sinken sollen, gehen die Studienautoren davon aus, dass sowohl Vehicle-to-Home (V2H), Vehicle-to-Building (V2B) und Vehicle-to-Grid (V2G) in Zukunft wirtschaftlich sein werden.

Attraktive Anwendungsfälle scheitern stellenweise noch an der geltenden Regulatorik

Die Wirtschaftlichkeit von V2H und damit der Eigenverbrauchsoptimierung mit der eigenen PV-Anlage sei dabei am robustesten, da sie am wenigsten von geltender Regulatorik und Preisschwankungen auf den Energiemärkten abhänge und in der Umsetzung am einfachsten sei. Speziell V2G sei jedoch gegenüber stationären Speichern aktuell noch regulatorisch schlechter gestellt. Um konkurrenzfähig zu werden, müsse die Doppelbelastung bei Steuern, Abgaben und Umlagen bei der Ausspeicherung in das öffentliche Stromnetz ausgeschlossen werden.

Die Simulationsergebnisse zeigen demnach, dass im zukünftigen kostenoptimalen Energiesystem etwa 30 Prozent der Elektroautos bidirektional sein sollten. Diese bidirektionalen E-Autos spielten dabei eine entscheidende Rolle bei der Integration erneuerbarer Energien in das Stromnetz. Sie können als Tagesspeicher dienen und somit zu einer verbesserten Integration von PV-Strom beitragen. Damit böten sie trotz der Mehrkosten für die Hardware einen entscheidenden Vorteil gegenüber E-Autos, die zwar gesteuert aber nur unidirektional laden können.

Diese Entwicklung habe auch signifikante Auswirkungen auf den Bedarf konventioneller Kraftwerke (-32 GW) sowie stationärer Batteriespeicher (-60 GWh), deren Zubau in Europa bis 2050 dadurch reduziert werden könne. Infolgedessen führe dies zu jährlichen Einsparungen von etwa 7 Milliarden Euro für das europäische Energiesystem.

Die Analysen zu den Rückwirkungen auf die Verteilnetze lassen sich in fünf Haupterkenntnisse unterteilen:

Die Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors bis 2040 führe ohne Nutzung der Flexibilität bei bedarfsgeführten Betriebsweisen in 43 Prozent der Niederspannungsnetze zu einem Ausbaubedarf.
Dieser Ausbaubedarf werde durch gesteuertes (unidirektionales) Laden (V1G) mit dynamischen Stromtarifen, was unter der Annahme, dass alle Elektroautos daran teilnehmen, hohe Gleichzeitigkeit hervorrufe, deutlich (auf 69 Prozent der Netze) erhöht. Dynamische Stromtarife müssen ab 2025 von jedem Stromversorger angeboten werden.
Durch bidirektionales Laden (V2G) steigen in diesem Szenario die Ausbaubedarfe durch die höhere Flexibilität auf 71 Prozent an.
Eine Durchmischung der Use Cases V2H und V2G (Real; Teilnahmegrad von 30 Prozent der Gebäude) führe zu geringeren Ausbaubedarfen als das bedarfsgeführte Laden.
Durch gezielte Eingriffe der Verteilnetzbetreiber (nach EnWG §14a) oder dynamische Netzentgelte könne der Ausbaubedarf reduziert werden.

Netzausbaubedarf in der Niederspannung bis 2040 bei Optimierung der Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher (Simulation von 1000 realen Netzen aus Bayern) // Quelle: FfE

Eine zentrale Aufgabe für kommende Forschungsprojekte werde es daher sein, netz- und marktorientierte Use Cases so zu koordinieren, dass die Kund:innen maximalen Nutzen aus der Technologie ziehen können und gleichzeitig die Netze nicht unnötig belastet werden.

Pilotbetrieb im Projekt BDL und die Umsetzung über das intelligente Messsystem

Im Pilotbetrieb mit mehr als 50 Fahrzeugen an privaten sowie gewerblichen Standorten konnten über die Dauer eines Jahres einige allgemeine und Use Case-spezifische Erkenntnisse gewonnen werden. Bidirektionale Use Cases seien gerade deshalb so attraktiv, da Fahrzeuge einen Großteil der Zeit stehen. Kund:innen sollten daher ermutigt werden, ihre Elektroautos über diese Zeiträume auch an der Wallbox anzuschließen und einen niedrigen Ziel-SoC einzustellen, um den Optimierungsspielraum für die Use Cases zu vergrößern.

Im Durchschnitt konnten die Probanden dadurch im Use Case PV-Eigenverbrauchsoptimierung 7,5 Prozent ihrer Stromkosten einsparen, da sie weniger Energie aus dem Netz beziehen mussten. Des Weiteren ergaben die Untersuchungen, dass der Gesamtwirkungsgrad im Intraday Use Case bei etwa 80 Prozent liege, was in etwa mit einem Pumpspeicherkraftwerk vergleichbar sei.

Die technische Umsetzung der Use Cases erfolgte über ein intelligentes Messsystem. Die Kommunikation über ein Smart-Meter-Gateway biete die Möglichkeit zur nahtlosen Integration in den EEBUS-Standard, wobei die Nachweisführung bereits integriert sei. Bei Tests im Laboraufbau sei eine Zuverlässigkeit von 98 Prozent bei der Übermittlung von Leistungsvorgaben festgestellt worden.

Ausblick auf unIT-e² und BDL Next

Im Projekt BDL konnte bereits die technische Umsetzung einiger Anwendungsfälle im geschützten Projektumfeld gezeigt werden. Das Projekt unIT-e² erweitert den Betrachtungshorizont um weitere, auch unidirektionale Use Cases, sowie eine ganzheitliche Betrachtung des Energiemanagementsystems inklusive elektrischer Wärmebereitstellung. Dabei komme eine Projektstruktur mit vier parallelen Umsetzungsclustern zum Einsatz, um unterschiedliche Rahmenbedingungen in den Feldversuchsgebieten abzudecken und Interoperabilität zwischen den verschiedenen Wirkketten zu demonstrieren.

Das direkte Nachfolgeprojekt BDL Next soll genau jene Lücken schließen, die in BDL offengeblieben sind und damit eine Heranführung des bidirektionalen Lademanagements an den massenfähigen Realbetrieb erreichen. Diese Lücken betreffen sowohl die Technologie als auch die regulatorischen und prozesstechnischen Grundlagen.

Dazu zähle neben der Verknüpfung mit bestehenden Marktprozessen auch der netzdienliche Betrieb der Fahrzeuge in der Praxis, um den zügigen Hochlauf der Elektromobilität durch Engpässe im Stromnetz nicht zu gefährden. So soll es gelingen, gemeinsam mit einer einfachen Systemintegration die Fahrzeugnutzenden von den Mehrwerten der Technologie zu überzeugen.

Quelle: FfE – Pressemitteilung vom 21.11.2023

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