Darum plant Stellantis mit Leapmotor
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Stellantis bringt die ersten Leapmotor-Modelle nach Europa. Eine Kannibalisierung mit anderen Marken des ohnehin schon 14 Marken starken Automobil-Konzerns droht. Doch hinter der Fusion mit dem chinesischen Start-up steckt ein knallhartes Kalkül, wie ein Blick auf die Strategie von Stellantis offenbart. Carlos Tavares ist ein Mann der klaren Worte. Unlängst machte der Stellantis-Chef einmal mehr deutlich, dass die Profitabilität für ihn an erster Stelle steht und er auch bereit ist, heilige Kühe zu schlachten. „Wenn sie kein Geld einbringen, werden wir sie schließen. Wir können es uns nicht leisten, Marken zu haben, die nichts verdienen”, erklärte der Portugiese unlängst, als er einen drastischen Stellantis-Gewinneinbruch verkünden musste, der im ersten Halbjahr 2024 um 5 Milliarden Euro auf 5,9 Milliarden Euro zurückging.
Angesichts dieser markigen Worte kommt die Frage auf, welche Rolle Leapmotor im Stellantis-Konzern spielen soll. Schließlich ist der Newcomer nicht der einzige chinesische Autobauer, der mit großen Eroberungszielen nach Europa kommt. Andere hatten ähnliche Ambitionen und haben sich eine blutige Nase geholt. Great Wall Motor (GWM) hat bereits die Reißleine gezogen und die deutsche Dependance geschlossen. Zudem erlebt der Elektromobilitäts-Boom gerade eine kleine Delle.
Und Leapmotor ist ein vergleichsweiser kleiner Fisch im chinesischen E-Auto-Haifischbecken: Der Autobauer hat im Juli das 400.000 Exemplar seit der Gründung 2015 ausgeliefert. Zahlen, bei denen BYD-Manager, die allein so viele E-Auto pro Quartal absetzen, nur müde lächeln. Einen weiteren Klotz am Bein kann und will sich Carlos Tavares nicht leisten. Doch der Portugiese macht nichts ohne Kalkül – und investiert schon gar nicht 1,5 Milliarden, um Mehrheitseigentümer bei einem chinesischen Autobauer zu werden. Die Pläne sind jedenfalls ehrgeizig. Leapmotor will bis zum Ende dieses Jahres 200 Verkaufsstellen in Europa etablieren, 2026 sollen es bereits 500 sein. Das ist nur möglich, indem die Chinesen das Stellantis-Vertriebsnetz nutzen.
Interessant wird es, wenn man sich die beiden Modelle anschaut, mit denen Leapmotor in Deutschland und Europa erfolgreich sein will. Der 4,73 Meter lange Elektro-SUV C10 will im Revier von Tesla Model Y und Skoda Kodiaq wildern, während der E-Kleinwagen T03 in der Unter-20.000-Euro-Klasse dem Dacia Spring und dem BYD Seagull den Rang ablaufen soll. So weit, so gut.
Doch auch im Stellantis-Konzern gibt es Marken wie Citroën (mit dem ë-C3) oder Fiat (mit dem Panda), die im Einsteiger-Segment erfolgreich sein wollen. Ganz zu schweigen von Opel und Peugeot. Eine Kannibalisierung droht. „Die E-Autos von Leapmotor haben im Vergleich zu denen von Stellantis in Europa eine andere Marktpositionierung. Leapmotor richtet sich vor allem an junge und technikaffine Verbraucherinnen und Verbraucher, die Wert auf intelligente Funktionen, Konnektivität und Personalisierung in ihren Autos legen. Daher ist Leapmotor keine Bedrohung, sondern eine zusätzliche Chance“, lässt Stellantis verlauten. Nur: Betrachtet Stellantis Kunden von Opel und Peugeot dann etwa im Umkehrschluss als nicht technikaffin und keinen Wert legend auf intelligente Funktionen und Konnektivität? Fest steht: Der Leapmotor-Produktplan bis 2027 steht bereits: Nach den beiden Debütanten sollen zwei weitere SUVs und Fließheckmodelle folgen.
Leapmotor bei Stellantis: Risiko oder Chance?
Papier aber ist geduldig, und die Realität dürfte auf dem hart umkämpften Markt anders aussehen. Doch Carlos Tavares denkt in anderen Dimensionen. Er weiß, dass das ein großer Automobilkonzern nur dann langfristig erfolgreich sein kann, wenn man in allen wichtigen Regionen ein konkurrenzfähiges Angebot hat. „Mit der strategischen Investition in Leapmotor können wir von der Wettbewerbsfähigkeit der Marke profitieren – sowohl in China als auch andernorts“, antwortet Stellantis auf Nachfrage. Man möchte sich in Zukunftsmärkten wie Südostasien, Indien oder Südamerika in Stellung bringen. Wobei die Elektromobilität dort oftmals noch eine Wette auf die Zukunft ist.
Um dem wichtigeren Grund des Neuerwerbs auf die Schliche zu kommen, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Als PSA-Peugeot-Citroën 2017 Opel übernahm, holte sich Carlos Tavares auch das Know-how der deutschen Ingenieure ins Boot. Ähnlich wie der Rüsselsheimer Autobauer verfügen die Chinesen mit Infotainment und Konnektivität über eine Expertise, die jeder Autohersteller händeringend sucht. Nicht ohne Grund hat VW ebenfalls mit Leapmotor verhandelt, Stellantis aber den Zuschlag erhalten. Für vergleichsweise überschaubare 1,5 Milliarden Euro, während die Wolfsburger bei Rivian eingestiegen sind. Im Raum stehen bis zu fünf Milliarden Euro.
Die Partnerschaft ist keine Einbahnstraße
„Klar ist, jeder große Hersteller braucht kurzfristig attraktive elektrische Optionen in seinem Modellportfolio. Darüber hinaus arbeitet die Branche daran, die Software-Revolution, die wir erleben, auch ins Auto zu bringen“, weiß Peter Fintl von der Unternehmensberatung Capgemini und ergänzt: „Damit kehren sich die Verhältnisse um: Bei westlich-chinesischen Joint-Ventures im Reich der Mitte waren bisher immer die ausländischen Partner für Technologie- und Know-how zuständig und die einheimischen Konzerne kümmerten sich vorwiegend um die effiziente Produktion und den Vertrieb. Nun werden chinesische Elektrospezialisten plötzlich als Technologiepartner gesehen.“
Man könnte meinen, dass Stellantis wie eine Art Technologie-Vampir das Wissen aussaugt. Dem ist nicht so. Die Partnerschaft ist keine Einbahnstraße. „Durch den enorm intensiven Verdrängungswettkampf im chinesischen Automarkt gelingt es nur sehr wenigen Anbietern, ausreichend Gewinn zu erzielen. Daher sind neue Erlösquellen wie die Lizenzierung von Technologie oder Entwicklungspartnerschaften hoch willkommen. Gleichzeitig verstehen westliche Konzerne ihre Heimatmärkte am besten und können neue Technologien in attraktiver Art für ihre Kunden zugänglich machen. Man kann durchaus von einem ‘Win-Win’ sprechen“, erklärt Fintl. Also profitiert auch Stellantis. Falls Leapmotor auch in China zur Erfolgsstory wird. Und Carlos Tavares’ oberster Maxime, der Profitabilität, wäre Genüge getan.
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