BMW CE 04: Auf die kalte Tour
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Von Marcus Efler
Elektromobilität ist doch eine feine Sache. Mit 250 km/h rausche ich leise dahin, checke mein Smartphone, nicke auch mal kurz weg. Kein Wunder dass ich etwas müde im Sessel hänge, bin ich doch um fünf Uhr morgens in diesen ICE von München nach Stuttgart gestiegen. Mein Endziel ist das BMW-Motorradzentrum in Vaihingen, denn dort wartet meine neue Liebe auf mich: Ein – blind gekaufter – CE 04, dieser große, grandios gestylte Elektroroller, 31 kW /42 PS, aus erster Hand, magellangrau metallic, Vollausstattung. 240 Kilometer entfernt von der Garage in München, die sein neues Zuhause werden soll. Überführung auf eigener Achse, Ehrensache. Auch im nasskalten Herbst.
Schon länger reifte in mir der Entschluss, dem Münchner Stadtverkehr mit einem Roller zu begegnen. Dass der elektrisch fahren soll, daran besteht für mich überhaupt kein Zweifel. Das ist Gegenwart und Zukunft, leise, schnell, sauber. Verbrenner ist Vergangenheit. Träge, laut, dreckig.
Für jemanden wie mich, der noch mit einem echten „Einser“, also vollwertigem Motorrad-Führerschein, unterwegs ist, kommt da eigentlich nur der große Roller aus Berlin infrage. Der neuere CE 02 deckt mit seiner mickrigen Reichweite gerade mal jenen urbanen Bereich ab, in dem ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Der CE 04 dagegen schafft es von zu Hause zum Flughafen und zurück ohne Laden, 100 Kilometer Stadt-Land-Autobahn-Mix.
Für die 240 Kilometer von Vaihingen nach Hause müsste ich, bei 130 Kilometern Reichweite gemäß Werksangabe, unterwegs einmal laden. Soweit die Theorie. Da es eine Autobahntour ist, rechne ich besser zwei Stopps ein. Das ist gerade so akzeptabel, um mir den Schnäppchenpreis zu sichern. Neu kostet das Teil in Vollausstattung laut Konfigurator schließlich fast 16.000 Euro. Mit Schnelllader und, als wichtigste Extras, Kurven-ABS und -Licht, sowie Sitz- und Griffheizung. Schließlich bin ich Ganzjahresfahrer – für zwei Euro Versicherung im Monat und null Steuer lohnt sich ja kein Saisonkennzeichen.
Der Listenpreis ist freilich eher so ein theroretischer Richtwert. Bei den BMW-Niederlassungen stehen die Tageszulassungen mit einem Kilometer und 2000 Euro Abschlag im Ausstellungsraum. Für neuwertige Maschinen mit unter 2000 Kilometern sind die Preise nach dem Sommer abgesackt auf gut 10.000 Euro. Mein Stuttgarter Schnäppchen kostet sogar nur 8900 Euro. 1600 Kilometer auf dem Digitaltacho, mit noch laufender Hersteller- sowie danach noch einem Jahr Händlergarantie.
Mit dem Rucksack über der Schulter und Helm unter dem Arm laufe ich morgens bei trostlosem Nebelwetter in der Stuttgarter BMW-Niederlassung ein. Netterweise empfängt mich der zuständige Verkäufer schon, obwohl der Laden zur kühlen Jahreszeit eigentlich erst eine Stunde später öffnet. Er kopiert den Kfz-Schein – oder Zulassungsbescheinigung Teil II, wie das heute heißt – und lässt das mitgebrachte Kennzeichen montieren.
Da steht er also, mein neuer Roller, blankgeputzt und fast wie neu. Eine Seitentasche inklusive Halterung hat der nette Verkäufer mir auch noch spendiert. Wo ich denn das erste Mal laden möchte, fragt er besorgt. „Ach, Ulm? Das ist sportlich.“ Er sei selbst auch elektrisch unterwegs, erklärt er. Das ist schon mal gut – bin ich also nicht an einen Petrolhead geraten, der alle elektrischen Reiter für Spinner hält. Die Empfehlung, etwas früher zu laden, muss ich also ernst nehmen.
Der nette und elektro-kompetente Verkäufer erklärt mir detailliert die Bedienung. Dann lege ich meinen Nierengurt an, darunter drei Schichten Klamotten, darüber wetterfeste Goretex-Motorradjacke, ganz oben der Integralhelm. Nicht gerade ein lifestylig-leichtes Roller-Outfit, aber für diese Fahrt angemessen.
Hui, zischt der ab
Mein Roller und ich summen vom Hof, zügig sind wir auf der Autobahn. Hui, zischt der ab, selbst im vorsichtshalber noch angeklickten Regenmodus. Auf der Autobahn bei Tempo 100 sinkt die Anzeige der Akku-Kapazität trotzschnell von eben noch 100 auf 85 Prozent. Mit einem Mal verspüre ich ein Gefühl, das mir in modernen Elektroautos völlig fremd ist: Reichweitenangst.
