Nanuk Megaliner: Ein XXL-Lastenrad für die letzte Meile
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Inmitten der Bestrebungen, den CO₂-Ausstoß zu verringern und die Lebensqualität ihrer Bewohner zu erhöhen, verengen immer mehr Städte die Räume für Autos – was auch einen direkten Einfluss auf den Lieferverkehr hat. Zusteller, Handwerker und Logistiker sehen sich vor der Herausforderung, ihre Herangehensweise zu überdenken. Hier setzt das Hamburger Unternehmen Cargo Cycle an, das die laut eigener Aussage weltweit größten Schwerlasträder konstruiert und herstellt. Im Fokus steht insbesondere der Nanuk Megaliner, ein imposantes Lastenrad, das laut dem Gründer und CEO Christian Rusche einen halben 7,5-Tonner-Lkw ersetzen kann.
Lastenräder gewinnen zunehmend an Bedeutung, wenn es um die Auslieferung auf der “letzten Meile” geht. Gemeint ist damit der Abschnitt der Lieferkette, bei dem Waren vom Lager oder Verteilerzentrum direkt zum Endverbraucher gelangen. In urbanen Umgebungen wird dieser logistische Abschnitt durch enge Straßen, hohe Verkehrsaufkommen, Umweltauflagen und dem Wunsch nach CO₂-Reduzierung zunehmend komplexer. Nicht zuletzt deshalb kommen immer mehr Speditionen, Paketlieferanten und Lieferservices auf das Fahrrad, da sie eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Lieferfahrzeugen darstellen. Sie sind umweltfreundlich, leise und äußerst flexibel.
Der Einsatz von Lastenrädern auf der letzten Meile bringt verschiedene Vorteile mit sich. Zunächst einmal sind Lastenräder emissionsfrei, was dazu beiträgt, die Luftqualität in städtischen Gebieten zu verbessern. Dies steht im Einklang mit den Bemühungen vieler weltweiter Städte, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und umweltfreundliche Lösungen zu fördern. Die Flexibilität ist sicherlich ein weiterer entscheidender Faktor: Aufgrund ihrer Bauweise können Lastenräder enge Straßen und Fußgängerzonen (im Lieferverkehr) problemlos passieren. Die Wendigkeit erhöht die Flexibilität bei der Zustellung und ermöglicht es, Lieferungen unmittelbar vor der Haustür durchzuführen – willkommen bei Fahrern, die schwere Last zu tragen haben.
Nicht zu vergessen ist, dass die Nutzung von Lastenrädern zur Verkehrsreduktion in städtischen Gebieten beitragen kann. Die Fahrzeuge sind weniger anfällig für Verkehrsbehinderungen und können Staus mindern, da der Lieferverkehr oft eine Hauptursache für Verkehrsprobleme in städtischen Gebieten ist. Kosteneffizienz spielt ebenfalls eine Rolle: Lastenräder sind in der Anschaffung und im Betrieb oft günstiger als herkömmliche Lieferfahrzeuge. Unternehmen können somit ihre Gesamtkosten für die Lieferkette reduzieren.
Der Nanuk Megaliner zählt zu den größten Lastenrädern der Welt und kann bis zu 500 Kilo zuladen | Bild: Cargo Cycle
Zwei Megaliner ersetzen 7,5-Tonnen-Lkw
Das Unternehmen Cargo Cycle wurde 2011 von Christian Rusche in Hamburg gegründet. Der Norddeutsche hat sich seitdem dem Bau von Lastenfahrrädern verschrieben; mit dem Nanuk Megaliner hat er sogar eines der größten Lastenräder der Welt im Angebot. Mit einer Länge von knapp sieben Metern und einer Zuladung von 500 Kilogramm kann dieses Schwerlastrad problemlos Fahrradwege nutzen und ist dennoch äußerst flexibel. Die Ladefläche bietet Platz für drei Euro-3-Paletten in Reihe oder 4000 Liter, was es zu einer effizienten Alternative für den innerstädtischen Lieferverkehr mache, erklärt Rusche in einem Gespräch mit dem Manager Magazin. Bis zu 25 km/h schnell kann das XXL-Lastenrad laut Unternehmen fahren, zudem kann der Laderaum klimatisiert und der Aufbau mit Logos individualisiert werden. Die Räder werden in Hamburg hergestellt; fast alle verbauten Komponenten sollen aus Deutschland oder Europa stammen.
Rusche hat das imposante Lastenrad konzipiert und gebaut, laut Manager Magazin wird in naher Zukunft bereits das vierte Exemplar seinen Dienst in Hamburg aufnehmen. Es laufe gut für Hamburgs erste Lastenspedition, die mit Pedalkraft Waren ausliefert. Zu den Kunden zählen bereits große Logistikdienstleister wie DB Schenker und Dachser, bei letzterem würden auf der letzten Meile zwei Megaliner erfolgreich einen 7,5 Tonnen schweren Lastkraftwagen ersetzen, erklärt der Firmengründer stolz. Außerdem plane ein Unternehmen in Wiesbaden, künftig Ikea-Möbel mit dem Megaliner auszuliefern.
