Megacasting: Aludruckguss im Vormarsch
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Tesla hat es vorgemacht, andere Automobilhersteller ziehen nach: Sie setzen bei der Produktion, insbesondere von Elektroautos, auf immer größere Strukturteile aus Aludruckguss. Durch eine Verringerung der Teilezahl sollen Herstellungskosten eingespart und durch geringeres Gewicht die Reichweite gesteigert werden. Dieser Trend, der gerne mit dem Begriff Megacasting oder Gigacasting belegt wird, scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Schon seit Jahrzehnten werden im Automobilbau einzelne Fahrwerks-, Motoren- oder Karosserieteile statt aus gepressten Stahlblechen im Aluminiumdruckguss hergestellt. Dann stieß Tesla nach wie üblich wohl inszenierter Ankündigung durch Firmengründer Elon Musk in neue Dimensionen vor: Seit Anfang 2021 produziert der amerikanische Konzern die komplette hintere Bodengruppe seines Model Y als ein einzelnes, massives Teil im Druckguss.
Dadurch reduzierte sich die Zahl der Bauteile, viele Fügeschritte, die üblicherweise von zahlreichen Robotern vorgenommen werden, fallen weg, und Tesla kann ein Exemplar dieses Fahrzeugtyps bereits in zehn Stunden produzieren. Mit riesigem Erfolg: 2022 war Model Y das weltweit meistverkaufte Elektroauto, im ersten Quartal 2023 das weltweit meistverkaufte Auto überhaupt.
Unerwartete Entwicklung
Mit der Verwendung von Megacasting-Teilen im Model Y scheint sich der Einsatz von großen Strukturen aus Aluguss in der Serienproduktion von Autos etabliert zu haben – eine Entwicklung, die noch vor einigen Jahren von Fachleuten nicht für möglich gehalten wurde. Tesla hat es vorgemacht, andere Autobauer springen nun auf den Zug auf. Ab 2025 will Volvo das Megacasting in seinem Stammwerk in Torslanda zur Produktion von Elektroautos nutzen.
Weitere Autohersteller und auch Zulieferer in China sind inzwischen in der Lage, große Strukturbauteile für Fahrzeuge zu gießen. Bei der Fachmesse China Diecasting wurden dem interessierten Fachpublikum im vergangenen Juli entsprechende Gusserzeugnisse präsentiert. Im Januar 2024 wird sich die Euroguss in Nürnberg unter anderem dem Thema Megacasting widmen.
Gegossen wird aktuell auf entsprechend leistungsstarken Anlagen mit bis zu 9000 Tonnen Schließkraft, die in den vergangenen Jahren von Herstellern wie Idra (Italien) und Bühler (Schweiz) entwickelt worden sind. Über 400 Tonnen schwer, 20 Meter lang, 6 Meter hoch und 6 Meter breit sind die Maschinen, mit denen in wenigen Minuten Teile in einer Größe von rund 1,50 Meter im Quadrat produziert werden können.
Vorteil grüne Wiese
Damit ist die Größenentwicklung noch lange nicht abgeschlossen. Die erste 16.000 Tonnen-Maschine der Welt wurde Ende Oktober vorgestellt, 20.000 Tonnen sind offenbar bereits in der Projektierung. Damit könnte es eines Tages möglich sein, den Body eines Pkw, wie bei einem Matchboxauto, aus nur ganz wenigen Teilen herzustellen.
Doch nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch ökonomisch sinnvoll. „Megacasting wird insbesondere bei der Reduzierung der Produktionskosten für Elektroautos verwendet. Den Vorteilen wie der massiven Reduzierung von Bauteilen und dem Wegfall von Arbeitsschritten und Verbindungspunkten stehen aber hohe Investitionen für die Gießwerkzeuge gegenüber. Deswegen sehen wir das Megacasting aktuell eher bei Autobauern, die neue Produktionswerke aufbauen als bei Automobilherstellern, die gerade ihre bestehenden Werke auf Elektroautos transformieren“, erwartet Professor Dr. Helena Wisbert, Direktorin am Duisburger CAR-Center Automotive Research und Professorin für Automobilwirtschaft an der Osfalia-Hochschule in Wolfsburg.
Weniger Fahrzeugvarianten
Wenn der Einsatz von großen Gussteilen das Ziel der Kosteneinsparung erreichen soll, rückt ein weiteres Thema in den Mittelpunkt: die produzierten Stückzahlen. Denn nicht nur die Megacasting-Maschinen sind groß, sondern auch die verwendeten Druckgießformen. Die teilweise mehr als 100 Tonnen schweren Formen können nur mit erheblichem Aufwand und bei langen Stillstandszeiten gewechselt werden. Damit wird es unwirtschaftlich, viele Varianten eines Fahrzeugs herzustellen – mit Auswirkungen auf die Produktgestaltung. Helena Wisbert: „Das Megacasting ist mit einer geringen Flexibilität bei der Variantenvielfalt verbunden. Da diese aber bei den E-Autos grundsätzlich geringer ausfällt, fällt dieser Nachteil nicht mehr so stark ins Gewicht.“
Über den Autor: Roland Schulz, Redakteur, TBN Public Relations
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