Nach Ulm werde ich es wirklich kaum schaffen. Schon in Kirchheim unter Teck fahre ich ab. Handschuhe aus, Handy raus, Ladesäule gesucht und die Routenführung über die BMW-App auf das Display gebeamt. Abgesehen von dem Versuch, mich über einen solide abgesperrten Fußweg zu lotsen, führt mich das Navi dann tatsächlich zu zwei Ladesäulen in einem Gewerbegebiet.
Mit mickrigen 6,6 Kilowatt sickert der Strom in den Akku. Und das trotz „Schnellladegerät“ für 900 Euro Listenpreis – und da ist nicht mal ein Mode-3-Kabel enthalten. Sorry BMW, aber das ist ein schlechter Witz.
Hier ist es kalt, kein Café weit und breit. Ich pule meinen Joker aus dem großen Rucksack: Ein höheres Windschild. In der Hoffnung, damit den Verbrauch etwas zu senken, montiere ich es mit klammen Fingern an. Schneller als befürchtet ist der 8,9-kWh-Akku dann auch wieder fast voll, und ich zische wieder auf die A8. Dort hänge ich mich mit 90 Sachen hinter einen Lkw, und siehe da: Die Reichweite schmilzt jetzt langsamer. Geht es bergauf, klinke ich mich aus dem Windschatten aus, 65 km/h ist mir dann doch zu lahm. Aber so schaffe ich es entspannt bis Ulm-Ost.
Sechs Ladesäulen zeigt die App meines Strom-Providers hier, aber nur zwei mit einem passenden Typ-2-Anschluss. Wo sind die bloß, ich sehe nur CCS-Schnellsäulen. Der Fahrer eines Mini Cooper SE winkt: „Versuch es mal hier, Gleichstrom funktioniert nicht, aber vielleicht Dein Wechselstrom.“ Tatsächlich weist die Säule unten eine passende Buchse auf. Ich schalte sie über die App frei, verbinde das Kabel, es klickt und – nichts. Kein Strom fließt.
Foto: Marcus Efler
Da ist sie wieder, die Reichweitenangst. Was, wenn jetzt die zweite Buchse auch nicht funzt? Und wo ist die überhaupt? Klar, an der Säule, an welcher jetzt der Mini-Fahrer Gleichstrom saugt. „Häng Dich hier mit dran“, lädt er mich ein. Das ungeschriebene Gesetz unter Elektromobilisten, sich nicht an derselben Säule gegenseitig die Ladeleistung wegzubremsen, ist in so einer Situation ausnahmsweise ausgesetzt – und meine 6,6 kW stören ja eh niemanden. Immerhin, jetzt summt der Strom in den Akku. Im nahen Schnellrestaurant wärme ich mich bei einem Cheeseburger auf.
So macht die Sache Spaß
Nach einer Dreiviertelstunde geht´s mit fast vollem Akku weiter zum nächsten Stopp nach Augsburg. Mittlerweile habe ich so etwas wie einen Rhythmus entwickelt, fahre im Flow aus Windschatten und freien Tempo-100-Etappen. Der Verbrauch pendelt sich so auf acht Kilowattstunden pro 100 Kilometer ein, das Vertrauen in die Reichweiten-Anzeige wächst. So macht die Sache Spaß. Und das erst Recht im Augsburger Stadtverkehr. Hier spielt der Elektroroller seine überzeugenden Stärken voll aus, zischt kraftvoll von der Ampel ab, spurtet – trotz seines langen Radstandes – wendig über die Fahrspuren. Effizienz und Reichweite wachsen.
Die erste Ladestation, die ich passiere, kann ich nicht nutzen: Hier gibt´s nur CCS-Stecker. Schließlich finde ich an einem Einkaufszentrum die passende Wechselstrom-Säule. Während der BMW lädt, laufe ich durch den schön warmen Supermarkt. Und sinniere über eine neue Erkenntnis: Das Problem der fehlenden Gleichstrom-Buchse ist nicht nur das lahme Laden, sondern auch die Infrastruktruktur. Der zügige Ausbau entlang der Fernrouten fokussiert sich auf Gleichstrom, von dem man mit Wechselstrom-Gefährt nicht profitiert. Hoffentlich sterben die passenden Ladepunkte nicht ganz aus.
Foto: Miriam Efler
Aber meistens werde ich wohl doch an der Schuko-Steckdose in der heimischen Garage laden, die ich nun, nach der letzten, zügigen 70-Kilometer-Etappe erreiche. Sechs Stunden war ich unterwegs, auf der Hinfahrt mit ICE, S-Bahn und Bus waren es noch derer drei. Hergeben möchte ich meinen CE 04 trotzdem nicht mehr. Seine Spezialität ist eben die urbane Mobilität, da gibt es, wie ich in den nächsten Tage feststelle, nichts Besseres.
Allerdings verstehe ich auch, dass viele Motorradfahrer vor der Elektrifizierung zurückschrecken. So schön, smooth und kraftvoll das Fahren per Strom auch ist, so wenig brauchbar sind Akkus bislang für längere Touren zu einem Ziel jenseits der 100 Kilometer. Aber auch das wird sich ändern – so wie es das bei Automobilen bereits getan hat.
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