Dieser Ansatz habe sich als effektiv erwiesen, da Tests zeigten, dass zu bestimmten Zeiten auf diese Weise “viel mehr” Kunden beliefert werden können als mit einem herkömmlichen Transporter. Der Preis für einen Megaliner beträgt laut Bericht rund 27.000 Euro (netto), einschließlich Plane und Akku. Letzterer sei groß genug, um im städtischen Gebiet bis zu 100 Kilometer mit Elektrounterstützung zurücklegen zu können, heißt es weiter. Damit kann man ganz Berlin einmal komplett von Ost nach West und zurück durchqueren.
Die Produktion kleinerer Lastenräder habe Cargo Cycle eingestellt, zugunsten des Megaliner – hier soll die Nachfrage die Produktionskapazitäten sprengen | Bild: Cargo Cycle
“Es gibt viel mehr Nachfrage als wir bewältigen können”
Auch Paketdienste wie DHL und DPD setzen verstärkt auf CO₂-freie Lieferungen. Sie alle haben das Ziel, bis 2030 den CO₂-Ausstoß auf der letzten Meile signifikant zu reduzieren, hauptsächlich durch verstärkten Einsatz von Elektrofahrzeugen. Branchenriese DHL habe bereits signifikante Fortschritte gemacht, wird berichtet. Aktuell werden in der Hälfte der DHL-Zustellbezirke Pakete elektrisch ausgeliefert, bis 2025 soll diese Quote gar auf 70 Prozent gesteigert werden, heißt es. Die Gesamtzahl der Transporter auf der letzten Meile betrage derzeit 60.800, wovon laut Manager Magazin 25.000 rein elektrisch betrieben werden. DHL plane bis Ende 2025, die Anzahl der elektrischen Transporter auf 38.000 zu erhöhen. Dabei betont ein DHL-Konzernsprecher, dass die elektrischen Transporter jährlich im Durchschnitt jeweils vier Tonnen CO₂ einsparten. Außerdem habe der Einsatz von rund 13.500 E-Trikes und etwa 5700 E-Bikes dazu geführt, dass wöchentlich 2,3 Millionen kleine Päckchen per Lastenrad ausgeliefert werden. Diese Maßnahme ermögliche eine CO₂-Einsparung von etwa 0,4 Tonnen pro Jahr im Vergleich zur herkömmlichen Autozustellung.
Doch für die großen Paketzusteller fahre das Start-up Cargo Cycle schon lange nicht mehr – weil sie “viel zu schlecht” zahlen würden, heißt es weiter. Dies sei allerdings kein Problem: “Es gibt viel mehr Nachfrage als wir bewältigen können”, so Rusche. Die Lastenräder von Cargo Cycle legen jährlich rund 52.000 Kilometer emissionsfrei in Hamburg zurück und tragen zu einer jährlichen CO₂-Ersparnis von sieben bis neun Tonnen bei. Zusätzlich biete die Verwendung von Lastenrädern eine erhebliche Zeitersparnis. Der Unternehmer erläutert, dass je nach Art der Güter und dem Verkehrsaufkommen ein Kunde durchschnittlich anderthalb bis drei Stunden pro Tag einsparen könne, wenn die Lieferung per Lastenrad erfolgt.
Auch Paketdienste wie DHL und DPD setzen verstärkt auf CO2-freie Lieferungen, innerstädtisch haben sich Lastenräder bereits vielerorts bewährt | Bild: DPD
“Förderung braucht die Branche eigentlich nicht”
Dass die Bundesförderung für gewerblich genutzte Lastenräder, die bis zu 2500 Euro betragen kann, vorübergehend ausgesetzt ist und möglicherweise im Rahmen der Haushaltssanierung 2024 ganz entfallen könnte, sieht Rusche laut Manager Magazin gelassen. Er argumentiert, dass die Branche eigentlich keine Förderung benötige, da die Vorteile von Lastenrädern auf der Hand lägen. Sie seien auf der letzten Meile effizienter, schneller und kostengünstiger als herkömmliche Transporter. Cargo Cycle habe bisher keine Subventionen in Anspruch genommen, arbeite operativ profitabel und reinvestiere seine Gewinne.
Die Meinungen zu Subventionen gehen allerdings auseinander: Der Radlogistik Verband warnt davor, die Förderung für elektrische Lastenfahrräder zu beenden. Bis Mitte November habe das Bafa etwa 4,8 Millionen Euro für rund 3300 elektrische Lastenfahrräder und Anhänger ausgezahlt. Die Lobby befürchtet, dass vor allem junge Hersteller in Deutschland gefährdet sein könnten, da sie auf die Förderung angewiesen seien, um wettbewerbsfähige Preise zu halten und den Markt zu entwickeln.
Aber einige Akteure in der Fahrradindustrie sehen Subventionen auch kritisch. Thorsten Heckrath-Rose, CEO des Fahrradherstellers Rose, schlägt beispielsweise vor, Subventionen und Förderungen komplett zu streichen und stattdessen Steuern radikal zu senken sowie Ausnahmen im Steuersystem abzuschaffen. Er argumentiert, dass sich auf diese Weise gute Lösungen besser durchsetzen könnten. Und dies sei dann “mit großer Sicherheit in den Innenstädten nicht mehr das eigene Auto”, heißt es weiter.
Quellen: Manager Magazin – Wo zwei Lastenräder einen Lkw ersetzen / Eurotransport.de – XXL-Lastenrad für 400 Kilogramm / Bundesverband Paket & Express Logistik – KEP-Studie 2023 / Cargo Cycle – Unternehmenswebseite
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