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Togg T10X AWD Long Range im Fahrbericht

Togg T10X AWD Long Range im Fahrbericht

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Der Togg T10X mausert sich zum türkischen Prestigeobjekt. Der Elektro-Crossover beeindruckt mit einem digitalen Ökosystem, in dem die künstliche Intelligenz sogar Radio-Playlists erstellt, und mit guten Ladeleistungen.

Mit den Elektroautos ist es wie mit dem Goldrausch im Westen der USA. Jeder wittert das große Geld und nach wie vor schießen die E-Auto-Start-ups wie Pilze aus dem Boden. Tesla liefert das Rezept: Man konzentriere sich auf die wichtigen Elemente des Autos, kaufe den Rest zu, stampfe eine Fabrik aus dem Boden und sorge für eine ausreichende Ladestruktur.

Das kann im Grunde jeder selbst ernannte Autobauer mit dem nötigen Kapital im Rücken stemmen. Zulieferer gibt es wie Sand am Meer und die Kunst, einen hocheffizienten, kraftvollen Verbrennungsmotor zu bauen, braucht man auch nicht mehr. Damit fällt ein Technologievorteil etablierter Autobauer schon mal weg.

Togg

Genau diese Strategie verfolgt die türkische Marke Togg. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat sein Placet gegeben, und mit Gürcan Karakas hat man einen CEO gefunden, der das Autogeschäft aus dem Effeff kennt. „Wir wollen mehr sein als ein Autohersteller“, sagt der Mann mit dem leicht schwäbischen Akzent – welcher leicht erklärbar ist: Karakas war mehr als 20 Jahre bei Bosch beschäftigt und dort unter anderem für das Asiengeschäft verantwortlich. Diese Erfahrung hilft dem Mann mit den freundlichen Augen jetzt, denn er hat seine Schlüsse aus dieser Zeit gezogen.

Das merkt man sofort, sobald man sich im Togg T10X hinter das Lenkrad schwingt. Denn man blickt auf einen XXXL-Bildschirm, bestehend aus einem 12,3-Zoll-Instrumentendisplay und einem 29-Zoll-Monitor, der sich quasi von A-Säule zu A-Säule zieht. Coast-to-Coast nannte das Byton, der türkische Autobauer setzt die Vision um. Allerdings beeinträchtigt die Togg-Variante nicht das Sichtfeld, wie das bei den Fahrzeugen des chinesischen Start-ups der Fall war.

Togg verlässt nicht auf Apple oder Google, sondern hat sein eigenes Betriebssystem entwickelt, zu dem wie bei einem Smartphone ein App Store gehört. Die Apps werden per Drag-and-drop auf den Startbildschirm gezogen und das Telefon in einer Ladeschale drahtlos mit Strom gefüllt. Die Bedienung funktioniert ohne große Probleme, allerdings sind die Menüs etwas verschachtelt. Wir freuen uns über einen Drehdrücksteller wie man ihn von BMW kennt, der allerdings nicht die haptische Wertigkeit des Münchner Originals erreicht. Ein weiterer Monitor oberhalb der Mittelkonsole dient zur Einstellung der Klimaanlage und zur Konfiguration der darüber liegenden Bildschirme. So kann sich der Beifahrer sich sein eigenes Unterhaltungsprogramm zusammenstellen.

Togg

Togg bezeichnet die Fahrgastzelle als zweites Wohnzimmer und hat das Infotainment dementsprechend gestaltet. Dafür hat der türkische Autobauer Big Player aus fast allen Wirtschaftszweigen des Landes ins Boot geholt, darunter die Fluggesellschaft Turkish Airlines. Hier kann man in einem System Radio hören, Geschäfte abwickeln, Flugtickets erwerben und beim Online-Versandhändler ordern, bei Migros, der größten Supermarktkette der Türkei einkaufen oder sogar die Steuererklärung abwickeln.

„Wir haben ein eigenes Ökosystem entwickelt“, erklärt Gürcan Karakas. Deswegen gibt es mit Toggen (ähnelt lautmalerisch dem englischen Wort „Token“) auch eine eigene Währung. Wie bei einer Fluggesellschaft sammelt man für Transaktionen und Aktivitäten Meilen oder andere Punkte, die man in Toggen umwandeln kann, um damit zum Beispiel an der Ladesäule Strom zu tanken.

„Wir nehmen die Digitalisierung ernst“

Aber auch für Unterhaltung ist gesorgt: Das AI-Radio erstellt dank der künstlicher Intelligenz aufgrund der ausgewählten Musikrichtung Playlists, die den Geschmack des Nutzers entsprechen. Die Bildschirme werden auch genutzt, um digitale Kunstwerke zu erschaffen. Mit einer solchen riesengroßen Inszenierung hat Togg schon bei der Technikmesse CES für Aufsehen gesorgt. Jetzt zieren die Bits-and-Bytes-Grafiken die Außenwände der Fabrik in Gemlik. Die Freischaltung mancher Funktion erfolgt per Gesichtserkennung im Auto. Die Kamera wird auch genutzt, um Selfies zu schießen. „Wir nehmen die Digitalisierung ernst“, sagt der Togg-Chef. Das alles klingt nicht nach Tesla, sondern eher nach Apple.

Bei allem Software-Können muss ein Fahrzeug wie der Togg T10X aber auch noch seine Fahrgäste von A nach B bringen. Und das möglichst komfortabel. Genauso wie man mit einem Smartphone hauptsächlich telefoniert und nicht nur Fotos schießt oder TikTok-Videos anschaut. Seine Kernkompetenz erledigt das türkische SUV durchaus ordentlich. Auch wenn die Lenksäule zu kurz ist und die Sitze mehr Seitenhalt bieten könnten.

Wir sitzen im Topmodell T10X AWD Long Range mit 320 kW / 435 PS, einem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmetern, Allradantrieb und einer Batterie mit einer Kapazität von 88,5 Kilowattstunden, die nach dem WLTP-Zyklus für maximal 468 Kilometer reichen soll. Die Motoren kommen natürlich von Bosch.

Togg

Auch ohne Hinterachslenkung soll der 4,60 Meter lange Togg T10X einen Wendekreis von 9,50 Metern haben. Entsprechend agil lässt sich das 2165 Kilogramm schwere Gefährt bewegen. Dank der Elektro-Power geht es im T10X auf Wunsch auch herzhaft voran. Den Standardsprint von null auf 100 km/h absolviert der Stromer in 4,8 Sekunden und bei 185 km/h ist allerdings schon Schluss. Den Durchschnittsverbrauch gibt Togg mit 19,7 kWh/100 an.

Die drei Fahrmodi Eco, Comfort und Sport wählt man mit dem linken der beiden Knöpfe, die sich vorne in der ansteigenden Mittelkonsole befinden. Das ist zunächst etwas fummelig, nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich aber daran. Der rechte ist für die Stärke der Rekuperation in drei Stufen plus Segeln. Entscheidet man sich für die stärkste Einstellung, kann man das E-SUV mit dem beliebten One-Pedal-Driving bewegen. Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt.

Wir waren auch in der Basisvariante mit Heckantrieb und 160 kW / 218 PS und 350 Nm Drehmoment unterwegs, die für den Standardsprint 7,8 Sekunden braucht – und empfanden diese Motorisierung als ausreichend. Mit der großen Batterie sind dann 523 km drin, wählt man die kleinere Version, sind es noch 314 km.

Beim Stromtanken kann Togg mit Wettbewerbern wie dem Škoda Enyaq oder den VW ID.4 locker mithalten. Und mehr noch: 22 kW an einer AC-Säule schaffen nicht alle Konkurrenten. An einem 11-kW-Ladepunkt sind die Akkus in 345 Minuten von 20 auf 80 Prozent gefüllt. Steuert man eine DC-Schnellladesäule an, schafft der T10X maximal 180 kW. Dann dauert es sogar nur 28 Minuten. Damit das in der Türkei auch möglich ist, sollen 1000-Schnellladesäulen entlang der Hauptverkehrsadern platziert werden. Was Tesla kann, können wir schon lange, wird man sich am Bosporus sagen. Bei den Fahrassistenten bietet der T10X einiges: adaptiver Tempomat, Toter-Winkel-Warner, ein Stauassistent und auch der Einparkhelfer sind an Bord. Ende des Jahres soll er nach Deutschland kommen. Ob sich das digitale Erlebnis hier eins-zu-eins replizieren lässt, wird sich zeigen. Gut möglich, dass Amazon und Co. sich auf diese Plattform einlassen.

„Man muss den Stier bei den Hörnern packen“

Maximal 2000 bis 3000 Autos sind für den Verkauf in Deutschland geplant. 2025 sollen es deutlich mehr werden. Bei 1,5 Millionen Bürgern mit türkischem Pass wird der rollende Nationalstolz sicherlich auch zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen gefragt sein. Die Preise für Deutschland stehen noch nicht fest. In der Türkei geht es bei rund 40.000 Euro, los, die Topversion dürfte mehr als 65.000 Euro kosten. Der Vertrieb soll wie in der Türkei direkt erfolgen und in den großen Städten wie München, Berlin und Hamburg sogenannte Experience Center entstehen.

„Man muss den Stier bei den Hörnern packen“, strahlt Karakas und schmiedet bereits Pläne für die Zukunft. In den nächsten fünf Jahren sollen weitere Modelle für Umsatz sorgen. Eine Limousine (T10F), ein kleineres SUV (T8X), ein Van beziehungsweise ein leichtes Nutzfahrzeug. Bis 2032 sollen eine Million Togg auf den Straßen rollen.

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